„Kultur des Mitmachens“

Interview mit Bradley Horowitz Director of Media and Desktop Search bei Yahoo.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 12 Min.
Inhaltsverzeichnis

Bradley Horowitz ist unter anderem verantwortlich für die Entwicklung der Desktop-Suche von Yahoo. Im Interview mit Technology Review verrät der Absolvent des MIT Media Lab, wie sein Unternehmen den Suchmaschinen-Giganten Google doch noch überholen könnte.

TR: Mr. Horowitz, Sie sind unter anderem verantwortlich für die Entwicklung der Desktop-Suche von Yahoo. Die Software ist nach wie vor nur für Windows-PCs verfügbar. Ist das Teil einer Strategie?

Bradley Horowitz: Lassen Sie mich betonen, dass dies kein Ausdruck unserer Strategie ist. Wir lenken immer mehr Aufmerksamkeit auf andere Betriebssysteme, aber auch Browser-Systeme wie Firefox. Es ist einfach eine Frage der Prioritäten: Wie versorgen wir am schnellsten einen möglichst großen Anteil unserer User.

Im Fall der Desktop-Suche kommt dazu, dass die Software von einem Partner-Unternehmen – X1 – entwickelt wurde. Und diese Firma, die die Technologie entwickelt hat, stellt sie zurzeit nicht für Plattformen wie Mac OS oder Linux zur Verfügung. In diesem speziellen Fall sind unsere Möglichkeiten durch die vertraglichen Vereinbarungen begrenzt. Aber generell wollen wir eine Vielfalt von Betriebssystemen unterstützen. Das geht über Desktop-Betriebssysteme hinaus, denn eine wachsende Zahl von Kunden greift über mobile Geräte wie Handys oder Smartphones, aber auch über Settop-Boxen auf unsere Dienste zu. Und wir denken darüber nach, wie wir diese Dienste komplett unabhängig vom jeweiligen Rendering gestalten können, um auf jeder Plattform eine optimale Internet-Erfahrung bieten zu können.

TR: Um da nochmal nachzuhaken: Ist es denn geplant, die Desktop-Suche auch für andere Plattformen zu entwickeln?

Bradley Horowitz: Noch einmal, das hängt auch von unserer Partnerfirma ab. Es ist nicht so, dass wir die Software nicht auch gerne schon morgen für Mac OS anbieten würden. Aber darüber müssen wir mit unserem Vertragspartner verhandeln. Ich würde sagen, das ist eine der häufigsten Beschwerden über das Produkt. Es gibt Leute, die das gerne benutzen würden, aber es nicht können.

Ich würde auch sagen, dass Mac OS selbst einige sehr interessante Suchtechnologien bereits jetzt eingebaut hat. Und wenn wir uns nicht beeilen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Steve Jobs sich selbst um dieses Problem kümmert.

TR: In letzter Zeit sind eine Menge neuer Suchdienste entwickelt worden: lokale Suche, gelbe Seiten usw. Wenn Sie sich den Suchmaschinen-Markt im Ganzen ansehen, wo sehen Sie die größten Chancen?

Bradley Horowitz: Das ist eine fantastische Frage. Ich denke, die Leute vergessen meist, dass Yahoo noch nicht lange auf dem Markt für Suchmaschinen tätig ist. Yahoo ist eine der bekanntesten Marken im Internet.

Es ist leicht zu vergessen, dass Yahoo vor zwei Jahren keine eigene Suche hatte. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren investiert – ein Teil dieser Investitionen geschah in Form von Übernahmen: Wir haben Inktomi übernommen, Overture und Altavista und wir haben all dies zusammengezogen, um ein proprietäres Produkt zu entwickeln, von dem wir wirklich denken, dass es erstklassig ist. Aber wir wollen nicht nur eine Basis-Plattform zur Verfügung stellen – wir sind auch sehr gespannt, was die Zukunft angeht.

Wenn wir darüber nachdenken, wie wir uns von unseren Mitbewerbern unterscheiden werden, dann indem wir einzigartige Dienste zur Verfügung stellen. Das tun wir, indem wir uns auf unsere Stärken beziehen. Und die Stärke von Yahoo war schon immer die enge Beziehung zu unseren Usern und deren Content, die einmalig ist in der Industrie.

