Kommentar zur Corona-App: Die Rückkehr der alten Zombie-Argumente
Es gibt Argumente, die tauchen früher oder später in jeder Debatte auf. "Der Datenschutz ist schuld" zum Beispiel.
Ok, kann sein, dass ich einen gewissen intellektuellen Hochmut pflege. Aber was mich in kontroversen Diskussionen immer wieder aufregt, ist der Versuch, mich offensichtlich für dumm zu verkaufen. Natürlich geht es dabei nicht nur um mich. Es geht darum, durch das gezielte Weglassen von Fakten die Öffentlichkeit einzuseifen.
Zum Beispiel wenn es um das Thema Datenschutz geht. Und natürlich um das Thema Corona-Maßnahmen. So richtig spannend wird es ja, wenn man beide Themen miteinander kombiniert. Dann eignet sich die Corona-App ganz hervorragend dazu, Datenschutz als solches zu diffamieren, und Menschen, die darauf Wert legen, als ahnungslos und inkonsequent zu bashen. Natürlich alles für einen guten Zweck.
Jüngst hatte Baden Württembergs Ministerpräsident Wilfried Kretschmann die Geschichte wieder gepusht, in einem Interview mit der Augsburger Zeitung. Dort sagte er unter anderem: „Wir müssen nach dieser Pandemie darüber nachdenken, ob unser Verständnis von Datenschutz in einer Krise noch angemessen ist. Wir haben mit dieser App ein hochtechnologisches Instrument und können es aus Datenschutzgründen nicht so nutzen wie es notwendig wäre oder es andere Länder, etwa Südkorea, tun. Wir greifen mit vielen unserer Maßnahmen tief in das Leben der Menschen ein. Aber beim Datenschutz legen wir Maßstäbe an, die in einer Pandemie nicht angemessen sind.“
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Ich nenne so etwas gerne ein „Zombie-Argument“. Einfach nicht totzukriegen weil bereits komplett tot, aber verdammt zielstrebig und destruktiv. Denn mal abgesehen von der Frage, wie gut eigentlich die Entfernungsmessung per Bluetooth funktioniert, mal abgesehen von technischen Problemen mit iOs und unabhängig von der Frage, wieviele Menschen in Deutschland überhaupt ein Smartphone besitzen, ist die App ein ganz hervorragendes Beispiel für Privacy by Design. Sie funktioniert, sie macht genau das, was sie soll, und dabei fallen so wenig Daten an wie nötig.
Zwar beklagen Politiker wie Kretschmann oder auch der ehemalige Kultusminister Julian Nida-Rümelin, dass die App bei einer Risiko-Begegnung keine Positions- und Userdaten aufzeichnet - ich also im Zweifelsfall nicht weiß, wo und bei wem ich mich vielleicht angesteckt habe. Das ist aber auch gar nicht nötig. Wichtig ist, dass ich zeitnah erfahre, dass es eventuell ein erhöhtes Ansteckungsrisiko gegeben hat. Und das leistet die App - wenn sie denn tatsächlich von genügend Usern angenommen würde. Die Gesundheitsämter müssen die Daten aus der App gar nicht haben, um potenziell gefährdete Menschen zu warnen, dass sie vielleicht angesteckt wurden. Mal abgesehen davon, dass die Gesundheitsämter bereits jetzt mit den Informationen, die sie schon haben, hoffnungslos überfordert sind, und nicht noch mehr Daten brauchen.
Das Problem ist nicht, dass die App zu wenig Daten speichert. Das Problem ist das mangelnde Vertrauen in die App. Was wiederum dazu führt, dass zu wenige Menschen die App benutzen, und von denen auch nur ein kleiner Teil tatsächlich positive Testergebnisse in die App einspeisen. Das Vertrauen in die App wird durch Äußerungen wie die von Kretschmann aber nicht größer, sondern kleiner.
(jk)