Wie Forscher altersbedingte Demenz rückgängig machen wollen

Wissenschaftler an der Universität Cambridge haben im Mäuseversuch demonstriert, dass sich Gedächtnisverluste im Alter kompensieren lassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 79 Kommentare lesen
Neuronen, Gehirn
Lesezeit: 3 Min.

Es ist die große Angst vieler älterer Menschen: Dass einfach das Gedächtnis nachlässt und auch die geistige Leistungsfähigkeit. Es gibt dafür unterschiedliche physiologische Gründe – und alle sind zumeist nur schwer zu behandeln, teilweise nicht einmal adäquat zu diagnostizieren und vor allem scheinbar unumkehrbar.

Altersbedingte Demenz könnte in Zukunft womöglich doch therapierbar sein – zumindest bei bestimmten Erkrankungen. Davon geht eine Forschergruppe an der University of Cambridge in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern an der University of Leeds aus – und konnte es sogar im Tierversuch an Mäusen bereits demonstrieren. Die behandelte Erkrankung waren altersbedingte Veränderungen, die sogenannte perineuronale Netzwerke (PNNs) beeinflussen. Sie dienen als eine Art Gerüst um die Nervenzellen und bilden die extrazelluläre Matrix des Gehirns. Sie bestimmen die Plastizität und Effizienz unseres Denkapparats – und werden von Chondroitinsulfaten gesteuert.

PNNs scheinen, so jüngere Erkenntnisse, mit der Anpassungs- und Lernfähigkeit des Gehirns zu tun zu haben und auch bei der Speicherung von Erinnerungen eine Rolle zu spielen – je nachdem, wie sie gesteuert werden. Laut der Cambridge-Studie, die in "Nature" publiziert wurde, scheint ein bestimmtes chemisches Makromolekülsulfat (Chondroitin 6-sulphate) PNNs zu höherer Speicherleistung (Plastizität) anzuleiten – doch genau das nimmt im Alter ab.

Die Forscher um Professor James Fawcett vom John van Geest Centre for Brain Repair verglichen Mäuse im Alter von sechs Monaten mit Tieren im Alter von 24 Monaten – echten Senioren. Die älteren Tiere konnten sich Objekte in einem Labyrinth nur noch vergleichsweise kurz merken (oder vergaßen sie gleich), während die jüngeren eine höhere Neuroplastizität aufwiesen. Anschließend wurden die zwei Jahre alten Mäuse über einen viralen Vektor mit einer "Bauanleitung" im Gehirn versorgt, die die Erzeugung von Chondroitin 6-sulphate anregte. Das Niveau des Makromolekülsulfats wurde dadurch auf das jüngerer Tiere angehoben.

Das Ergebnis war, dass sich die Fähigkeit zum Ablegen von Informationen und dem Erlernen neuer Objekte nahezu auf das Level der jungen Tiere verbesserte. Die Ergebnisse seien "erstaunlich" gewesen, meint Jessica Kowk von der University of Leeds, die Teil des Forscherteams war. In weiteren Versuchen wurden spezielle Mäuse gezüchtet, die von Geburt an geringere Bestände von Chondroitin 6-sulphate im Gehirn hatten. Auch hier ließen sich durch die Nutzung des viralen Vektors ähnliche Leistungen generieren wie bei normalen Tieren. Als Nächstes könnte die Technik auch an Menschen erprobt werden. Tatsächlich gibt es hier bereits ein Medikament, das oral eingenommen wird und die Bildung neuer – und womöglich die Neuroplastizität hemmender – PNNs reduzieren kann. Schon das könnte reichen, Gedächtnisverluste zu reduzieren – womöglich sogar bei Alzheimer-Erkrankungen.

(bsc)