Wie Hightech-Lieferketten widerstandsfähiger werden sollen

Seite 3: Halbleiterindustrie

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Halbleiter sind in den Augen der politisch Verantwortlichen eine besonders relevante Produktkategorie. Seit Jahren versucht China mit viel Geld, in der Chipindustrie aufzuholen und zur Spitzentechnologie-Nation zu werden. Anfang August verkündete US-Präsident Joe Biden stolz, er habe dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping einst erklärt, was für ihn Amerika sei: ein Land der Möglichkeiten.

Dass er diese Anekdote bemüht, ist kein Zufall. Biden begründete, warum er nun den Möglichkeiten gesetzlich nachhelfen muss. Mit ihren "Chips Act" genannten Maßnahmen zur Stärkung der US-Chipindustrie versuchen die USA, den chinesischen Bemühungen der vergangenen Jahre etwas entgegenzuhalten. Mit 39 Milliarden US-Dollar will der Staat den Ausbau von Fertigungskapazitäten fördern, zusätzlich 13,2 Milliarden fließen in Forschung und Entwicklung. Hinzu kommen massive Steuervergünstigungen für Investitionen im Halbleitersektor. Außerdem hat die Biden-Regierung eine Allianz vorgeschlagen: die "Chip Four". Japan, Südkorea, Taiwan und die USA sollen demnach bei der Halbleiter-Produktion noch enger zusammenarbeiten.

Die EU säße nicht mit am Tisch, obwohl EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits vor rund einem Jahr ankündigte, dass Europa in der Chipfertigung unabhängiger werden solle. 43 Milliarden Euro wolle die EU mit ihrem eigenen "Chips Act" mobilisieren, lautet der Plan der EU-Kommission. Allerdings sind weniger öffentliche Ausgaben vorgesehen: Der Löwenanteil soll von Investoren kommen. Derzeit wird das Vorhaben von Europaparlament und den Mitgliedstaaten beraten.

Derweil hat Deutschland bereits Nägel mit Köpfen gemacht. In die angekündigte Intel-Chipfabrik in Magdeburg fließen sieben Milliarden Euro Steuergelder, bei 17 Milliarden Euro Gesamtkosten. Intel soll hier im Auftrag europäischer Kunden fertigen. 2023 beginnt die Bauphase, 2027 soll es in Magdeburg-Eulenburg mit der Produktion der ersten Chips neuester Generation losgehen.

Intel baut zwei "Megafabs" an der Magdeburger Stadtgrenze, direkt an der Autobahn A14. Sie sollen ab 2027 auch Chips für Autos fertigen (gerenderte Vorschau).

(Bild: Intel)

"Die Intel-Ansiedlung in Magdeburg ist nur der erste große Baustein, da werden weitere kleine, aber auch größere folgen, auch an anderen Stellen", kündigte Bundeskanzler Scholz an. Im Gespräch ist etwa der Weltmarktführer TSMC für eine Fab zur 10-Nanometer-Fertigung in Sachsen oder Bayern. Dort soll dann also die Technik entstehen, die in den kommenden Jahren auch die deutsche Automobilindustrie benötigen wird. Derzeit verwendet sie noch ältere Chipgenerationen.

Staatssekretärin Franziska Brantner setzt voll auf das Instrument der Ansiedlungsförderung. Die EU ermöglicht seit einigen Jahren, sogenannte "wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse" (IPCEI) zu starten. Mitgliedstaaten können ihr Interesse bekunden, Unternehmen mit ins Boot holen und Fördergelder kassieren. Damit sei es gelungen, Investitionen der Industrie in Zukunftstechnologien sowie neue Produktionsanlagen voranzutreiben, so Brantner: "Mit selber Zielrichtung sieht auch der European Chips Act Fördermöglichkeiten für Investitionen der Industrie in Forschung und innovative Produktion im Bereich Halbleiter vor."

Über allem schwebt die Gefahr, dass Europa technologisch den Anschluss verliert. "2014 wurden noch zehn Prozent des Halbleiterumsatzes in Europa generiert", sagt Robert Weigel, Professor für Technische Elektronik an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen und langjähriger Kenner des Halbleitergeschäfts. "Die damalige Kommissarin Neelie Kroes hat große Pläne gehabt, und gesagt: Bis 2020 verdoppeln wir das wieder auf 20 Prozent – 2020 lagen wir dann bei sieben Prozent."

Auch diese Zahlen hatten laut Weigel noch keinen Alarm ausgelöst. "Dann kam, in gewisser Weise ‚Gott sei Dank‘, diese Chipkrise in der Automobilindustrie. Und plötzlich sind sie aufgewacht", so Weigel. Einerseits begrüßt er die Ankündigung des amtierenden EU-Binnenmarktkommissars Breton, den Weltmarktanteil in der Chipproduktion bis zum Jahr 2030 von gut sieben auf 20 Prozent zu bringen. "Aber er hat wahrscheinlich vergessen, dass sich der Weltmarktumsatz wahrscheinlich verdreifachen wird. Eine einfache Verdoppelung reicht also nicht."

Die derzeitigen EU-Instrumente wie die IPCEIs genügen nach Ansicht vieler Marktinsider nicht. Der Grund: Die EU-Beihilferegeln sehen nicht vor, dass Staaten die Produktion bereits etablierter Technologie fördern. Für die gewünschten 20 Prozent Weltmarktanteil benötigt die EU aber Massenproduktion längst entwickelter Technik. Auch der EU Chips Act hilft da nicht.