Im Moment bilden die Suchmaschinen nur rund fünf Prozent von allen Inhalten ab, die im Internet verfügbar sind. Was wir in den nächsten Jahren machen wollen, ist, auch anderen Content einzubeziehen, wie E-Mail, Instant Messaging, Yahoo Groups, und dies für die Suche zu nutzen.

Viele unserer Mitbewerber haben genau das umgekehrte Problem. Sie sind möglicherweise stark, was die Internet-Suche angeht. Aber sie fangen jetzt an zu erkennen, dass das alleine langfristig nicht reicht. Und so bemühen sie sich jetzt, Instant-Messaging zu entwickeln und E-Mail und personalisierte Plattformen – aber das ist ein Feld, auf dem Yahoo sich seit zehn Jahren bewegt.

TR: Sie haben ganz allgemein von Wettbewerbern gesprochen, aber was Sie gesagt haben, passt sehr gut zu dem, was Google macht. Meinten Sie GMail?

Bradley Horowitz: GMail ist ein gutes Beispiel. Es reicht nicht, einfach pure Internet-Suche zu präsentieren. Man erkennt nun, dass es notwendig ist, den User zu verstehen, wenn man exzellente Suchergebnisse haben will. Die ganze Branche hat erkannt, dass man so etwas wie eine individuelle, persönliche Art der Suche braucht. Das ist es, worin wir investiert haben – etwas, was wir im allgemeinen soziale Suche nennen.

Die grundlegende Idee ist: Wenn ich heutzutage eine Abfrage bei einer Suchmaschine mache, bekomme ich dieselben Ergebnisse wie Sie. Die Ergebnisse, die ich bekomme, sind abhängig von einem Wertungs-Algorithmus, der im Wesentlichen die Link-Struktur des Internets abbildet. Social Search stellt nun die Frage: Warum sollten die Webmaster, die diese Linkstruktur geschaffen haben, für uns alle bestimmen, was wichtig ist? Was passiert, wenn wir das für uns selbst machen? Statt also eine Abfrage durch die Linkstruktur bewerten zu lassen, könnten wir fragen: Wie sehen die von Medizinern bewerteten Suchergebnisse aus, oder was halten Juristen für relevant, oder meine Nachbarn oder meine Freunde? Je nach Art der Anfrage kann uns dies ein sehr spezifisches und einzigartiges Ergebnis liefern. Ich kann der Suchmaschine beispielsweise sagen: Liste mir einen Index aller Klempner in meiner Satdt auf, gewichtet nach der Bewertung meiner Nachbarn. Das ist unsere Vision, das ist die Richtung, in die wir uns bewegen. Wir nennen das: Bessere Suche durch Menschen. Das wird nicht länger nur durch die Algorithmen bestimmt, sondern auch durch die gestalterische Kraft menschlicher Wesen.

TR: Das klingt wie das Tagging in Flickr

Bradley Horowitz: Dass ist genau so, wie das Tagging in Flickr und das ist es auch, was wir in den vergangenen Jahren gemacht haben: Wir haben Flickr gekauft – del.icio.us, eine social-bookmarking Site, und Upcoming, ein sozial organisierter Kalender. Wir haben ein Laboratorium gegründet an der University of California in Berkely, an dem einige der führenden Experten in Sachen "social media" arbeiten. Wir denken, dies ist eine Erweiterung von Suchtechnologie und wir wollen noch in diesem Jahr einige sehr interessante Produkte auf dieser Basis herausbringen.

TR: Wenn Sie mit den Leuten auf der Straße über Suche im Internet reden, dann fällt denen meist nur ein Name ein: Google. Ist ein solch starker Konkurrent wirklich zu schlagen?

Bradley Horowitz: Das geht sicherlich nicht über Nacht. Noch einmal: Google ist seit, ich glaube, sieben oder acht Jahren in diesem Geschäft und Yahoo erst seit zwei Jahren. Wir freuen uns, dass wir schon so weit gekommen sind. Aber wir betrachten dies als einen Marathon und nicht als einen Sprint. Bei diesem Marathon sind wir eigentlich erst ein paar Schritte gelaufen, und wir haben großes Vertrauen in unsere Strategie und unsere Investitionen. Natürlich wird es nicht über Nacht passieren, aber hier in Deutschland haben wir beispielsweise großartige Fortschritte gemacht, was den Marktanteil angeht. Und wir werden diesen Kurs weiter verfolgen.

