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Wenig vorangekommen ist seit Beginn der Ära Perminow hingegen die Entwicklung der neuen russischen Trägerraketen, darunter vor allem der Angara, einer Allzweck-Trägerrakete für unbemannte Sonden und Satelliten, deren größte Version bis zu 25 Tonnen Nutzlast in eine Erdumlaufbahn bringen kann. Die Angara-Rakete soll die Proton-Rakete und die Rokot-Konversionsrakete ersetzen und billiger sowie umweltfreundlicher arbeiten. Nachdem eine Inbetriebnahme für 2006 geplant war, wird sie nun wohl frühestens 2010 fliegen.

Völlig unklar ist, was aus dem Projekt "Kliper" wird, einem sechssitzigen, wiederverwendbaren Raumschiff, das aussieht wie eine Mini-Raumfähre, auf der Spitze einer Trägerrakete startet und ähnlich wie ein Space Shuttle zur Erde zurückgleitet. Nachdem der Raumfahrtkonzern Energija in den letzten Jahren auf internationalen Luftfahrtmessen bereits maßstabsgetreue Modelle gezeigt hatte, scheint sich die Entwicklung des Kliper-Raumschiffs mit der Absetzung des Energija-Chefs Nikolai Sewastjanow Ende Juli erledigt zu haben. In Anatolij Perminows Plan zur Zukunft der russischen Raumfahrt kam das Wort Kliper nicht mehr vor. Gleichzeitig ließ der Roskosmos-Chef offen, was für Raumschiffe Kosmonauten auf den Mond und auf den Mars bringen könnten.

Desolat sieht es auch in der Forschung mit Raumsonden und Satelliten aus. Russlands letzte große unbemannte Raumfahrtmission im Sonnensystem liegt mehr als zwei Jahrzehnte zurück: 1984/85 flogen die beiden Sonden Vega-1 und Vega-2 zunächst zur Venus, setzen dort für Experimente in der Planetenatmosphäre Ballons ab und reisten dann weiter durch den Schweif des Halleyschen Kometen. Seitdem hat Russland astronomische und astrophysikalische Forschung fast nur noch in Kooperation mit anderen Raumfahrtagenturen betrieben. Zumeist erhielt Russland im Gegenzug für Starts von Forschungssatelliten und -sonden Beobachtungszeit. Die einzige, nach dem Zerfall der Sowjetunion geplante Planetenmission unter russischer Federführung scheiterte: Im November 1996 stürzte die russisch-europäische Sonde Mars-96 nach einem Raketenfehler in den Pazifik.

Derzeit arbeiten russische Wissenschaftler an einer neuen Mars-Mission, die 2009 beginnen könnte. Dabei sollen unter anderem erstmals Bodenproben des Mars-Mondes Phobos zurück zur Erde gebracht werden. Geplant ist nach 2010 außerdem der Start eines weltraumgestützten Röntgen- sowie eines Radioteleskops. Die Finanzierung der Missionen ist jedoch nicht gesichert.

Unklar ist schließlich auch, ob und wann das russische Satellitennavigationssystem Glonass vollständig oder wenigstens für russisches Territorium einsatzbereit sein wird. Seit 1993 quält sich Russland mit dem Aufbau des Gegenstücks zu GPS. Derzeit befinden sich 12 funktionierende Glonass-Satelliten in Erdumlaufbahnen, von denen jedoch sieben ihre veranschlagte Einsatzdauer bereits überschritten haben oder demnächst überschreiten werden. Weitere vier Glonass-Satelliten warten im Orbit auf ihre Inbetriebnahme. Für Benutzer auf russischem Territorium müsste das System jedoch mindestens 18 Satelliten haben.

Immerhin eine große Raumfahrt-Neuerung brachte Russland nach der Jahrtausendwende zuwege: Es ermöglichte erstmals Touristenflüge ins All. Die Russen akzeptierten die Idee aus Finanznot: Immerhin 20 Millionen Dollar zahlten die ersten Touristen für einen zehn- bis zwölftägigen Flug zur ISS, inzwischen sollen es bis zu 35 Millionen Dollar sein. Über hundert Millionen Dollar Zusatzeinnahmen für die Raumfahrt hat Russland seit 2001 dadurch verbuchen können.

Es verletzt zwar durchaus den russischen Nationalstolz, Weltraum-Reiseveranstalter für abenteuerhungrige Superreiche zu sein. Doch einstweilen will Russland auf die Einnahmen aus dem Geschäft nicht verzichten. Im Gegenteil, es soll sogar noch erweitert werden. Künftig sollen den ISS-Touristen für sieben bis zehn Millionen Dollar auch Weltraumspaziergänge von der ISS aus angeboten werden. Außerdem erwägt die russische Raumfahrtagentur, Touristenflüge in eine Mondumlaufbahn anzubieten. Ob aus dem Projekt jemals etwas wird, ist fraglich. Der Preis pro Person steht jedoch schon fest: sage und schreibe hundert Millionen Dollar. (wst)