Wenn der Desktop Anschluss findet

Seite 2: Wenn der Desktop Anschluss findet

Inhaltsverzeichnis

Die Umstellung wurde nicht von oben verfügt, sondern ist organisch seit 2000 gewachsen, berichtete Grewal. "Die Leute entdeckten Support Central von alleine und sind davon überzeugt, dass es eine bessere Art und Weise ist zu arbeiten, und sie haben uns im Gegenzug neue Dinge beigebracht."

Eine wichtige Lektion bestand darin, dass Unternehmensteile, die GE abstoßen will, jetzt mit ihrer eigenen Version der Kollaborationsplattform in die Unabhängigkeit entlassen werden. Käufer fragen explizit nach der Web 2.0-Infrastruktur, sagte der GE-Manager. Andere Unternehmen können Support Central als schlüsselfertige Lösung fürs eigene Haus von der indischen Tata Consulting Services erwerben.

Auf einen ähnlichen Effekt setzt Sun Microsystems. Die Firma war vor Jahren bei Unternehmensblogs vom CEO bis zum Ingenieur ganz vorne dabei. Heute baut sie eine Lernplattform namens "Sun Learning Exchange" auf, die Elemente eines sozialen Netzwerks mit Videoplattformen wie YouTube verbindet. Seit kurzem kann jeder Mitarbeiter eigene Videos direkt am Rechner aufnehmen und sofort hochladen, da Sun mit dem Video-Start-up Veodia zusammenarbeitet. Die Firma aus San Mateo hat sich auf Live- und On-Demand-Video für Unternehmenskunden spezialisiert und war bislang allein auf weiter Flur – bis Google vergangene Woche eine spezielle Version seines YouTube-Dienstes als Bestandteil seines "Google Apps"-Pakets für Unternehmen einführte.

Nach zwei Monaten Testlauf und ohne große Werbung im eigenen Haus laden Sun-Mitarbeiter aus 82 Ländern Tag für Tag bereits 200 Videos hoch. Wie bei YouTube kann der Eigentümer eines Clips ihn für das gesamte Web oder nur für Betrachter im Firmennetzwerk sichtbar machen. "Das ist ein neuer Ansatz, je nach eigenem Bedarf zu lernen und Ideen mit anderen zu teilen", sagt der Leiter der Initiative, Charles Beckham. Das Veodia-Plugin erlaubt es Sun, Videos je nach Anfrage auch für tragbare Geräte wie das iPhone umzuformatieren und per iTunes als Abonnements auszusenden.

So hat Beckhams Team Vertrieblern und Technikern, die ständig unterwegs sind, neue Smartphones gegeben, damit sie etwa Videos zum Austausch und Einbau komplexer Platinen von unterwegs abrufen können. "Es ist eine kulturelle Umstellung, die vom Alter der Mitarbeiter abhängt. Aber das ist die Zukunft, und als nächstes wird Livestreaming von Videos hinzukommen", sagt der Sun-Manager. Vertriebsmitarbeiter hätten bereits damit begonnen, direkt nach einem Verkaufsgespräch Videos hochzuladen, in denen sie Kollegen erklären, wie sie einen Deal gewonnen oder verloren haben.

Neben der beständig ausgebauten Wissensbasis, zu der auch Dokumente und andere Dateien gehören, verfolgt Sun damit weiter reichende Pläne. Die Videos werden in die regelmäßigen Bewertungen aller Mitarbeiter einfließen. Beckham und Systemarchitekt Jan Mangold nennen dieses Konzept das "Gemeinschaftskapital". Dabei wird ein Manager im Hause Sun bei seiner Leistungsanalyse künftig Dinge berücksichtigen wie die Zahl hochgeladener Videos, die Zuschauerzahl, deren Kommentare und wie viele andere Mitarbeiter oder Geschäftpartner auf einen Film oder ein Dokument verweisen.

Auch auf der reinen Software-Seite wagen sich Großunternehmen inzwischen auf das Online-Feld vor und geben im Gegenzug Desktop-Anwendungen wie Microsoft-Produkte mit teuren Lizenzgebühren auf. Der Elektronik-Hersteller Flextronics stellt seine gesamte Belegschaft von 200.000 Mitarbeitern von SAP und Oracle auf die Online-Lösung der Neugründung Workday um. Und nach Merill Lynch setzt auch die Citibank als zweiter großer Finanzdienstleister mit seinen 30.000 Kundenberatern auf die Web-Plattform von salesforce.com.

Die vom indischen Unternehmer Sridhar Vembu gegründete Firma Zoho besitzt seit kurzem mehr als eine Million registrierte Nutzer, die insgesamt 18 Programm-Module nutzen, von der guten alten Textverarbeitung bis zur Kundenverwaltung. "Firmen steigen schrittweise auf Software als Service um. In fünf Jahren ist die Unterscheidung Online und Offline hinfällig", meinte Vembu gegenüber Technology Review.

GE geht auch hier als Trendsetter voran und hat begonnen, seine ersten Abteilungen von Microsoft auf die Zoho-Suite umzustellen. Die größte professionelle Zoho-Installation befindet sich gegenwärtig in Japan, so Vembu. Dort hat ein Unternehmen bislang 15.000 seiner 100.000 Angestellten auf Programme per Cloud Computing umgestellt.

In ein ähnliches Horn stieß Google auf der Veranstaltung. Der für Unternehmens-Anwendungen verantwortliche Matt Glotzbach berichtete, dass Google Apps, die Suite aus Programmen und Diensten, inzwischen mehr als eine halbe Million Firmenkunden unter seinen zehn Millionen aktiven Nutzern zählt. Jeden Tag kämen neue Unternehmen als zahlende Kunden hinzu. Die Frage sei nicht mehr, ob und wann Web 2.0 ins Unternehmen einziehe, sagte der Google-Manager. Der Prozess sei bereits in vollem Gange. (bsc)