Kommentar: Pro & Contra Canon EOS M

Weil sich Canon mit seiner ersten Spiegellosen viel Zeit gelassen hatte, schossen die Spekulationen ins Kraut. Welchen Weg würde der DSLR-Weltmarktführer einschlagen? Am Montag hat Canon die Antwort gegeben und die M vorgestellt. Hier ein Pro & Contra.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jobst-H. Kehrhahn

Die EOS mit dem 22mm STM-Objektiv

(Bild: Canon)

Nachdem Canon am Montag die EOS M vorgestellt hat, haben nun alle großen Kamerahersteller eine spiegellose Systemkamera im Portfolio. Die "M" ist eine auf einfache Bedienung hin optimierte Consumer-Kamera, die mit viel Spiegelreflex-Innenleben Qualität und nicht zuletzt einen guten Preis bringen soll. Kaufen soll die "Smartphone-Generation", die Touchscreen-Bedienung gewohnt ist, die keine Sucher mehr kennt und die auch bereit ist, viel Geld auszugeben – siehe Apple. Wird das Konzept aufgehen? Hier ein Pro und Contra aus der heise Foto-Redaktion.

Pro

Ja – das Konzept wird funktionieren, soll heißen: Die M wird sich verkaufen. Die vier wichtigsten Gründe:

Erstens: Die Zielgruppe stimmt. Zugegeben – noch hat niemand echte Testfotos gesehen, aber der große Sensor macht Hoffnung auf gute Bildqualität. Zusammen mit einer maximalen Lichtstärke von ISO 12.800 und einem lichtstarken Pencake wäre die M dann eine Art Qualitäts-Point & Shoot-Allrounder für alle Licht- und Lebenslagen. Das ist perfekt für alle, die zwar auf Wert auf Bildqualität legen, die aber nicht das Ziel verfolgen, es einem Profifotografen gleichzutun. Unterstellt man, dass dies die Kompaktkamerazielgruppe ganz gut beschreibt und wirft ein Blick auf die GfK-Zahlen, dann wird schnell klar, warum Canon nicht die "Spiegellosigkeit" der M in den Vordergrund stellt. Denn:

Zweitens: Die Größe der Zielgruppe stimmt. Werfen wir einen Blick auf die Zahlen: Nach aktuellen Prognosen sollen in 2012 insgesamt 8,5 Millionen Kompakte und 1,16 Millionen Nicht-Kompakte verkauft werden – letztere aufgeteilt in etwa 980.000 Spiegelreflexkameras und 180.000 spiegellose Systemkameras. Das ist deutlich! Selbst wenn der rasante Anstieg der Spiegellosen tatsächlich so eintrifft, wie so oft vorhergesagt, finden in den nächsten Jahren immer noch deutlich mehr Consumer-Kompakte ihren Weg zum Kunden als Spiegellose. Das will Canon für sich nutzen – gerade (oder vor allem?) im Hinblick auf die kürzlich gesenkte, eigene, Jahresprognose.

Drittens: Die Ansprache der Zielgruppe stimmt. Kann denn Blende Sünde sein? Oder ein Sucher? Ja! Nämlich dann, wenn ein Kamerahersteller seinen Kunden eine Kamera über Features verkaufen möchte, die sie nicht versteht oder gewohnt ist. Womit wir bei der "Smartphone-Generation" wären: Diese Zielgruppe fotografiert instinktiv beidhändig und mit ausgestrecktem Arm, sie zieht Bildausschnitte mit zwei Fingern auf, sie vermisst keinen Sucher und sie lädt Fotofilter aus dem Internet – so wie bei der M.

Viertens: Die Perspektive für die Zielgruppe stimmt. Und wenn jemand doch Lust auf mehr hat und es ihn zur Spiegelreflexkamera drängt? Dann hat er mit der M einen guten Grund, bei Canon zu bleiben und seine Objektive künftig per Adapter sowohl mit als auch ohne Spiegel einzusetzen. Auch nicht schlecht! Jobst-H. Kehrhahn (keh)

Contra

Canon hat seine Pflicht getan und mit der EOS M seine erste spiegellose Systemkamera vorgestellt. „Wir haben jetzt auch eine“, können sie jetzt sagen. Der Hersteller setzt aber nicht auf Innovation, sondern auf Technik, die eh schon im Haus vorhanden ist. Im Prinzip ist die EOS M eine 650D – nur sucherlos, teurer und kleiner. Konkurrenz macht sie den ausgewachsenen Schwestern mit Blick auf die technischen Daten nicht.

Die EOS M versprüht aber auch nur bedingt den für dieses Kamerasegment so typischen Lifestyle-Faktor. Andere Hersteller haben das längst konsequenter umgesetzt: Samsung beispielsweise verpasst seinen NX-Kameras Wlan für den Austausch mit Facebook. Panasonics G5 ist ein wenig größer als die M, bietet dafür aber Sucher, schwenkbares Touchdisplay und ist auch noch knapp 200 Euro günstiger. Olympus verkauft seinen Fotografen mit der OM-D im Retro-Design nicht nur eine schnelle Kamera, sondern auch Extravaganz.

Für wen ist die EOS M also interessant? Laut Canon richtet sich die M an Menschen, die sich nicht mit Blende und Belichtungszeiten auseinandersetzen wollen. Käufer von den eigenen Spiegelreflexkameras weglocken, die Kundschaft verwässern, das will Canon auf keinen Fall. Aber mal ehrlich: Wer sich nicht mit Technik und Fotografie beschäftigen will, dem reicht auch eine gute Kompakte – mit der G1X hat Canon hier sogar eine eigene Alternative. Die Japaner zeigen so offen ihre Lustlosigkeit an diesem Kamerasegment.

Vielleicht geht die EOS M – dank EF-Adapter – noch als Zweitkamera für Canon-Fotografen durch, eine Empfehlung dafür gibt Canon aber nicht ab. Der Hersteller kann mich mit der EOS M nicht überzeugen. Diese Version einer Systemkamera wirkt bieder, uninspiriert und halbherzig. Debüt verpatzt. Sophia Sieber (ssi)


(keh)