Wie Hightech-Lieferketten widerstandsfähiger werden sollen

Seite 2: Internationale Allianzen

Inhaltsverzeichnis

International rücken Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen enger zusammen. Die Allianz rund um USA, EU, Vereinigtes Königreich, Japan, Südkorea, Australien und Taiwan zwingt sich zu mehr Zusammenarbeit. Freihandelsabkommen wie CETA (zwischen der EU und Kanada) will man trotz aller Bedenken forcieren. Die Gespräche im EU-US-Handels- und Technologierat TTC bekommen mehr Bedeutung. Und die atlantisch-pazifische Allianz befürchtet, dass sich das Ukraine-Szenario in noch größerem Maßstab wiederholen könnte – mit einem Angriff der Volksrepublik China auf das abtrünnige Taiwan oder zumindest einer Blockade der Seewege.

Sicherheitspolitik ist nun fester Bestandteil von Digitalpolitik: Bereits seit 2018 läuft die von den USA getriebene Debatte über zu starke Abhängigkeiten von chinesischen Anbietern wie Huawei. Jahrelang haben Politiker darüber gestritten, ob man Huawei komplett vom Aufbau der 5G-Netze ausschließen müsse. In Deutschland muss das Bundesinnenministerium seit einer Gesetzesänderung im April 2021 Komponenten in kritischen Infrastrukturen prüfen und kann intervenieren. Bislang hat das Ministerium keinen Antrag abgelehnt.

Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner (Grüne) fordert, die deutsche Hightech-Wirtschaft müsse ihre Rohstoffbeschaffung diversifizieren.

(Bild: Edith Forster)

"Deutlich an Komplexität zugenommen" haben die Beziehungen zu China laut Wirtschaftsstaatssekretärin Brantner. In der Taiwan-Frage sei eine einseitige Eskalation zu beobachten. "Deutschland sollte auf alle Szenarien vorbereitet sein, um Fehler der früheren Russland-Politik zu vermeiden", betont sie. Die Bundesregierung erarbeite derzeit eine China-Strategie, denn mittlerweile trete "in vielen wirtschaftlichen Bereichen die systemische Rivalität mit China in den Vordergrund".

Allerdings ist die Volksrepublik ein auch für Deutschland lukrativer Rivale: Mit einem Volumen von über zwei Billionen Euro sei China der weltweit größte Absatzmarkt für Elektronik, erklärt Wolfgang Weber vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI gegenüber c’t: "Der Anteil an der globalen Elektro-Produktion beträgt über 50 Prozent, Tendenz weiter steigend. China ist auch insgesamt das größte Abnehmerland deutscher Exporte."

Eine Entkoppelung von China könnte enorme volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Lisandra Flach, Ökonomin am ifo-Institut in München, hat verschiedene Szenarien berechnet: Würde die EU ihre Wirtschaftsbeziehungen zu China weitgehend kappen, entstünde ihr etwa der vierfache wirtschaftliche Schaden des Brexits. Würde ein Handelskrieg entstehen, China also ebenfalls die Handelsbeziehungen weitgehend einstellen, würde knapp ein Prozent der Wirtschaftsleistung der EU wegfallen – über 100 Milliarden Euro.

"Vor allem sollten die geografischen Diversifizierungsbestrebungen intensiviert werden", sagt auch Flach. Die Ökonomin erläutert: "Da die Beschaffungsländer mit verschiedenen Arten von Schocks und Risiken konfrontiert sind, etwa geopolitischen Schocks, Umweltrisiken und Cyber-Risiken, ist eine breitere Streuung der Lieferketten wichtig, um ihre Resilienz zu erhöhen."

Auch in der EU-Kommission schließt man sich diesen Forderungen an. Es gehe darum, realistisch zu sein, sagte EU-Kommissar Thierry Breton Ende August: "China ist Wettbewerber und Partner zugleich." Das Ziel sei eine Machtbalance – eine Geopolitik der Lieferketten. Er habe in seiner Zeit in der Privatwirtschaft immer darauf geachtet, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, betonte Breton – und wählte damit genau dieselbe Formulierung wie Bundeskanzler Scholz.