Cebit

Kommentar: Warst du nicht fett und rosig?

Ein einheitliches Profil, wie die CES oder der Mobile World Congress es bieten, ist bei der breit aufgestellten CeBIT allerdings nicht möglich. Zu vielfältig sind die Facetten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die CeBIT hatte ein neues Baby namens Sounds. Der geplagte Gamer oder Geschäftsmann konnte in Halle 22 zu rockigen Klängen von einem harten Messetag entspannen. Unter anderem spielte dort die Hamburger-Schule-Band die Sterne. In ihrem größten Hit, der im Titel zitiert ist, heißt es im Refrain nach jeder Phrase "Was hat dich bloß so ruiniert?".

Die Sterne leuchten am Musikhimmel nicht mehr so hell wie zu ihrer großen Zeit in den 90ern. Über die CeBIT lässt sich Ähnliches sagen. Auch das Sounds-Experiment wurde scharf kritisiert. Vergangenheit, Zukunft und mutmaßliches Ende der Technikmesse waren in aller Munde. Liebe CeBIT, warst du nicht fett und rosig? Was hat dich bloß so ruiniert? Der Ruf nach einem klaren Konzept wird laut.

Ein einheitliches Profil, wie die CES oder der Mobile World Congress es bieten, ist bei der breit aufgestellten CeBIT allerdings nicht möglich. Zu vielfältig sind die Facetten. In Halle 3 bis 7 versuchen kleine Fische mit ihren Business-Lösungen gegenüber Walen wie SAP, Microsoft und der Telekom zu bestehen. In Halle 9 faszinieren Forschungseinrichtungen mit Robotik, 3D und der Weiterentwicklung von MP3 und AAC. Um die Ecke in Halle 11 demonstrieren Security-Firmen lautstark Selbstbewusstsein, während es gegenüber in den Hallen 14 bis 17 nach Udon-Nudeln und Sojasauce riecht; zu sehen gibt es in Chinatown bunte Webcams, blinkende Mäuse, USB-Waschbären und rauchbare Blechzigaretten mit LED-Glut. In Intels dunkler und lauter Gamer-Halle 23 sitzen adoleszente Spieler in nachgebauten Rennwagen und starren konzentriert auf den Bildschirm, ohne die auf Stilettos um sie herumschwebenden wasserstoffblonden Grazien in ihrer lackschwarzen zweiten Haut auch nur eines Blickes zu würdigen.

"Wo fing das an und wann, was hat dich irritiert?", fragen die Sterne. Die Unsicherheit ist groß und kann auch den Tanker CeBIT zum Kentern bringen, wenn Aussteller und Besucher das Vertrauen verlieren. Die Erfahrung mit der Systems zeigt aber auch, dass eine radikale Erneuerung der letzte Sargnagel sein kann. Am heutigen Samstag stellte die Messe AG ihr neues Konzept vor.

Die Kongressatmosphäre des Convention Center, die Geschäftigkeit im Planet Reseller und der Spaß an der Unterhaltungselektronik, all das gilt es im Boot zu behalten. Da fällt es schwer, einen klaren Kurs zu setzen. Die Deutsche Messe AG hat offenbar erkannt, dass sie die Faszination, die die CeBIT ausmacht, nicht zugunsten eines reinen Business-Konzepts opfern darf. Das hat die Kritik am Planet Reseller gezeigt, der durchaus publikumswirksame Produkte der Öffentlichkeit vorenthält.

Im nächsten Jahr soll die Messe wieder mehr Endkunden anlocken. Bleibt zu hoffen, dass das gelingt, denn wenn junge Kunden nicht mehr für die Technik-Schau zu begeistern sind, dann verlassen die Ratten das sinkende Schiff. (jo)