Wer erschafft das erste Designer-Baby?

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Um Näheres zu erfahren, besuchte ich das Labor von Guoping Feng, einem Neurobiologen am McGovern Institute for Brain Research des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er züchtet eine Kolonie von Marmosetten-Affen, die als Modelle für menschliche Hirnerkrankungen dienen sollen. Um die Tiermodelle zu schaffen, will Feng die DNA der Affen-Embryos verändern und diese dann in weibliche Tiere einsetzen, um lebendige Affen mit den gewünschten Eigenschaften zu bekommen. Dass die Methode im Prinzip funktioniert, zeigten Forscher im chinesischen Kunming. Dort wurden vergangenes Jahr die ersten Affen mit editierten Genen geboren.

Allerdings ist auch CRISPR nicht perfekt, wie Fengs Versuche zeigen. Seine Studenten injizieren die für das CRISPR-System nötigen Substanzen in eine befruchtete Eizelle, die noch nicht mit der Zellteilung begonnen hat. Feng zufolge gelingt es auf diese Weise in 40 Prozent der Fälle, ein Gen zu löschen oder zu deaktivieren. Der gezielte Austausch von DNA-Buchstaben dagegen funktioniere weitaus seltener – eher nur in 20 Prozent der Fälle. Zudem entwickelt sich nur etwa jeder zweite der Affen-Embryonen zu einem lebensfähigen Tier, und von ihnen haben viele eine Mischung aus Zellen mit editierter und unveränderter DNA. Alles zusammengenommen muss man also ungefähr 20 Embryos editieren, um einen lebendigen Affen mit den gewünschten Gen-Veränderungen zu bekommen. Für Feng ist das keine unüberwindliche Hürde, denn die MIT-Brutstation gibt ihm Zugriff auf genügend Affen-Eizellen.

Beim Menschen wären die Probleme jedoch schwerwiegend. Aus diesem Grund sehen viele Forscher in derartigen Experimenten weniger echte Wissenschaft als vielmehr provokante Versuche, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Rudolf Jaenisch, ein deutschstämmiger Biologe vom Whitehead Institute for Biomedical Research im US-amerikanischen Cambridge, erzeugte in den 1970er-Jahren erstmals transgene Mäuse. Die Editierversuche bei menschlichen Embryos seien "völlig verfrüht". Er hoffe, dass die entsprechenden Fachaufsätze zurückgewiesen und nie veröffentlicht werden. "Das ist nur Sensationshascherei, die alles durcheinanderbringt. Wir wissen, dass es möglich ist, aber ist es von praktischem Nutzen? Ich habe meine Zweifel", sagt Jaenisch.

Auch andere Experten sind überzeugt, dass Eingriffe in der Keimbahn mit "falschen Argumenten" begründet werden. Einer davon ist Edward Lanphier, CEO der kalifornischen Biotechfirma Sangamo BioSciences, die mit einer anderen Gen-Editiermethode namens Zinkfingernuklease die Blutzellen von erwachsenen HIV-Patienten verändern will. "Wir haben uns mit den medizinischen Möglichkeiten von Keimbahn-Veränderungen beschäftigt, aber nichts Überzeugendes gefunden", sagt er. "Man kann es machen, aber es gibt wirk-lich keinen medizinischen Grund dafür. Angeblich wollen die Leute nur verhindern, dass Kinder ohne diese oder jene Krankheit auf die Welt kommen. Aber das ist ein vollkommen vorgeschobenes Argument, und es bringt uns auf einen rutschigen Pfad, der weitaus inakzeptablere Anwendungen bringen könnte."

Churchs Haltung ist ambivalenter. Er rühmt einerseits die "unglaubliche Genauigkeit" von CRISPR. Noch sind zwar nicht alle Details geklärt, doch seiner Meinung nach dürfte es mit der Technologie möglich sein, DNA-Buchstaben ohne irgendwelche Nebenwirkungen auszutauschen. Genau das mache den Einsatz so "verführerisch". Andererseits betont er, dass sein eigenes Labor sich auf Experimente mit Tieren konzentriere. Menschliche Embryos werde man nicht herstellen – das sei nicht "unser Stil".

Um sich über diese Entwicklungen auszutauschen, reisten am 24. Januar etwa 20 Wissenschaftler, Ethiker und Rechtsexperten ins Luxushotel Carneros Inn im Napa Valley in Kalifornien. Eingeladen hatte die CRISPR-Mitentdeckerin Doudna. Ihr machte Sorgen, dass Forscher dabei waren, die Linie zur Keimbahn zu überschreiten. Sie wollte wissen, ob sich die Entwicklung noch stoppen lässt. Im Augenblick sieht es nicht so aus. Die Biotechforschung von heute ist global und beschäftigt Millionen Menschen. Es gibt keine einzelne Autorität, die für das gesamte Fachgebiet sprechen kann, und keine einfache Möglichkeit, den Geist zurück in die Flasche zu bekommen.

Dennoch glaubt Doudna an diese Möglichkeit. Zumindest US-Wissenschaftler würden sich hoffentlich darauf verständigen können, dass Keimbahnforschung ausgesetzt werden sollte, sagte sie mir. Tatsächlich veröffentlichten hochrangige Experten am 20. März ihre Forderung nach einem Moratorium im renommierten Fachmagazin "Science". Zu den Autoren gehörten auch zwei Nobelpreisträger. Für Doudna besteht die Hoffnung darin, dass eine gemeinsame Position von US-Forschern auch Wissenschaftler in anderen Ländern dazu bringen könnte, ihre Keimbahn-Projekte vorerst einzustellen.

Denn derartige Experimente "führen uns direkt zu der Frage, wer wir als Menschen sind und ob es uns erlaubt sein sollte, derartige Macht auszuüben", sagt Doudna. "Es gibt moralische und ethische Themen, aber zu den grundlegenden Punkten gehört, dass man akzeptieren muss, dass ein Editieren der Keimbahn eine Veränderung der menschlichen Evolution bedeutet." Ein Moratorium würde Wissenschaftlern mehr Zeit geben, zu erklären, was ihre nächsten Schritte sein könnten. "Der Großteil der Öffentlichkeit", sagt sie, "findet nicht gut, was auf sie zukommt." (bsc)