Wie Hightech-Lieferketten widerstandsfähiger werden sollen

Krieg und Krisen: Nun wollen die USA und Europa kräftig in die heimische Produktion investieren, um Chinas Vormachtstellung zu durchbrechen.

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, Albert Hulm

(Bild: Albert Hulm)

Lesezeit: 14 Min.
Inhaltsverzeichnis

Gleich mehrere, teils parallel verlaufende Krisen legten in jüngster Zeit offen, wie unzureichend die Wirtschaft gegen Störungen gewappnet ist. Insbesondere die Hightech-Branchen hatten fragile, internationale Lieferketten geknüpft und voll auf die kostensparende Just-in-Time-Produktion gesetzt. Nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie waren Anfang 2020 plötzlich wichtige Produktionsstandorte vom Welthandel abgeschottet, weil Containerschiffe keine chinesischen Häfen mehr anfahren konnten. Dann legte Anfang 2021 der Schneesturm Uri Fertigungskapazitäten bei den Halbleiter-Produzenten Samsung, NXP und Infineon in Texas lahm.

c't kompakt
  • USA und EU investieren Milliarden in die heimische Halbleiterproduktion.
  • Die westlichen Staaten wollen Lieferketten diversifizieren und damit die Abhängigkeit von China reduzieren.
  • Eine neue deutsche Rohstoffstrategie soll die Anfälligkeit der Rohstoffversorgung verringern.

Wenige Wochen später blockierte das querliegende Containerschiff Ever Given den Suez-Kanal. Nichts fuhr mehr auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Während Social-Media-Nutzer weltweit einem kleinen Bagger dabei zuschauten, wie er den havarierten Containerriesen befreite, gerieten Logistikketten weiter unter Druck. Es dauerte Monate, bis sich alles wieder einruckelte. Dann schlug Chinas No-Covid-Strategie zu.

Bild mit Symbolkraft: Ein kleiner Bagger schaufelt den havarierten Containerriesen Ever Given im Suez-Kanal frei.

(Bild: Suez Canal Authority)

Vom Elektronikbauteil-Mangel sei außer der Automobilindustrie der gesamte Maschinenbau betroffen, so Dieter Westerkamp, Bereichsleiter Wirtschaft und Gesellschaft beim VDI. "Vier von fünf Betrieben sagen, dass sie unter Einschränkungen in der Produktion leiden – verbunden mit entsprechenden Umsatzeinbußen." In der Elektroindustrie liege die Quote bei 90 Prozent. Hinzu komme, dass die Einkaufspreise durchschnittlich um mehr als 40 Prozent gestiegen sind.

"Wir haben unsere Wirtschaft von tadellos funktionierenden Just-in-Time-Lieferketten abhängig gemacht", gibt Jens Drews vom Dresdner Chipfertiger Globalfoundries zu: "Die Jahrzehnte, die wir hatten, in denen alles auf Zuruf in einer einigermaßen friedlichen Welt funktionierte, scheinen vorbei." Das Ende der friedlichen Welt war in Europa mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erreicht. Überflugverbote etwa ziehen nun längere Transportwege für die ohnehin teure Luftfracht nach sich.

Wandel durch Handel wird zu Wandel im Handel: "Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt, dass enge wirtschaftliche Verflechtungen mit autokratisch regierten Ländern bei Konflikten besondere Risiken für die geopolitische Handlungsfähigkeit und das wirtschaftliche Wohlergehen Deutschlands bergen können", sagt Franziska Brantner (Grüne), parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Es sei wichtig, Handels- und Lieferbeziehungen sowie die Rohstoffbeschaffung zu diversifizieren, so Brantner gegenüber c’t.

Damit liegt sie auf einer Linie mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): Man dürfe "nicht alle Eier in einen Korb legen", forderte er Mitte August von der deutschen Wirtschaft. "Für viele Unternehmen wird es so sein, dass sie sagen müssen: Selbst wenn die Konzentration auf einen Zulieferer die Billigste ist, habe ich lieber zwei oder drei, an unterschiedlichen Stellen."