Edit Policy: Kartellrechtliche Bedenken gegen Internet-Clearingstelle CUII

Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht – Auskünfte des Bundeskartellamts wecken Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Clearingstelle Urheberrecht im Internet.

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(Bild: VideoFlow/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Felix Reda
Inhaltsverzeichnis

Die Gründung der Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) hat die Debatte um Netzsperren neu angefacht. An die Stelle einer grundrechtlichen Prüfung, bei der unabhängige Gerichte vor der Einrichtung von DNS-Sperren zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen abwägen, in welchem Ausmaß dabei auch der Zugang zu legalen Inhalten behindert wird, tritt eine private Absprache zwischen Verbänden der Unterhaltungsindustrie und allen großen deutschen Internetprovidern. Auskünfte des Bundeskartellamts wecken nun neue Zweifel an der Rechtmäßigkeit des privaten Gremiums. Viel deutet darauf hin, dass die CUII gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.

Kolumne: Edit Policy

(Bild: 

Volker Conradus, CC BY 4.0

)

In der Kolumne Edit Policy kommentiert der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda Entwicklungen in der europäischen und globalen Digitalpolitik. Dabei möchte er aufzeigen, dass europäische und globale netzpolitische Entwicklungen veränderbar sind, und zum politischen Engagement anregen.

Viel ist seit Gründung der CUII über die Gefahr des Aufbaus einer Sperrinfrastruktur geschrieben worden, denn Netzsperren sind vor allem als beliebtes Instrument autokratischer Regime bekannt. Die Normalisierung dieses Instruments weckt unweigerlich Begehrlichkeiten für eine immer weiter reichende Einschränkung des Informationsflusses im Netz. Auch für die Intransparenz ihrer Entscheidungsfindung steht die CUII in der Kritik.

Ein bislang wenig beleuchteter Aspekt ist hingegen die Frage, ob der Zusammenschluss zwischen Internetprovidern und Unterhaltungsindustrie-Verbänden zum Zwecke der Netzsperren mit den Regeln für einen fairen Wettbewerb vereinbar ist. Ähnliche Versuche der privatisierten Rechtsdurchsetzung durch die Urheberrechtslobby hatte das Bundeskartellamt in der Vergangenheit nämlich unterbunden.

Bereits zwischen 2013 und 2015 hatte das Bundeskartellamt einen Vorgänger der CUII, die "Hinweisstelle Online-Werbeschaltung und Urheberrecht", (HOWU) wegen kartellrechtlicher Bedenken gestoppt. Damals planten mitunter dieselben Verbände, die heute an der CUII beteiligt sind – etwa der Bundesverband Musikindustrie und der Börsenverein des deutschen Buchhandels – eine Kooperation mit der Werbewirtschaft, um Werbung auf illegalen Streamingportalen zu unterbinden. Darin vermuteten die Wettbewerbshüter ein Instrument der Selbstjustiz und untersagten den Start des Projekts, wie das Handelsblatt seinerseits berichtete.

Es verwundert deshalb, dass das Bundeskartellamt die CUII offenbar sehr viel weniger kritisch sieht als den Vorgänger HOWU, obwohl die Einschnitte in den Wettbewerb durch Netzsperren potentiell deutlich gravierender sind als durch Einschränkungen bei der Werbung – für technisch weniger versierte Kund:innen sind die Webseiten, die auf Empfehlung der CUII mit DNS-Sperren versehen werden, schließlich überhaupt nicht mehr erreichbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die deutschen Internetprovider längst selbst mit urheberrechtlich geschützten Inhalten handeln und eigene Streamingangebote im Paket mit dem Internetzugang verkaufen – beispielsweise Magenta TV der Telekom. Mithin stehen nicht nur die an der CUII beteiligten Verbände der Film- und Musikindustrie im direkten Wettbewerb zu den Streamingportalen, die durch die CUII gesperrt werden, sondern auch die Internetprovider selbst.

Nun mag man einwenden, dass die CUII ja laut Selbstverpflichtung lediglich "strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten" sperre und solche illegalen Angebote nicht wettbewerbsrechtlich geschützt seien. Der zentrale Konstruktionsfehler an der CUII ist jedoch, dass nicht ein unabhängiges Gericht oder eine Behörde darüber entscheidet, welche Webseiten als illegal einzustufen sind, sondern die CUII selbst. Doch die CUII ist mit Wettbewerbern eben dieser Streamingportale besetzt – ein klarer Interessenkonflikt.

Der Europäische Gerichtshof hat in der Vergangenheit bereits klargestellt, dass eine solche Konstellation wie die der CUII wettbewerbswidrig ist. In dem Fall "Slowakische Banken" ging es darum, dass drei Banken die Geschäftsbeziehungen zu einem Finanzdienstleistungs-Unternehmen beendeten und sich darauf beriefen, dass das Unternehmen illegal auf dem Markt tätig sei. Laut dem obersten Gericht "obliegt es den Behörden und nicht privaten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen", da "die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen komplexe Beurteilungen erfordern kann, die nicht zum Aufgabenbereich dieser privaten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen gehören".

Der Europäische Gerichtshof kam deshalb zu dem Schluss, dass auch dann ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt, wenn sich Unternehmen gegen einen Wettbewerber zusammentun, der angeblich illegal auf dem Markt tätig ist. Angesichts der teils jahrelangen Gerichtsverfahren zur Klärung urheberrechtlicher Fragen liegt es auf der Hand, dass die Beantwortung der Frage, wann eine Netzsperre gegen Urheberrechtsverletzungen verhältnismäßig ist, erst recht nicht von Unternehmen beantwortet werden kann, die im direkten Wettbewerb zu den betroffenen Streamingwebseiten stehen.