Die Woche: Debian und pünktliche Releases

Das Release-Team des Debian-Projekts wünscht sich einen verbindlichen Zweijahresrhythmus für neue Versionen der Linux-Distribution, in der Debian-Community gibt es Widerstände dagegen. Dabei würde sich faktisch gar nicht viel ändern.

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Das Release-Team des Debian-Projekts will einen festen Entwicklungszyklus einführen. Genau gesagt geht es um langfristig festgelegte, verbindliche Freeze-Termine: Alle zwei Jahre im Dezember will man den aktuellen Stand der Entwicklung einfrieren, mit der Jagd nach Bugs beginnen und dann innerhalb von sechs Monaten eine neue Version freigeben. Losgehen soll es bereits im Dezember dieses Jahres mit dem Einfrieren des Entwicklungsstandes für Debian 6.0 (Squeeze).

Wenn das so klappt, heißt das: Ab 2010 alle zwei Jahre eine neue Version im Frühjahr oder Sommer – näher an langfristig festgelegte Veröffentlichungstermine kann man eigentlich nicht kommen, wenn im Zweifel die Softwarequalität wichtiger ist als das Einhalten eines Termins. Sechs Monate zum Stabilisieren der Distribution scheinen nach den Erfahrungen mit den letzten Versionen 4.0 (Etch) und 5.0 (Lenny) durchaus realistisch – auch wenn Sarge (Debian 3.1), das größte Termin-Debakel in der Debian-Geschichte, über ein Jahr vom Freeze bis zur Veröffentlichung benötigte.

Zeitlich bringt das neue Terminraster übrigens gar keine großartige Veränderung gegenüber dem bisherigen Rhythmus: Die letzten drei Releases Sarge, Etch und Lenny sind sowieso im Abstand von etwa zwei Jahren erschienen – auch wenn die Debian-Entwicklung bislang nach dem Motto "veröffentlicht wird, wenns fertig ist" erfolgte. Dem Release-Team scheint es vor allem darum zu gehen, diesen Zweijahresrhythmus verbindlich zu machen; zudem hofft man wohl auf mehr Disziplin bei den Maintainern der einzelnen Programmpakete, wenn Freeze-Termine lange vorher feststehen.

Und offenbar hat es auch Einflüsse von außen gegeben: Ubuntu-Sponsor Mark Shuttleworth hat bereits vor 14 Tagen erklärt, mit den Debian-Entwicklern auf abgestimmte Freeze-Termine hinzuarbeiten – Ubuntu setzt auf Debian auf, erreicht allerdings mehr Anwender als Debian GNU/Linux und ist gewissermaßen die populärste Debian-Distribution.

Der Vorstoß des Release-Teams hat allerdings einigen Ärger in der Debian-Community ausgelöst (eine Vielzahl von Postings zum Thema findet sich ab 29.7. in der Mailing-Liste Debian-project). Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die geplanten festen Freeze-Termine sowie gegen den frühen Termin für Debian 6.0 im Dezember 2009, also weniger als ein Jahr nach Erscheinen von Lenny; vor allem stößt den Debianern auf, dass das Release-Team die Änderung ohne vorherige Diskussion in der Community angekündigt hat und viele Debian-Maintainer erst durch eine Pressemitteilung auf Debian-announce davon erfahren haben.

Luk Claes, Mitglied des Release-Teams, antwortete auf die Kritik in einem Posting, man habe den neuen Entwicklungszyklus zunächst auf der Debian-Entwicklerkonferenz DebConf vorgestellt und dort Zustimmung gefunden. Die Änderung sei aber lediglich als Vorschlag des Release-Teams zu verstehen – "das Projekt kann den Plan annehmen oder ablehnen". Er deutet allerdings auch an, dass das Release-Team Konsequenzen ziehen könnte, wenn sich der Vorschlag nicht durchsetzt.

Jetzt tobt die Diskussion in der Debian-Community, wobei naturgemäß die kritischen Stimmen überwiegen: Die Entwickler, die sich überfahren fühlen, machen erst einmal ihrem Ärger Luft. Man wird sehen, wie es letztlich ausgeht – die Debian-Community ist ja bekannt für ihre lebhafte Streitkultur, aber auch die Fähigkeit, letztlich Lösungen zu finden.

Wie auch immer es ausgeht: Allzu viel ändern dürfte sich sowieso nicht am Entwicklungsmodell der Distribution. Ob es nun einen expliziten Entwicklungszyklus gibt oder das Release-Team wie bislang auf neue Versionen im Zweijahresrhythmus hinarbeitet: Das Prinzip "It's ready when it's ready" dürfte auch weiterhin gelten – und für den guten Ruf der von Debian GNU/Linux sorgen, nicht gerade "leading edge", aber eine grundsolide Distribution zu sein. (odi) (odi)