Kommentar: TK-Liberalisierung in Gefahr

Die Telekom arbeitet zäh daran, ihren Mitbewerb auf Distanz zu halten. Einiges deutet darauf hin, dass sie dabei die Bundesregierung auf ihre Seite ziehen will – und das zumindest in der Union auf fruchtbaren Boden fällt.

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Es mehren sich die Hinweise, dass die Bundesregierung die TK-Liberalisierung nur noch mit verdünnter Tinte fortschreiben möchte. In den Ohren der Telekom dürfte das wie Musik klingen. Erst kürzlich schoss der Ex-Monopolist gegen die Bundesnetzagentur und kritisierte zunächst im kleinen Kreis eine "intensive Preisregulierung", die zu "immer geringeren Umsätzen und einem teils ruinösen Preiswettbewerb" geführt habe. Diese Mittel fehlten angeblich beim Netzausbau und als Konsequenz müsse die Bundesregierung die Regulierung streichen. Nur so könnten große europäische TK-Anbieter notwendige Investitionen für einen flächendeckenden Breitbandausbau schultern.

Mit etwas Verzögerung stellt das Unternehmen seine Argumente auch öffentlich dar. Timotheus Höttges, designierter neuer Chef der Deutschen Telekom, führte sie auf dem Bitkom-Trendkongress in Berlin aus: "Wir diskutieren immer aus der Verbraucherperspektive." Doch wo das Geld ausbleibe, fehle "die Reinvestitionskraft in neue Infrastrukturen". Höttges, so heisst es aus gut informierten Kreisen, habe der Bundeskanzlerin seine Sichtweise bereits vor Tagen persönlich darlegen dürfen. Ob das nun zutrifft oder nicht: Die Bundeskanzlerin hat die Vorlage aufgenommen und meint nun ebenfalls, dass "die gesamte Regulierung in Europa zu sehr auf Zersplitterung und niedrige Endkundentarife und viel zu wenig auf Investitionen" ausgerichtet sei. Der falsche Schwerpunkt des Wettbewerbsrechts verhindere Investitionen.

Während der Koalitionsverhandlungen sickerte anschließend durch, dass die Union die Regulierung des Telekommunikationsmarktes im Prinzip auf Regionen außerhalb von Ballungszentren beschränken will. Wo Infrastrukturwettbewerb herrscht, solle "auf Regulierung ganz verzichtet werden", also etwa in Großstädten, wo Kabelanschlüsse verfügbar sind.

Unterm Strich drängt sich der Eindruck auf, dass die Telekom nicht eine, sondern mindestens zwei Netzoffensiven führt: Die eine rief sie noch kurz nach Spezifizierung der VDSL-Vectoring-Technik aus, indem sie ihre eigenen Glasfaserausbauaktivitäten aus Kostengründen zu Gunsten der Vectoring-Technik zurücknahm. Auf die Kritik, die beispielsweise der Bundesverband Breitbandkommunikation, BREKO, mehrfach eindringlich vorgebracht hat, geht sie nicht ein. Die zweite Offensive führt sie anscheinend ebenso unbeirrt auf politischer Ebene: Erst die gerade noch abgewehrte DSL-Drossel, mit der sie die Netzneutralität torpediert hätte, dann das Schengen-Netz, um mißliebige Konkurrenz der öffentlichen Austauschknotenbetreiber zu schwächen und nun die Regulierungsferien, um endlich das "billiger, billiger, billger" abzuschaffen.

Vor allem gegen die Regulierungsferien hat der Mitbewerb Position auf den Barrikaden bezogen. Aber auch vielen Teilnehmern dürfte das Ansinnen ein Dorn im Auge sein: Sie wünschen sich nicht etwa weniger, sondern sogar noch mehr TK-Regulierung, nämlich auch für die großen Mitbewerber der Telekom, von denen sich manche in den Schwitzkasten genommen fühlen – etwa durch vorenthaltene Zugangsdaten, die den Gebrauch beliebiger Router verhindern.

Ein Weg zu einer umfassenden und ungehinderten Regulierung besteht darin, der Bundesnetzagentur noch mehr freie Hand zu lassen. Denn bis heute hält die Bundesregierung Anteile an der Telekom und bedient sich an deren Gewinnen. Entsprechend hat sie wenig Interesse an einer Telekom, die unter dem Druck zahlreicher Konkurrenten schrumpft. Ins Bild passt, dass die Telekom im Sommer den Freifahrtschein für das wettbewerbsmindernde VDSL-Vectoring erhalten hat. Ohne die Neuregelung dürfte sie nicht komplette Kabelverzweiger besetzen und so Mitbewerber vom Zugriff auf einzelne Teilnehmeranschlussleitungen ausschließen.

Der BREKO-Verband, in dem sich viele Mitbewerber zusammengeschlossen haben, wünscht sich, dass sich der Bund künftig weiter aus der Telekom zurückzieht und damit dem Beispiel anderer EU-Staaten folgt. Denn es sei problematisch, wenn der Bund einerseits die Wettbewerbsspielregeln setzt, andererseits aber als Mehrheitsaktionär auf die Dividende seines ehemaligen Staatsbetriebs und immer noch größten Players auf dem Markt angewiesen ist. Doch derzeit kann man gerade die entgegengesetzte Bewegung beobachten: Mit den jüngsten Äußerungen zur Regulierung verknüpft, gehen die Bundesregierung und die Telekom aufeinander zu und erscheinen im Prinzip wie Partner.

Der Vorstoß für die Aufhebung der Regulierung geht jedoch ursprünglich auf einen Vorschlag von EU-Kommissarin Neelie Kroes zurück, die sich nach dem Vorbild einiger US-Konzerne noch größere TK-Unternehmen in Europa wünscht. Die dann länderübergreifenden TK-Riesen würden mehr investieren, meint sie. Dass diese Rechnung so einfach aufgeht, darf bezweifelt werden. Sie gründet darauf, dass man die TK-Regulierung für die aktuell größten europäischen Unternehmen lockert, damit sie sich auf den heimischen Märkten mit Geld vollsaugen und dann, so die Hoffnung, genügend haben, um all die Wünsche zu erfüllen, die man heute an sie hat.

Es gehört aber nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass sich die großen TK-Konzerne mit den dann noch besser gefüllten Taschen lieber um die attraktiven Metropolen der Nachbarländer balgen werden, als um die unterversorgten, dünn besiedelten Gebiete. Geld ist ja auch heute da, die Telekom macht Gewinne. Dass sie in dünn besiedelten Gebieten oft aber erst dann investiert, wenn sich dort etwa Bürgerinitiativen zum Ausbau zusammenschließen, ist nicht vergessen. (dz)