Anti-Matter: Warum ich von dem neuen Smart-Home-Standard erstmal genug habe
Alle Smart-Home-Geräte auf einer Plattform: klingt gut. Doch die Praxis hat viele Fußangeln und liefert wenig Mehrwert, meint Ben Schwan, der von HomeKit kommt.

Matter-Logo und ein schwarzes Loch: Wieso kommt der Standard nicht voran?
(Bild: MattL_Images/Shutterstock.com)
Die Heizperiode beginnt. Da wäre es doch nett, wenn meine smarten Thermostate sich ein bisschen besser an die Raumtemperatur anpassen würden, als sie das aktuell tun, weil das integrierte Thermometer direkt am Heizkörper sitzt.
Der deutsche und neuerdings auch schwedisch-schweizerische Anbieter Eve hat da was auf Lager: Thermo Control, eine lang erwartete Hardware, die direkt mit meinen Thermostaten der Marke Eve Thermo kommunizieren können soll. Doch damit das läuft, brauche ich nicht nur das frei im Raum platzierbare Thermo Control mit seinem hübschen Display, sondern muss auch mein Thermostat Eve Thermo vom bewährten HomeKit auf Matter "upgraden". Denn damit, versucht mir zumindest Eve in seiner Werbung weiszumachen, wird alles besser. Schließlich ist das ein gemeinsamer Smart-Home-Standard großer Hersteller, die nun endlich miteinander reden!
Ein Fortschrittsbalken, der sich nicht bewegt
Mein Upgrade-Prozess entwickelt sich dann allerdings zum Albtraum. Egal, was ich mache, er bleibt einfach hängen. Ich stecke das Apple TV 4K aus und lasse nur den HomePod mini an. Ich versuche es umgekehrt, auf dass die Götter des Kurzstreckenfunks Thread mit mir Erbarmen haben. Doch das iPhone zeigt stur den sich nicht bewegenden Fortschrittsbalken, die Migrations-Firmware landet nicht auf dem Thermo. Wenigstens wird die HomeKit-Firmware beibehalten, ich kann das Thermostat weiter steuern.
Schließlich fällt mir ein, es mit dem Mac zu probieren, denn auf dem läuft die Eve-App fürs Upgrade auch. Und siehe da: Der Prozess geht tatsächlich durch. Mit einem winzigen Problem: Beim Matter-Übergang wird das Gerät zuerst aus HomeKit gelöst und dann mit einem neuen Matter-statt-HomeKit-Code "re-paired", also erneut hinzugefügt. Nur genau dieser Schritt ist auf dem Mac schlicht nicht möglich, denn mit dem kann man – das liegt wiederum an Apple – gar keine Geräte hinzufügen!
Ich muss es nach dem erfolgten Upgrade also händisch mit dem Pairing versuchen. Und es passiert: nichts. Der neue Code wird akzeptiert, doch das Eve Thermo mit seiner neuen Matter-Firmware nicht gefunden. Die Temperaturdaten der letzten Wochen, die die Eve-App zuvor brav gesichert hatte, sind natürlich auch vollständig weg, weil das Re-Pairing nicht lief. Schließlich bleibt mir nur noch, einen Reset der Thermo durchzuführen. Mitsamt dem kompletten Neuaufsetzen meiner Automatisierungen. Und mit dem Setup des Thermo Control habe ich noch gar nicht angefangen.
Matter hat uns viel versprochen
Dies ist bei Weitem nicht der einzige Fall von problematischem Matter-Verhalten. Ich will hier auch Eve – eine Firma, die in der Vergangenheit viel gute HomeKit-Hardware gebaut hat – nicht explizit bashen, auch wenn man dort in Sachen Matter besonders enthusiastisch ist. Denn überall in der Smart-Home-Szene hört man, dass da noch vieles im Argen liegt – sogar von Herstellern direkt. So sind nicht alle Funktionen in Matter umgesetzt, die die bisherigen Systeme haben, aus Bewegungserkennern werden plötzlich Präsenzsensoren. Beim Eve Thermo arbeitet aktuell die Fenster-Öffnungs-Erkennung im Zusammenhang mit den Sensoren der gleichen Marke laut Hersteller nicht zuverlässig. "Wir streben an, Ihnen unter Matter das gleiche Komfortniveau zu geben, das Sie gewöhnt sind", schreibt Eve dazu – als ob man von einem "Upgrade" nicht erwarten können sollte, dass alle vorhandenen Features weiter laufen.
Das Setup ist immer wieder ein Grauen. Manchmal liegt es an Thread, manchmal am WLAN, das auf magisch-verrĂĽckte Weise dazwischenzufunken scheint. In meinem BĂĽro habe ich deshalb neulich die komplette Routertechnik umgemodelt, weil ich im Internet gelesen hatte, dass mein alter Eero Matter via Thread offenbar nicht (mehr) mag. Wieso? Ist halt so! Manchmal hilft auch schlicht, das iPhone neuzustarten, wenn der Setup-Prozess spinnt. Versteht kein Mensch.
Ich kann Nutzern, die weitgehend zufrieden im HomeKit-Universum leben (das ja selbst keineswegs problemfrei ist), derzeit eigentlich nur raten, solange bei reiner HomeKit-Hardware zu bleiben, wie das noch möglich ist. Wenn man bei Neugeräten auf Matter umsteigen muss, ist das okay. Dann sollten die aber ab Werk mit dieser neuen (aber nicht unbedingt besseren) Technik kommen. Das grundsätzliche Problem ist, dass Matter aus meiner Perspektive aktuell keinen echten Mehrwert gegenüber HomeKit bietet. Allein die Tatsache, dass potenziell mehr Geräte laufen – manche allerdings eher schief und krumm – ist von Vorteil. Das Feature-Set ist entweder gleich oder sogar kleiner. Wer auf die Vorteile des schnell schaltenden Kurzstreckenfunks Thread aus ist, findet übrigens auch heute noch (sogar frisch herausgekommene!) Geräte im Handel, die nur HomeKit und Thread unterstützen und Matter nicht brauchen. Im reinen HomeKit-Netz ist das komplett okay, wenn man "sortenrein" bleiben möchte und nicht irgendwann zu einem anderen Smart-Home-Standard wechseln will.
Upgraden nur, wenn man muss
Ein zentraler "Pain Point" besteht, wie hier ausführlich erwähnt, in der Aktualisierung von HomeKit-Geräten hin zu Matter. Diese ist meiner Ansicht nach aktuell die Mühe und die Nerverei einfach nicht wert – sofern es nicht wie bei Eve Thermo und Eve Thermo Control einen Zwang darstellt, weil ein Gerät nur noch mit Matter funktioniert. Nur mal so zu Matter "upgraden", weil es jetzt geht, sollte man aber nicht, denn das ist nicht wirklich ein Upgrade.
Schlimmstenfalls hat man dann stundenlange Lebenszeit verloren oder gar wichtige Smart-Home-Daten, wie in diesem Beispiel. Oder kann sein sorgsam gepflegtes Setup nach Geräte-Reset neu anlegen oder kriegt diese, wie anfangs bei mir, gar nicht mehr eingebunden.
Den ganzen Hype um Matter kann ich daher nicht nachvollziehen – und die Untätigkeit des Matter-Konsortiums, das das Chaos offenbar hinnimmt, ebenfalls nicht. Vielleicht hängen da einfach zu viele Firmen drin. Man mag von Apples "Walled Garden" halten, was man will, aber bei HomeKit-Problemen gab es wenigstens nur einen Verantwortlichen, über den man sich aufregen musste …
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(bsc)