Die Woche: Unfaires Spiel, Nvidia!

Nvidias Grafiktreiber unterstützt nun Hybridgrafik. Wie schon in anderen Bereichen hat Nvidia es sich dabei einfach gemacht und abgewartet, bis andere die dazu nötigen Grundlagen geschaffen haben.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Linus Torvalds zeigte Nvidia den Stinkefinger, als er vor einigen Monaten ĂĽber Nvidia geschimpft hat.

"Nvidia, fuck you!" schimpfte Linus Torvalds vor zehn Monaten, als er auf die mangelnde Linux-Unterstützung für Nvidias Hybridgrafiktechnik Optimus angesprochen wurde. Jetzt hat Nvidia eine Beta seines proprietären Linux-Grafiktreibers veröffentlicht, die endlich auch Optimus unterstützt. Das Perfide daran: Nvidia wird mit seinem bei Anwendern eher beliebten, bei Open-Source-Entwicklern hingegen eher verhassten Treiber Lob für die Optimus-Unterstützung erhalten, obwohl es sich nach langem Nichtstun in ein gemachtes Nest gelegt hat.

Für die Optimus-Unterstützung nutzt Nvidia nämlich Teile der Prime-Infrastuktur in Linux-Kernel und X-Server, mit deren Hilfe Open-Source-Grafiktreiber seit einigen Monaten experimentelle Unterstützung für Hybridgrafiktechniken bieten. Prime wurde maßgeblich von dem bei Red Hat beschäftigten Dave Airlie vorangetrieben; dabei hat er eng mit Entwicklern von Intel, Texas Instruments und anderen Firmen zusammengearbeitet, die unter anderem Code oder Feedback zu den Treiberschnittstellen beigesteuert haben.

Nvidia-Mitarbeiter haben sich nur wenig eingebracht, bis sie feststellten, dass einige der Prime-Funktionen nur für GPL-kompatiblen Code nutzbar sind. Daraufhin forderten sie zuerst, diese Einschränkung zu entfernen; damit lösten sie eine Debatte bei den Kernel-Entwicklern aus und fanden auch Unterstützer für eine Öffnung der Schnittstellen.Die Gegner einer solchen Öffnung setzten sich allerdings durch, daher bauten Nvidia-Mitarbeiter mit dem Segen von Airlie eine Hintertür in den Linux-Kernel 3.9 ein, um dennoch Teile von Prime verwenden zu können. Genau diese Funktionen nutzt Nvidia jetzt in der Beta seines neuen Treibers, der auch auf die von Airlie geschaffenen Hybridgrafik-Funktionen in neuen X-Servern zurückgreift.

Rechtlich ist gegen das Vorgehen von Nvidia nichts einzuwenden, solange man mal die seit Jahren immer wieder diskutierte Problematik außen vor lässt, ob das Kernel-Modul von Nvidias Grafiktreiber mit der Lizenz des Linux-Kernels harmoniert oder nicht. Allerdings profitiert Nvidia durch das Vorgehen abermals von der harten Arbeit der Entwickler von Linux-Kernel und X-Server, ohne sich selbst signifikant in die Schaffung einer Infrastruktur einzubringen, die Linux zur Unterstützung der Grafikhardware von heute und morgen benötigt.

Nvidia kommt mit diesem egoistischen Verhalten durch, weil Anwender das bejubeln und Hersteller von Linux-PCs zu wenig auf quelloffene Treiber drängen. AMD und Intel hingegen denken weiter und bringen sich aktiv in die Open-Source-Entwicklung ein; dabei schaffen sie gelegentlich Verbesserungen, von denen auch die Hardware des jeweils anderen profitiert.

Wie wichtig solches Engagement ist, zeigt die Entwicklung der WLAN-Treiber für Linux: Vor wenigen Jahren noch war die Einrichtung und Nutzung von WLAN-Chips vielfach noch eine Qual, weil viele Hersteller ihr eigenes Süppchen mit unabhängig vom Linux-Kernel gewarteten Treibern kochten. Dank des Engagements von Kernel-Entwicklern und dem Sinneswandel einiger Firmen arbeiten die Hersteller aller wichtiger WLAN-Chips mittlerweile an Open-Source-Treibern im Linux-Kernel. Ähnlich wie die Open-Source-Grafiktreiber von AMD und Intel richten die Linux-Distributionen diese WLAN-Treiber automatisch ein. Linux-Anwender brauchen daher dieser Tage in der Regel keinerlei Gedanken mehr an ihre WLAN-Treiber verschwenden.

Auch viele Hersteller von SoCs (System-on-Chip) für Embedded-Systeme mit Linux haben erkannt, dass sie bei der Weiterentwicklung von Open-Source-Projekten mitarbeiten müssen, damit Linux vernünftig auf ihrer Hardware läuft. Das hat auch Nvidias für Tegra-SoCs zuständige Abteilung erkannt und bringt sich im ARM-Bereich aktiv in die Weiterentwicklung von Linux ein – nicht nur mit Grafiktreibern und anderem Open-Source-Code für die hauseigenen Tegra-SoCs, sondern auch mit Verbesserungen an der Infrastruktur, von der Linux allgemein profitiert. Hoffentlich spricht sich diese Haltung zum Management der Grafikchip-Sparte herum. Denn Arbeit, die nicht nur dem eigenen Vorteil dient, hat Linux genau zu dem tollen System gemacht, das es heute ist. (thl) (thl)