Zahlen, bitte! – Die Sechs ist Hex

Das sechseckige Hexagon ist wichtiger Bestandteil des Spiels Hex, in dem die Spieler zwei Seiten verbinden wollen. Mit der Zeit kamen unzählige Varianten hinzu.

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Die 6 ist als Summe von 1 + 2 + 3 in der jüdischen und der christlichen Religion ein Zeichen der Allmacht Gottes. Sechseckige Synagogen und Kirchen zeugen davon. In der Mathematik und Informatik beschäftigt das regelmäßige Sechseck die Wissenschaftler und in der Politik wird das französische Hexagon als Gegenpol zum US-amerikanischen Pentagon gehandelt. Bleibt schließlich noch das unscheinbare Brettspiel Hex, das nicht nur in der Spieltheorie eine wichtige Rolle spielt.

Wer sich an seine Grundschulzeit erinnert, wird vielleicht noch das Simmaleins von Christian Morgenstern kennen, mit dem das leidige Fach Rechnen etwas lustiger wurde. "Die Hex ist sechs" bringt uns zum Brettspiel Hex, das der dänische Mathematiker, Designer und Dichter Piet Hein im Jahre 1942 am Institut für Theoretische Physik in Kopenhagen (dem späteren Niels Bohr-Institut) erfand und zunächst "Polygon" nannte.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Unter dem Titel "Wollen wir Polygon lernen?" veröffentlichte Hein die Spielregeln im Dezember 1942 in der Zeitung "Politiken". Piet Hein war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der dänischen Vereinigung ‘Frisindet Kulturkamp’ (Liberaler Kulturkampf), die sich Gedanken darüber machte, wie ein harmonisches Miteinander der Nationen aussehen kann. So entstand das Spiel aus der Beschäftigung Heins mit dem Vier-Farben-Satz.

Ob der Mathematiker die bahnbrechende Untersuchung von John von Neumann Zur Theorie der Gesellschaftsspiele [PDF] kannte, mit der die moderne Spieltheorie begann, wird von Historikern diskutiert. Jedenfalls setzte sein zunächst Con-Tac-Tix genanntes Spiel an dem Problem an, wie eine Raumgewinnungsstrategie nach sechs Seiten mit zwei Spielern aussehen kann. Auf einem Spielfeld mit 11 × 11 Hexagonen gewinnt der, der seine beiden Spielfeldränder mit einem durchgehenden Pfad verbinden kann. Der durchaus geschäftstüchtige Hein gründete die Firma Skjøde Skern, um das Spiel zu vermarkten. Später verkaufte er die Rechte an den Spielzeughersteller Hasbro, als er sich dem dänischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung anschloss.

Ein sehr ähnliches Spiel konzipierte der Mathematiker John Forbes Nash, dessen Leben in dem Hollywood-Drama "A beautiful mind" verfilmt wurde. Sein Spiel, das "John" oder "Nash" genannt wurde, entstand im Jahr 1949, nach der Beschäftigung mit dem 1944 veröffentlichten spieltheoretischen Grundlagenwerk "Theory of Games and Economic Behavior" von Oskar Morgenstern und John von Neumann. "Nash" wurde auf einem kleineren Spielbrett gespielt, hatte aber ebenfalls die hexagonale Aufteilung der Spielfelder und die Spielanweisung, die gegenüberliegende Seite zu erreichen.

Die im Hexwiki diskutierte Frage, ob Nash das Spiel von Hein kannte, konnte auch der Wissenschaftsjournalist Martin Gardner nicht lösen. Er hatte mit Hein und Nash korrespondiert, als er das nunmehr Hex genannte Spiel im Juli 1957 in der Zeitschrift Scientific American dem US-Publikum vorstellte: Die Spielfirma Parker Brothers hatte damals eine Lizenz von der dänischen Firma Hasbro erworben und nannte Con-Tac-Tix kurzerhand in Hex um.

Mit der Popularisierung von Hex als Brettspiel entstanden viele Varianten, etwa das von Heinz Haber nach der Gardner-Lektüre entwickelte Legespiel Verhext. Aber auch die Mathematiker interessierten sich für den Ansatz und entwickelten zahlreiche Hex-Varianten wie Rex, T-Rex und Zylinder-Hex (PDF-Datei) beschäftigten. Den Anfang machte natürlich John Nash, der mit dem Spiel 1952 bei 9 × 9 und 11 × 11 Feldern bewies, dass es kein Unentschieden geben kann und die Seite gewinnt, die den ersten Zug hat. Verliert sie, hat sie einen Fehler gemacht. Hat das Spielbrett 10 × 10 Felder, sind die Berechnungen nicht so einfach.

