Kommentar: Merkel bezwingt den Zombie namens Störerhaftung
Nach dem Machtwort Merkels ging es auf einmal ganz schnell: Das WLAN-Gesetz wird doch noch geändert. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass Deutschland wieder Anschluss an europäische Hochtechnologieländer wie Litauen oder Rumänien bekommt.
Endlich. Der faule Kompromiss, den uns die Große Koalition als WLAN-Gesetz verkaufen wollte, ist da, wo er hingehört: In der Tonne. Da musste Mutti erst ein Machtwort sprechen, bis auch die letzten Betonköpfe in der Union ihren Widerstand gegen freies WLAN aufgegeben haben. Offenbar war das störrische Beharren auf den deutschen Sonderweg selbst der Bundeskanzlerin langsam peinlich.
Zu Recht. Denn was das Bundeswirtschaftsministerium da ausgekocht hatte, war alles andere als ein brauchbares Gesetz. Manchmal ist der Kompromiss eben nicht der Königsweg. Vielleicht hätten sie nicht ausgerechnet den Chef der deutschen Musiklobby um Rat fragen sollen. Beim Versuch, alle Interessen unter einen Hut zu bringen, hat der Gesetzgeber nämlich einen politischen Zombie geschaffen: Die Störerhaftung. Für kleine Anbieter, die ihr WLAN für Kunden oder Freunde öffnen wollen, ist das eine echte Bedrohung.
Das hat dazu geführt, dass die Technologiehochburg Deutschland im internationalen Vergleich wie ein Entwicklungsland dasteht. Überall in Europa gibt es freies WLAN: in Bus und Bahn, im Café, im Einkaufszentrum. Keine großen Hürden, mit einem Klick ist man drin. Nur in Deutschland sind öffentliche und offene WLANs noch eine Seltenheit. Für eine Bundesregierung, die in Europa bei der digitalen Agenda eine Führungsrolle beansprucht, ist das ziemlich peinlich.
Vielleicht war es Angela Merkel unter anderem deshalb irgendwann genug. Sie hat ja auch sonst genug Probleme. Etwas mehr Gewicht dürfte aber das zu erwartende Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben. Dessen Generalanwalt hatte in einem Verfahren, in dem es um Schadensersatzansprüche eines Musikunternehmens gegen einen deutschen WLAN-Betreiber ging, klare Kante gezeigt: Auch wer sein WLAN nur nebenbei betreibt, genießt das gleiche Haftungsprivileg wie ein großer Infrastrukturanbieter.
Bevor also der EuGH die Bundesregierung öffentlich düpiert, hat Merkel die Notbremse gezogen und das peinlich Gezicke in der Koalition per Machtwort beendet. Weil selbst Infrastrukturminister Alexander Dobrindt schon die Seite gewechselt hatte, war der Widerstand in der Union nicht mehr allzu groß. Damit geht eine jahrelange Geisterfahrt der deutschen Politik zu Ende. Es wurde auch langsam Zeit. (vbr)