Zum World Quantum Day: Was bringen immer mehr Qubits?

Seite 3: Ionen, Atome und Spins

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Doch trotz kontinuierlicher Fortschritte in den letzten zehn Jahren hat sich die Verbesserung der Fehlerrate bei supraleitenden Systemen verlangsamt. Deshalb gibt es vermehrt alternative Ansätze – zum Beispiel sogenannte Ionen-Fallen, wie sie die US-Firma IonQ und das europäische Leuchtturm-Projekt Aqtion nutzten. Dabei werden geladene Teilchen – die Ionen – räumlich durch elektromagnetische Felder fixiert. Das Qubit entsteht wiederum durch dann zwei verschiedene Energie-Level des Ions, die mit Lasern erzeugt werden. Supraleitende Rechner gelten derzeit zwar als schneller, aber die Qubits von Ionen-Rechnern sind stabiler – sie eignen sich vermutlich besser für längere, komplexere Algorithmen. Allerdings laufen die Quanten-Berechnungen bei Ionenfallen-Rechnern langsamer, und die Zahl der Qubits, die sich so nutzen lässt, ist – zumindest bisher – kleiner als bei supraleitenden Rechnern.

Die französische Firma Pasqal, die US-Firma QuEra sowie die Universität Stuttgart setzen wiederum auf eine andere Quantencomputer-Architektur. Diese basiert auf sogenannten Rydberg-Zuständen als Qubits. Das sind hoch angeregte Zustände einzelner Atome, bei denen die äußeren Elektronen weit vom Atomkern entfernt sind. Sie werden nicht abgespalten wie Ionen. Die Systeme nutzen ebenfalls Laserpulse, allerdings um die Rydberg-Atome gegeneinanderzuschubsen, damit sie sich gegenseitig beeinflussen können. Die Positionierung der Qubits ermöglicht es, die Maschine zu programmieren. Pasqal und QuEra hoffen, auch damit innerhalb von zwei Jahren 1000 Qubits zu erreichen, und dann, ohne große Modifikationen an der Grundplattform, auf über Hunderttausende von Qubits hinaus skalieren zu können.

Das Forschungszentrum Jülich und die RWTH Aachen erforschen hingegen transistorähnliche Ansätze: Dabei werden Elektronen in Halbleiter-Strukturen eingefangen und dann wird der Spin – der quantenmechanische Drehimpuls – dieser Elektronen verwendet, um darin Quantenzustände zu speichern. Die werden dann aneinandergekoppelt, um daraus Prozessoren zu entwickeln. „Ein offensichtlicher Vorteil davon ist, dass die Herstellung viel näher an der CMOS-Technologie ist“, sagt Hendrik Bluhm, Leiter des JARA-Instituts für Quanteninformation. Die CMOS-Technologie wird für den Bau von integrierten Schaltkreisen verwendet, darunter Mikroprozessoren, Mikrocontroller, Speicherchips und andere Logikschaltungen. Bluhm sagt: „Die CMOS-Technologie ist die einzige, die wir haben, um zu günstigen Kosten sehr komplexe Systeme mit Milliarden von funktionalen Einheiten wie Transistoren oder Speicherzellen herzustellen, sodass, wenn das Ganze funktioniert, es leichter sein wird, industrielle Fabrikationsmethoden für hohe Qubitzahlen zu nutzen.“

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Kohärenz-Eigenschaften, also die Robustheit der Quanten-Zustände, ebenfalls besser und weniger störanfällig sind als bei den supraleitenden Qubits. Außerdem sind die Halbleiter-Qubits kompakter: Sie hätten dann voraussichtlich die Größe etwa eines klassischen Pentium-Chips, und das könnte mit sogenannter hochintegrierter Kontrollelektronik auch für einen Teil des Kontrollsystems gelten. Man brauche zwar ebenfalls aufwendige Kühlsysteme, aber diesen ganzen Salat an Drähten, die daran hängen, bräuchte man dann nicht mehr, weil alles stärker integriert sei, so Bluhm. „Aber man muss natürlich sehen, dass unser Ansatz jünger ist und manche Hürden, die für andere Plattformen schon identifiziert wurden, jetzt möglicherweise noch nicht ersichtlich sind. Wir wissen nicht, welche Überraschungen noch auf uns warten.“