Wie KI die Gesellschaft spaltet und was man dagegen tun kann

Seite 4: Kollektives Weltwissen

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Um KI als Gesamtphänomen zu erfassen, müssen also auch wir als Computer- und Technikmagazin eine Vielzahl von Disziplinen beleuchten. Dazu gehören auch ethische Fragen: Wo ist die Grenze, an der Maschinen dem Menschen keine Entscheidungen abnehmen sollten? Wo ist der Punkt, an dem das angestrebte Wachstum von KI-Systemen kippt und nicht mehr nützlich, sondern schädlich wird? Welche Auswirkungen hat KI bereits heute auf die Bildung und den Arbeitsmarkt? Wie ist der unter hohem Zeitdruck verhandelte AI Act der Europäischen Union zu bewerten, der Regeln für den Einsatz von KI in einigen Risikobereichen aufstellt, die größten Risiken beim Militär und der inneren Sicherheit aber ausklammert? Wie steht es um Transparenzpflichten und Urheberrechte? Was müssen Entwickler von KI-Systemen beachten? Und welchen Schutz können Autoren und Künstler erwarten, wenn ein KI-Entwickler ihre Vorbehalte gegen das Training mit ihren Werken missachtet?

All diese Fragen können auch wir nicht vollständig beantworten. Deshalb zum Abschluss nur ein Beispiel, wie mit dem Aufkommen des Internets ein Projekt zur Kollektivierung des gesammelten Weltwissens erfolgreich wurde: Wikipedia. Die Online-Enzyklopädie ist seit Jahrzehnten erfolgreich, weil sie gemeinnützig organisiert ist und sich nie dem Werbemarkt oder einzelnen Investoren unterwerfen musste. Das ist der Grund für ihre Akzeptanz und die Unterstützung durch so viele Menschen überall auf der Welt.

Die Entwicklung der Schachcomputer hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen: Die größte Schachplattform Lichess.org arbeitet heute nicht-kommerziell und lebt von Spenden. Ähnliches gilt für die stärkste Schach-Engine Stockfish, die quelloffen und kostenlos für jedermann verfügbar ist. Ein solches Ziel wäre auch für generative KI-Modelle wünschenswert. Wenn automatisierte Crawler ihr Trainingsmaterial von allen Menschen im Netz sammeln, ohne dafür zu bezahlen, dann sollten auch die damit trainierten Modelle allen Menschen frei und kostenlos zur Verfügung stehen – wie Stockfish und Wikipedia.

Eine solche Kollektivierung scheint für die großen KI-Modelle derzeit jedoch in weiter Ferne. Dafür sind der Ressourcenbedarf und die Gewinnerwartungen zu groß. Aktuell scheinen sie vielmehr den Weg der Webstühle und der heutigen Textilindustrie zu gehen, in der einige wenige Modemarken den Weltmarkt beherrschen – auf Kosten von Millionen von Niedriglöhnern im globalen Süden.



(hag)