Edit Policy: Kartellrechtliche Bedenken gegen Internet-Clearingstelle CUII

Seite 2: Bundeskartellamt behält sich zukünftiges Verbot der CUII vor

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Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage und seiner kritischen Haltung gegen private Urheberrechtsdurchsetzung in der Vergangenheit ist es hoch verwunderlich, dass das Bundeskartellamt die Gründung der CUII nicht von vornherein unterbunden hat. Die Pressemitteilung der Wettbewerbsbehörde anlässlich des Starts der CUII kann den Eindruck erwecken, das Bundeskartellamt habe der CUII uneingeschränkt grünes Licht gegeben.

Auf Nachfrage äußert sich das Bundeskartellamt jedoch deutlich kritischer zur CUII als erwartet. Die Behörde betont, dass die Beteiligten der CUII "keine förmliche Entscheidung des Bundeskartellamts begehrten und somit ein späteres Aufgreifen in weitem Umfang möglich bleibt", das bedeutet, dass das Bundeskartellamt die CUII nicht für wettbewerbsrechtlich zulässig erklärt hat, sondern die Einrichtung des Gremiums zunächst nur im Rahmen seines Ermessens toleriert.

Dabei sieht die Wettbewerbsbehörde in der privaten Rechtsdurchsetzung durch die CUII durchaus "die Gefahr einer Überdehnung und Sperrung auch rechtmäßiger Inhalte", der sie durch Schutzvorkehrungen bei der Gestaltung des Gremiums vorbeugen wollte. Die ausdrückliche Beschränkung auf "klare Verletzungen des Urheberrechts" im Verhaltenskodex der CUII, die Möglichkeit betroffener Webseitenbetreiber:innen, im CUII-Verfahren Stellung zu nehmen, und die zumindest teilweise Transparenz der Arbeitsweise der CUII sind auf Interventionen des Bundeskartellamts zurückzuführen: "Die ursprüngliche Fassung des Verhaltenskodex enthielt eine breit gefasste Vertraulichkeitsklausel", heißt es seitens der Behörde. Neben dem Wettbewerb zwischen Streamingdiensten sieht das Bundeskartellamt auch den Wettbewerb zwischen verschiedenen Internetzugangsanbietern aus Sicht der Verbraucher:innen berührt: "Da alle relevanten Anbieter beteiligt sind, können Kunden nicht mehr zu einem anderen Anbieter ausweichen."

Wenig überzeugend ist die Argumentation des Bundeskartellamts, warum die CUII trotz der eindeutigen EuGH-Rechtsprechung zunächst an den Start gehen könne. Die CUII sei nur bedingt mit dem Fall Slowakische Banken vergleichbar, da Netzsperren gegen Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich gesetzlich vorgesehen seien und die private Rechtsdurchsetzung hier durch "Sicherungsmaßnahmen" begleitet sei, "die eine überschießende und damit wettbewerbsbeschränkende Sperrpraxis vermeiden." In diesem Kontext verweist das Kartellamt auf die Änderungen am CUII-Verfahren, die die Behörde durchgesetzt hat, und auf die Beteiligung der Bundesnetzagentur.

Laut eigener Aussage bewertet die Bundesnetzagentur aber überhaupt keine Inhalte der betroffenen Webseiten und nimmt lediglich formlos zu den Sperrempfehlungen der CUII Stellung. Eine behördliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Angebots liegt hier also nicht vor. Insofern ist davon auszugehen, dass die CUII im Sinne der EuGH-Rechtsprechung wettbewerbswidrig ist, da sich Unternehmen gegen direkte Wettbewerber verbünden und dies mit deren angeblicher Rechtswidrigkeit begründen, ohne dass diese Einschätzung durch ein Gericht oder eine Behörde getroffen wurde.

Seine Laissez Faire-Einstellung kann das Bundeskartellamt jedoch jederzeit beenden: "Wettbewerbliche Gefahren wurden vor allen Dingen in der mittelfristigen Entwicklung gesehen, sollte die Praxis der Clearingstelle sich von den eindeutig urheberrechtsverletzenden Angeboten wegbewegen und es zu Sperren 'im Graubereich' kommen. In diesem Fall ist jedoch mit Beschwerden und öffentlicher Aufmerksamkeit zu rechnen, so dass ein Aufgreifen durch das Bundeskartellamt ohne weiteres möglich wäre." Das Bundeskartellamt will die CUII erst verbieten, wenn es bereits zu Grundrechtseinschränkungen gekommen ist. Dabei setzt die Behörde explizit auf Hinweise und Beschwerden seitens der Öffentlichkeit.

Doch die Zivilgesellschaft muss sich nicht darauf beschränken, die Sperrempfehlungen der CUII genau im Auge zu behalten und bei Sperrung legaler Inhalte Beschwerde beim Bundeskartellamt einzulegen. Klageberechtigt nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind alle von einer Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen, also unter anderem auch die Verbraucher:innen, die bei einem der beteiligten Internetprovider einen Vertrag abgeschlossen haben. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, bei der ich das Projekt control © betreue, wird deshalb die Rechtmäßigkeit der CUII eingehend prüfen.

Die Texte der Kolumne "Edit Policy" stehen unter der Lizenz CC BY 4.0.

(bme)