Kommentar: Die GrĂĽnen machen es sich mit ihrer "Deutschland-App" viel zu einfach
Mit ihrer Idee einer Deutschland-App treffen die Grünen einen Nerv, verraten aber leider nicht, wie das Ganze funktionieren soll, kommentiert Christian Wölbert.
Vergangene Woche haben es die zurzeit gebeutelten GrĂĽnen mal wieder mit einer positiven Nachricht in die Medien geschafft: Ăśber ihre Forderung nach einer "Deutschland-App" wurde vielfach berichtet. SchlieĂźlich leuchtet die Idee sofort ein und der Name "Deutschland-App" klingt griffig.
Doch wenn man das zugehörige Papier der grünen Bundestagsfraktion einmal in Ruhe durchliest, muss man feststellen: Außer dem griffigen Namen hat der Text leider wenig zu bieten. Die Autoren drücken sich um eine gründliche Problemanalyse und vor allem um konkrete Lösungsvorschläge.
Eine Deutschland-App wäre aktuell eine Katastrophe
Zunächst zur Problemanalyse: Die Grünen fordern, dass die digitalen Angebote von Bund, Ländern und Kommunen endlich zentral auffindbar sind. Diese Idee ist allerdings uralt. Das Onlinezugangsgesetz verlangt schon seit 2017 einen "Portalverbund" für alle digitalen Verwaltungsleistungen. Solche Portale gibt es auch längst, zum Beispiel verwaltung.bund.de. Sie taugen allerdings wenig, weil es viele Leistungen noch gar nicht in digitaler Form gibt, was man oft erst nach viel Rumgeklicke herausfindet. Und wenn etwas digital geht, dann meistens extrem umständlich.
Die längst vorhandenen Portale in eine Deutschland-App zu kippen, wäre also eine ziemliche Katastrophe. Die App würde Hoffnungen wecken, die sie nicht erfüllen könnte.
Schlimmer noch: Man muss Stand heute sogar befürchten, dass manche Bundesländer eine "Deutschland-App" gar nicht unterstützen würden. Das zeigt der Streit um die "digitale Dachmarke": Der Bund und die meisten Bundesländer wollen einheitliche Designelemente für gemeinsame Verwaltungsleistungen einführen. Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen machen dabei jedoch nicht mit.
Bayern begründet seine Ablehnung damit, dass die Bundesregierung auf einem stilisierten Bundesadler als zentralem Bildzeichen bestanden habe. Bürgerinnen und Bürger könnten dann nicht mehr eindeutig erkennen, "dass es sich um Angebote in Länderhoheit handelt", heißt es dazu aus der Münchner Staatskanzlei. Kein gutes Vorzeichen für eine Deutschland-App.
"Auf den PrĂĽfstand stellen" ist zu wenig
All diese Probleme kennen auch die Digitalexperten der Grünen, doch ihr Papier bleibt in Sachen Analyse oberflächlich. Das wäre verschmerzbar, wenn die Autoren konkrete Maßnahmen für eine Deutschland-App vorschlagen würden, die ihren Namen tatsächlich verdient. Doch auch bei den Lösungen bleiben sie im Ungefähren.
Als "Fundament" der App nennen sie "gemeinsame, interoperable, einheitlich standardisierte Basis-Infrastruktur und kohärente Basisdienste" beziehungsweise "Government as a Platform". Auch das ist nichts Neues und wird etwa vom Normenkontrollrat seit Langem gefordert. Wie es nun aber endlich klappen soll mit diesem Fundament, dazu schweigen die Grünen sich aus. Sie konstatieren lediglich, dass die "föderale Aufgabenteilung" die Umsetzung derzeit noch schwer mache. Die föderalen Strukturen müssten deshalb "auf den Prüfstand".
Auf den Prüfstand, aha. Aber was wollen die Grünen nun? Mehr Kooperation zwischen den Ländern? Mehr Kompetenzen für den Bund? Und: Wie ließe sich das bewerkstelligen? Wie könnten die Länder dazu bewegt werden, gemeinsame IT-Standards zu nutzen oder gar Aufgaben an den Bund abzugeben, wie etwa viele Kommunen fordern? Wer soll über die vielbeschworene Basis-Infrastruktur und Basisdienste entscheiden, wer soll die Entwicklung bezahlen? Dazu liest man in dem Papier leider nichts.
Damit die "Vision eines digitalen Staats" endlich wahr werde, so schreiben die Autoren, brauche es "weitere entschlossene Entscheidungen". Welche Entscheidungen das sein sollen, verraten sie leider nicht. So wichtig und richtig die Deutschland-App als Vision ist: Mit Visionen allein kommt man im mühsamen Geschäft der Verwaltungsdigitalisierung nicht weiter.
(cwo)