Kommentar: Warum nicht gleich so, Apple?
Das neue MacBook Pro mit 16 Zoll liefert endlich wieder eine vernĂĽnftige Tastatur. Man muss sich allerdings fragen, warum Apple dafĂĽr Jahre brauchte.
Die gute Nachricht gleich vorab: Apple ist ein lernfähiges Unternehmen. Das hat etwa die Tatsache gezeigt, dass der Konzern nach enorm viel Nutzerkritik endlich wieder einen modularen Mac Pro auf den Markt bringt. Und auch das am Mittwoch außer der Reihe – also ohne Keynote und großes Tamtam – vorgestellte MacBook Pro mit 16-Zoll-Bildschirm erfüllt nichts als lange gehegte Userwünsche.
Das Problem: Dieser Druck ist gänzlich hausgemacht und entstand nur, weil Apple selbst falsche Entscheidungen getroffen hatte und sie über Jahre nicht einräumen wollte – womöglich sich selbst gegenüber, aber vor allem gegenüber seinen Kunden. Anders ist nicht zu erklären, dass es derart lange gedauert hat, vergleichsweise simple Hardware-Änderungen vorzunehmen.
Das Schmetterlingsdrama
Der Ärger mit der sogenannten Butterfly-Tastatur – einer Schmetterlingsmechanik, die besonders dünne Tasten erlaubt, die dennoch präzise tippbar sein sollen – besteht bereits seit 2015. Damals kam mit dem MacBook mit 12-Zoll-Bildschirm das erste Modell mit dieser Technik heraus und Apple lobte sich selbst, wie viel Platz damit zu sparen sei. Doch schon wenige Monate nach dem Verkaufsstart gab es Nutzerkritik: Tasten klemmten entweder oder es gab unerwünschte Doppeltipper. Die Tastatur war zudem extrem schwer zu reparieren. Gerieten Staub oder Krümel unter die Tastenkappen, war dieser Unrat nicht zerstörungsfrei zu entfernen.
Ein Jahr später legte Apple nach und brachte die Butterfly-Tastatur – laut Unternehmensangaben verbessert – auch in seine wichtigsten Notebook-Linien hinein, das MacBook Pro mit 13- und das mit 15-Zoll-Display. Während das Krümelproblem langsam abzuebben schien – Apple legte später sogar eine spezielle Schutzschicht über die Tastenschalter –, kam es zu neuen Bugs. Die Keyboards der Profi-Notebooks neigten bis mindestens 2018 dazu, Doppeltipper zu produzieren – und das quer über alle Tasten verteilt. Versuchen Sie so einmal, längere Texte zu schreiben!
Eine Fehlkonstruktion
Die Nervereien begannen im Übrigen nicht nur nach Monaten des intensiven Arbeitseinsatzes, sondern sogar kurz nach Öffnen der Verpackung. Das 13-Zoll-Gerät des Autors dieser Zeilen aus dem Jahr 2018 zeigte quasi schon nach zwei Wochen erste Doppeltipper, was ein echter Albtraum sein kann.
Die Theorie in der Reparaturenszene lautete, Apple nutze offenbar ein bestimmtes Metall für die Tastenschalter, das wärmeanfällig war und wegen GPU- und Prozessorabwärme dazu neigte, mehrfach auszulösen. Doch was genau der Fehler war, hat Apple nie zugegeben. Stattdessen wurden Nutzer im Support vertröstet und es tat sich bis auf kleinere interne Änderungen, die letztlich nichts oder nur wenig brachten, rein gar nichts.
Zahlreiche Versuche
2019 endlich schien sich das Problem dann langsam zu beheben. Apple verbaute in den Modellen dieses Jahrgangs – im MacBook Pro sowie dem wiederbelebten MacBook Air – ein neues Material in den Tastenschaltern, das als zuverlässiger galt. Apple traute dem Braten aber augenscheinlich selber nicht: Ein kostenloses Austauschprogramm für die Tastatur, zähneknirschend aufgelegt, wurde auch auf 2019er Macs ausgedehnt. So nett ein selbiges auch ist: Wirklich hilfreich war es nicht.
Denn es kam durchaus vor, dass ausgestauschte Tastaturen nach Monaten erneut die gleiche Symptomatik zeigten, denn es handelte sich ja offensichtlich – Apple würde es nie zugeben – um einen Serienfehler. Zudem konnte der Austausch teils Wochen dauern. Und Profis können so lange nicht ohne ihren Mac. Das führte dann unter anderem dazu, dass Nutzer nach Softwarelösungen suchten, die Doppeltipper schlicht auszufiltern versuchten. Ein Armutszeugnis für Apple, wenn man bedenkt, wie teuer MacBook-Pro-Geräte sind.
Die Wende ist da
Spulen wir nun vor auf den gestrigen Mittwoch. Das MacBook Pro mit 16 Zoll großem Bildschirm wird nach Monaten der Spekulation endlich vorgestellt. Dass Apple zur bewährten Scherenmechanik bei der Tastatur zurückkehren würde, galt über Wochen als ausgemacht. Was mich allerdings überrascht hat, ist die Radikalität, mit der Apple die Wende dann tatsächlich vollzog.
So wurde nicht nur die Butterfly-Technik dankenswerterweise beerdigt, sondern es gab auch Änderungen am Tastaturlayout selbst. Die nervig fehlende Hardware-Escape-Taste feiert ihr Comeback ("Mit der separaten esc‑Taste kannst du schnell zwischen Modi und Ansichten wechseln", wirbt Apple – who knew?!) und es gibt sogar wieder vernünftige Cursortasten, die man dank "umgekehrter T‑Anordnung" wieder erfühlen kann. Zuvor hatte Apple hier offenbar aus ästhetischen Gründen für eine schlechtere Benutzbarkeit gesorgt und sie nicht mehr abgesetzt.
Ein Schuss ins Knie
All das ist schön und gut – und auch, dass es Apple offenbar gelungen ist, einige positive Aspekte der verhassten Schmetterlingsmechanik (beispielsweise die Tastenstabilität) hinüberzuretten. Was ich mich bei der ganzen Affäre allerdings fragen muss: Wieso hat das alles so lange gedauert? Warum quälte sich Apple über Jahre derart, gab Millionen für ein Austauschprogramm aus, statt einfach gleich zu reagieren oder sogar noch vor Vertriebsstart zu erkennen, dass die Butterfly-Tastatur ein großer Quatsch ist? Der Reputationsschaden ist kaum zu beziffern.
Es gibt zahlreiche Profis, die ihren MacBook-Kauf aufgeschoben haben, weil sie keine Lust auf unzuverlässige Tastaturen hatten. Einige dürften in die Windows-Welt abgewandert sein. Das hätte alles schlicht und ergreifend nicht sein müssen. Man will sich die Diskussionen bei Apple intern nicht ausmalen, das Jammern und Wehklagen, das trotzdem lange zu keiner Entscheidung führte. Wer weiß, welche Kräfte hier wirkten. Und ganz gefixt ist das Problem ebenfalls noch nicht: Das MacBook Pro mit 13 Zoll sowie das MacBook Air kommen weiterhin mit der Butterfly-Mechanik und Apples Marketingchef Phil Schiller will sich von dieser offiziell auch nicht abwenden. Das dürfte sich vor 2020 nicht ändern. Warum eigentlich? Wunden, die man sich selbst zugeführt hat, sollte man doch auch am schnellsten behandeln.
(bsc)