Nashs Studienkollege David Gale beschäftigte sich ebenfalls mit Hex. Gale war es, der ein optisch ansprechendes Spielbrett zeichnete und dem Mathematik-Department von Princeton vermachte, wo "Nash" dann häufig gespielt wurde. Er versuchte, Nash davon zu überzeugen, das Spiel über Parker Brothers zu vermarkten. Das lehnte Nash strikt ab, weshalb sich Parker Brothers an Hasbro wendete. Gale fand übrigens später mithilfe des Brouwerschen Fixpunktsatzes eine topologische Lösung. Weitere mathematische Überlegungen zu Hex finden sich in diesem Aufsatz.

Ein Hex-Spielbrett mit 8x7 Feldern.

(Bild: Jan Braun, HNF)

John Nash wechselte von Princeton zur Rand Corporation, einer strategischen Beratungsfirma. Dort entwickelte Alexander Mood, der Leiter der Mathematik-Abteilung ein wabenartiges Hex-Spielbrett, das es gestattete, die Spielsteine in sechs statt in vier Richtungen zu bewegen. Ausgehend von dieser Möglichkeit schrieb John Nash zusammen mit dem Mathematiker und Militärberater Robert M. Thrall die Abhandlung Some War Games.

Hex hatte es in die Kriegs-Spieltheorie geschafft. im Jahr 1954 veröffentlichte der Krigsveteran Charles S. Roberts ein Spiel namens Tactics. Diese Kriegsspiel-Simulation erregte die Aufmerksamkeit der Rand-Forscher, weil die Spiel-Resultate den Kampfergebnistabellen ähnelten, die am Rand für die US-Armee entwickelt wurden. Roberts wurde eingeladen. Er schaute sich am Rand um und bemerkte, wie die Forscher ihr Waben-Hex spielten.

Das setzte er in zwei Spielen zum amerikanischen Bürgerkrieg um. Gettysburg und Chancellorsville wurden große Erfolge. Sie inspirierten später den Spieleentwickler Klaus Teuber zum heute wohl bekanntesten Hexagon-Spiel "Die Siedler von Catan". Die Kriegsspiel-Hex-Variante inspirierte auch den Sozialwissenschaftler Dieter Senghaas, der das zivilisatorische Hexagon erfand.

Hex ist eins der ersten Brettspiele, die erst elektrifiziert, dann computerisiert wurden. Weil in Princeton "Nash" gespielt wurde, nahmen sich Claude und Elizabeth "Betty" Shannon im Rahmen ihrer ehelichen Leidenschaft für das Basteln von Gadgets aller Art das Spiel vor. Die Shannons bauten die Hox- oder Hoax genannte Maschine, bei der ein Mensch gegen die Maschine spielt. Die Kanten wurden dabei mit Widerständen bestückt, die Knoten des Spielbrettes mit Lämpchen. Während Betty Shannon wie bei der Maus Theseus die Verdrahtung des Spielbrettes übernahm, schrieb Claude Shannon in Computers and Automata (PDF-Datei) im Jahre 1953 über die Funktionsweise des Hex-Hoax und erwähnte seine Frau unter ihrem Taufnamen als E.F. Moore.

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Eine spielstarke Variante von Hex auf Computern wurde im Jahr 1999 mit Hexy von Vadim Anshelevich präsentiert, der mit seinem Aufsatz "A hierarchical approach to computer Hex" auch die nötige Theorie mitlieferte. Es gewann die Computer Olympiade 2000. Als Nachfolger gewann das Linux-Programm MoHex im Jahre 2009. Viele Hex-Spiele, die heute verfügbar sind, nutzen die MoHex-Engine. Für Diejenigen, die Hex online spielen wollen, bietet das Hexwiki eine Übersicht über Spielesites. In Spielen wie History Line, die Siedler sowie Civilization oder Panzer General fand das Sechseckspielfeld ebenfalls Eingang am heimischen Computer.

Piet Hein erfand nicht nur Hex, das Spiel mit dem Hexagon, sondern veröffentlichte Hunderte Epigramme, die er Gruks nannte und selbst illustrierte. Mit einem Epigramm begann dieses "Zahlen, bitte", mit einem von Hein selbst ins Deutsche übersetzten Gruk soll es enden.

Zwischen Scherz und Ernst vermag
der nur scharf zu scheiden
welcher gründlich missversteht
die Natur der beiden.

(mawi)