»Zeitalter der Quanteninformation«

Einerseits dämpfen die Physiker noch die Erwartungen, - sprechen davon, gerade erst im "Zuse-Zeitalter angekommen zu sein. Andererseits ist man in Innsbruck fest überzeugt: "Das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter der Quanteninformation".

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken
Inhaltsverzeichnis

Ein Wirrwarr von Datenkabeln erstreckt sich über den Köpfen. Vakuumpumpen summen. Digitale Anzeigen blinken auf den Fronten zahlreicher Messgeräte. Ein ganzer Wald aus handgroßen Blenden und Linsen, Prismen und Spiegeln erhebt sich ohne erkennbare Ordnung auf der mit Gewindebohrungen durchlöcherten Stahlplatte eines Lasertischs. Auf den Bruchteil eines Mikrometers genau lenken die Gerätschaften für das bloße Auge unsichtbares Laserlicht in eine silbrig glänzende Stahlkammer.

Das Ergebnis des ganzen Aufwandes ist ein einziges Byte. Das allerdings hat es gewaltig in sich: Es ist kein gewöhnliches Paket aus acht Nullen und Einsen, sondern ein "Quantenbyte" – das erste der Welt. Denn während herkömmliche Mikroprozessoren heute routinemäßig mehrere Millionen Bytes handhaben können, steht die Entwicklung bei Quantencomputern noch ganz am Anfang. "Wir gehen hier einen ganz neuen Weg in der Informationsverarbeitung", sagt Rainer Blatt, Physikprofessor und Geschäftsführer des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck, an dem das Quantenbyte realisiert wurde.

Die Erwartungen sind gigantisch: Quantencomputer sollen Verschlüsselungscodes knacken, indem sie riesige Zahlen in ihre Primfaktoren zerlegen oder nichtlineare Optimierungsprobleme lösen, an denen klassische Computer sich die Zähne ausbeißen. In ihnen regiert nicht mehr schlichtes "Ja" oder "Nein", "0" oder "1", sondern ein "Sowohl, als auch". Damit können massenhaft Rechenschritte auf einmal vorgenommen werden.

"Mit nur 30 Qubits können bereits klassische Computer geschlagen werden", sagt Peter Zoller, ebenfalls Professor am IQOQI. Die Sache hat aber einen Haken: Die Qubits, mit denen ein Quantencomputer rechnen soll, sind - ganz unabhängig von ihrer konkreten physikalischen Realisierung - gemäß den merkwürdigen Gesetzen der Quantenmechanik äußerst fragile Gebilde. Jede Interaktion mit der Umgebung, selbst die für die Berechnung notwendigen Manipulationen, kann sie zerstören. Bei jedem Quantencomputer- Experiment steht deshalb neben der Zahl der realisierten Qubits auch das Verfahren auf dem Prüfstand: Ist es robust und skalierbar, könnte man das Kunststück im Prinzip auch mit ganz vielen Qubits wiederholen? Um das zu gewährleisten, arbeiten die Innsbrucker Forscher mit elektromagnetischen Feldern, in denen einzelne Ionen eingesperrt werden können – eine so genannte Paul-Ionenfalle, in der die Ionen zunächst von Laserstrahlen gebremst und dann wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht werden. Aber das macht noch nicht das Qubit: Dafür müssen gezielte Laserpulse jedes Ion in einen Überlagerungszustand bringen - damit ist das gewünschte "Sowohl , als auch" erreicht. Mit weiteren Laserpulsen koppeln die Forscher dann alle acht Qubits aneinander, sodass sie alle gemeinsam in einen größeren Überlagerungszustand mit 2 hoch 8 möglichen Zuständen geraten; ab hier lässt sich von einem Quantenbyte sprechen. Dieser multi- ple Zustand, und darin liegt die besondere Leistung der Innsbrucker Forscher, ist ausgesprochen robust: Er geht selbst dann nicht verloren, wenn man eines der Ione komplett wegnimmt. Das ist zwar nicht das Ziel, bedeutet aber, dass man die Ione fast nach Herzenslust manipulieren kann, ohne dass das Quantenbyte Schaden nimmt. Zugleich sind die Qubits "verschränkt": Eine Änderung des Zustandes an einem von ihnen wirkt sich in gleicher Weise auf alle anderen aus. Das ist eine entscheidende Voraussetzung für spätere echte Quantencomputer mit ihrer Fähigkeit zur massiven Simultanberechnung.