TR: Mit der Zunahme der Bedeutung von Suchmaschinen gibt es auch eine Diskussion um politische und ethische Fragen der Internet-Suche. Wie sehen Sie das? Haben Suchmaschinen-Betreiber eine besondere Verantwortung?

Bradley Horowitz: Ich denke, dies ist eine sehr komplizierte Diskussion. Ich bin nicht dazu geeignet, in dieser Frage für Yahoo zu sprechen. Offensichtlich gibt es große Unterschiede in den gesetzlichen Regulierungen verschiedener Staaten, und wir halten uns an die Gesetze, wo immer wir auch sind. Trotzdem ist das extrem kompliziert. Ich war auf dem Podium einer Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema, und im Verlauf einer Stunde bin ich sowohl dafür kritisiert worden, dass wir uns an die Gesetze halten, als auch dafür, dass wir uns nicht an die Gesetze halten. Es wird sehr aufregend, diese Fragen in den nächsten Jahren zu klären.

Ich denke, dass die Art und Weise wie Yahoo diese Probleme behandelt, sich in einigen Punkten von der Vorgehensweise unserer Wettbewerber unterscheidet. Von Anfang an, haben wir uns intensiv auf die Rechte und die Privatsphäre unserer User konzentriert. Wir wären nicht die beliebteste Site im Internet geworden, wenn wir nicht von Anfang an transparent gegenüber den Benutzern gewesen wären und klar offen gelegt hätten, welche Daten ausgetauscht werden usw. Und das ist für mich das wichtigste grundlegende Prinzip: Absolut ehrlich darin zu sein, was man tun und was man nicht tun will. Und auf dieser Basis können die Leute eine qualifizierte Entscheidung darüber treffen, ob sie zu uns kommen, oder einen anderen Service wählen.

Das zweite ist, dass wir die Situation der Inhaber und Publisher von digitalem Content sehr gut verstehen. Im Vergleich zum Rest der Industrie mag Yahoo in diesen Fragen ein wenig konservativ sein, aber das wird sich langfristig auszahlen. Ich denke, das ist auf den Einfluss von unserem CEO Terry Semel zurückzuführen, der jahrelang in Hollywood selbst Content für die Warner-Studios geschaffen hat. Yahoo ist, was die Beziehung zu Autoren und Publishern angeht, sehr respektvoll.

Ein Beispiel ist, dass wir Teil einer Initiative sind, die Bücher und Zeitschriften einscannt. Aber der Ansatz von Yahoo ist ein Opt-In-Ansatz. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Wir warten ab, bis der Verlag dem Programm aktiv zustimmt. Gemeinnützige Organisationen wie "Internet Archive" aber auch direkte Konkurrenten wie Microsoft beteiligen sich ebenfalls an dieser Initiative. Der Ansatz ist gegenüber den Rechte-Inhabern sehr freundlich - und das ist eine Stärke von Yahoo. Wir haben begriffen, dass wir uns in diesem komplexen Ökosystem nicht bewegen dürfen wie ein Elefant im Porzellangeschäft.

TR: Eine letzte Frage: Es hat eine Menge Aufregung gegeben um Stichworte wie "Web 2.0" und Ähnliches. Steht uns ein neuer Internet-Hype bevor"

Bradley Horowitz: Ich glaube tatsächlich, dass es eine neue Hype-Welle gibt. Und die ist schon da – zumindest im Silicon Valley. Ich glaube der Hype ist schlecht – weil er irrational ist und auf übersteigerten Erwartungen beruht. Aber die gute Nachricht ist, dass es dahinter tatsächlich ein echtes Phänomen gibt. Unternehmen wie Flickr, del.icio.us oder Upcoming, die machen etwas Besonderes. Flickr ist ein fantastisches Beispiel. Das war ein kleines Unternehmen, das von weniger als zehn Leuten betrieben wurde. Aber indem sie sich mit ihren Usern zusammengetan haben, konnten sie großartige Dinge erschaffen. Die User erstellen den Content, bewerten ihn selbst, verbreiten ihn. Schließlich haben auch die User selbst als Entwickler gearbeitet – über offene Plattformen und Schnittstellen hat Flickr die Community eingeladen sich an der Weiterentwicklung zu beteiligen. Über eine solche Kultur des Mitmachens und der Teilhabe kann man sehr viel mehr erreichen, als nur mit den Menschen auf der eigenen Gehaltsliste.

Interview: Wolfgang Stieler (wst)