Kommentar: Wir brauchen nicht mehr Marketing, um das Image von KI aufzupolieren

Laut einer Studie zweifelt ein Großteil der Deutschen an KI. Befürworter fordern "positives Storytelling" - das ist Augenwischerei.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 41 Kommentare lesen
A,Person's,Head,Covered,By,An,Ai-labeled,Dark,Cloud

(Bild: photoschmidt/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Künstliche Intelligenz hat in Deutschland ein schlechtes Image. Schuld daran sind nicht die KI-Hersteller und falsche Tatsachen halluzinierende Sprachmodelle, sondern zu kritische Journalisten - sagt zumindest der Autor Thomas Ramge. Er fordert ein "positives Storytelling", will den Bürgern also offenbar Märchen erzählen. Gefährlich sind solche Aussagen, weil sie direkt in die Ohren der Bundesregierung geflüstert werden. Umso dringender brauchen wir einen kritischen KI-Diskurs in der Gesellschaft, meint c't-Redakteur Hartmut Gieselmann.

Die Berliner Denkfabrik "Das Progressive Zentrum", die die Bundesregierung berät, hat 5000 Bürger befragen lassen, was sie von KI halten. Mit Skepsis habe man gerechnet, sagte der mit der Analyse beauftragte Autor Thomas Ramge bei der Pressevorstellung der Ergebnisse Anfang Juli. Dass die Ablehnung aber so deutlich und das Bild von KI hierzulande so desaströs ausfallen würde, habe ihn und seine Kollegen dann doch überrascht.

Schaut man in die Details der Onlinebefragung, die das Marktforschungsinstitut Civey Ende Mai durchgeführt hat, ergibt sich ein differenzierteres Bild: Nur 23 Prozent der Befragten glauben, dass künstliche Intelligenz ihr Leben verbessern wird. Existenzängste spielen offenbar keine so große Rolle: Über 60 Prozent haben keine Befürchtungen, dass diese Technik ihren Arbeitsplatz bedroht. Über 70 Prozent glauben aber nicht, dass Schüler mit KI besser lernen. Und 77 Prozent befürchten, dass KI mächtige Personen und Unternehmen noch mächtiger macht.

KI und Robotik im Alltag

Die Skepsis gegenüber KI zieht sich laut Ramge durch alle Alters- und Bildungsschichten, durch alle Berufs- und Einkommensgruppen, vom Großstädter bis zum Landbewohner sowie quer durch die Republik. Deutliche Unterschiede gäbe es bei der Parteiaffinität. Am skeptischsten gegenüber künstlicher Intelligenz seien die Wähler der AfD: Nur 16 Prozent trauten KI zu, ihr Leben zu verbessern. Bei Union- und SPD-Wählern seien es 25 Prozent, bei Anhängern von Grünen und Linken ein Drittel. Selbst unter den Wählern der FDP – die einst den Wahlspruch ausgab "Digital first, Bedenken second." – ist noch nicht einmal jeder Zweite davon überzeugt, dass KI sein Leben in Zukunft verbessern wird. Civey gewichtete die Antworten in einer quotierten Stichprobe, um sich einer Repräsentation der Bevölkerung anzunähern.

Die rund 5000 Befragten der online durchgeführten KI-Studie hatten zu jeder Frage fünf Auswahlmöglichkeiten. Dunkelrot und -grün signalisieren eine besonders starke Zustimmung oder Ablehnung der Aussage.

(Bild: Das Progressive Zentrum)

Die Zahlen sprechen also eine deutliche Sprache. Doch Ramge hält sich in seinem Thesenpapier nicht lange mit der Suche nach Gründen und Ursachen auf. Für ihn sind KI-Skeptiker nichts anderes als irrationale Pessimisten und Fortschrittsverweigerer. Um sie zu überzeugen, brauche es eine "optimistische Zukunftserzählung" – ein Appell, den er direkt an die Pressevertreter richtet, die nicht immer nur "das Haar in der Suppe" suchen sollten. Als sei es nur eine Frage des richtigen Marketings, die Bürger auf Linie zu bringen.

Dabei ist es gerade die Diskrepanz zwischen Marketing und Realität, die die Skepsis gegenüber der KI nährt: vor allem bei IT-Experten, die sich die Algorithmen, die Trainingsdaten und die Verarbeitungsprozesse genau ansehen und die generativen Sprachmodelle auf den Prüfstand stellen. Was hat Microsoft nicht alles vollmundig von seinen Copiloten versprochen. Und wie desaströs waren dann die Ergebnisse, als der Verkauf der Dienste startete.

Dass die Menschen hierzulande kaum befürchten, KI gefährde ihren Arbeitsplatz, mag auch mit der eigenen Erfahrung zusammenhängen, dass ChatGPT und andere Modelle immer wieder Falschaussagen halluzinieren. Schaut man sich die Mechanismen dahinter, die zugrunde liegenden Transformer-Modelle, den automatisierten Prozess des Daten-Scrapings im Internet sowie deren Aufbereitung mit Niedriglöhnern genauer an, wird klar, dass es sich um ein grundsätzliches Problem und nicht nur um eine vorübergehende Kinderkrankheit handelt.

Da kommt die Schwarmintelligenz der deutschen Bevölkerung zu einer nüchterneren Einschätzung als die KI-Lobbyisten. Etwa wenn die Bürger nicht wollen, dass ihr Arzt sich bei der Behandlung zu sehr auf fehleranfällige KI-Werkzeuge verlässt oder "Teacher-Bots" ihre Kinder unterrichten, wie es sich Ramge in seinem Zukunftsszenario ausmalt. Die Bundesregierung sollte sich fragen, ob sie wirklich gut beraten ist von einer Firma, die keine Lösungen der realen Probleme vorschlägt, die weite Teile der Bevölkerung mit KI sehen, sondern nur ein smarteres Marketing.

(hag)