Microsoft-Klapphandy Surface Duo: Es hätte so schön sein können

Microsofts erstes Smartphone seit den Lumias hat großes Potenzial. Doch beim genaueren Hinsehen finden sich zu viele Schwächen, meint Steffen Herget.

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(Bild: c't/sht)

Lesezeit: 5 Min.
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Da kehrt Microsoft nach Jahren der Abwesenheit auf den Smartphone-Markt zurück, und dann auch noch mit einem schicken Klapp-Smartphone – das muss einfach gut werden! Meine Vorfreude auf das Surface Duo war riesig, doch nach einigen Tagen mit dem Gerät weicht die Aufregung einer gewissen Ernüchterung.

Zugegeben, ich bin ein kleiner Fanboy, was Microsoft-Smartphones angeht. Die Lumia-Handys mit Windows Phone habe ich vor Jahren meinem halben Freundeskreis und der Familie ans Herz gelegt. Als Microsoft das Geschäft dann recht hastig einstampfte, musste ich mir da einiges anhören. Das wird mit dem Surface Duo nicht passieren, wofür schon das Preisschild sorgt: Ab 1550 Euro kostet das gute Stück in Deutschland. Kurios: In den USA wurde der Preis gerade um 400 Dollar gesenkt, dort kostet das Klapp-Handy jetzt knapp 1000 Dollar. Das geschah vermutlich nicht wegen der immensen Nachfrage.

Dabei leuchten sofort die Augen, wenn man als kleiner Hardware-Nerd wie ich das Duo in den Händen hält. Die Hardware ist toll: unheimlich flach, fasst sich super an, top verarbeitet, und das vermutlich beste Scharnier aller Falt-Handys auf dem Markt. Da verzeihe ich Microsoft sogar die Ränder rund um die beiden Displays, die den klobigen Charme der 2010er-Jahre versprühen.

Ein Kommentar von Steffen Herget

Steffen Herget schreibt für c't und heise online über Smartphones, Tablets und Gadgets aller Art. Hängt er nicht vor dem Bildschirm, sitzt er auf dem Rad, geht zu Fuß oder liest ein Buch – ganz analog.

Bei den inneren Werten hört der Spaß dann aber auf. Ein zwei Jahre alter Prozessor, der seine liebe Mühe mit den beiden Bildschirmen und dem Multitasking, immerhin Kernkompetenz des Duo, hat. 6 GByte RAM sind ein weiterer Klotz am Performance-Bein, wenn mehrere Apps parallel laufen. Immer wieder gönnt sich das Surface Duo Gedenksekunden, die man von einem High-End-Smartphone im Jahr 2021 nicht mehr gewohnt ist. Mit 128 oder 256 GByte kann ich leben, liegt ja eh fast alles in der Cloud heutzutage. Aber kein NFC und kein 5G, sorry Microsoft, das geht in der Oberklasse einfach nicht mehr.

Das Surface Duo ist flach, schick und fühlt sich hochwertig an. Innerlich lässt es aber zu wünschen übrig.

(Bild: Microsoft)

Was auch gar nicht geht, ist die Kamera. So charmant ich die Idee finde, sich auf eine einzelne Kamera zu begrenzen, die dann durch Drehen und Klappen für alles zum Einsatz kommt – aber doch nicht diese trübe 11-Megapixel-Knipse! Dass auch eine einzelne Kamera super sein kann, zeigt zum Beispiel Google mit dem Pixel. Der unverschämt dünnen Bauform ist außerdem ein stärkerer Akku zum Opfer gefallen. 3577 mAh sind nicht die Welt, vor allem mit zwei 5,6-Zoll-Displays und beim produktiven Arbeiten, für das man so ein Teil ja kaufen soll. Mein drahtloses Ladegerät mag das Duo auch nicht.

Und dann ist da ja noch die Software. Statt Windows setzt Microsoft hier Android ein. Ein flexibles OS, klar, aber eben auch trotz schickem Launcher und den Microsoft-Apps Office, Teams, Outlook und Co. für den Business-Einsatz weniger geeignet. Und trotz – oder gerade wegen – der vielen Anpassungen läuft noch längst nicht alles rund: Die Kamera stürzt beim Zoomen ab, der Wechsel zwischen den Bildschirmen hakt immer wieder, externe Apps haben Schwierigkeiten mit dem Doppel-Display (darunter sogar die Google-Tastatur GBoard, die nicht korrekt dargestellt wird). Und da hört die Liste noch nicht mal auf.

Das Surface Duo läuft nach wie vor mit Android 10, erst "im Sommer" will Microsoft da Upgrade auf Android 11 anbieten. Zu dem Zeitpunkt könnte das grüne Android-Männchen schon zur Version 12 weitergehopst sein. Aus den USA ist zudem zu hören, dass die monatlichen Sicherheitspatches auch nicht regelmäßig eintrudeln. Und das bei diesem Preis und der angedachten Zielgruppe der Business People und Professionals? Hm.

Natürlich gibt es auch Lichtblicke. Der Fingerabdrucksensor funktioniert super, die Unterstützung für den Surface Pen freut mich sehr, und die Microsoft-Apps sowie der Launcher sind gut an die Doppel-Display-Nutzung angepasst. Die Qualität und Verarbeitung der Hardware ist ein Traum. Darauf lässt sich aufbauen.

Das Surface Duo bleibt ein Versprechen auf die großartigen Möglichkeiten, die Microsoft-Smartphones im Prinzip haben, aber eben nur ein Versprechen. Klar, an der Software kann man schrauben, aber wenn die ein halbes Jahr nach dem Verkaufsstart in den USA noch so aussieht wie jetzt, braucht es schon eine gehörige Portion Optimismus, um tiefgreifende Verbesserungen zu erwarten. Die Hardware setzt zudem Grenzen, die sich nicht überwinden lassen – Stichwort 5G, NFC, Akku oder Kamera.

Ich bin jedenfalls gespannt auf die nächste Generation des Surface Duo, sofern Microsoft es mit dem Formfaktor durchzieht. Wenn dann stärkere Hardware drinsteckt und die Software besser läuft, vielleicht ja auch einfach gleich mit Windows statt Android, dann wird mein Mauszeiger wohl doch wieder schnell über "In den Warenkorb" schweben. Bis dahin hat das aktuelle Surface Duo aber noch ein bisschen Zeit, mich zu überzeugen und Qualitäten zu zeigen, die ich noch nicht erkannt habe.

Einen ausführlichen Test zum Surface Duo lesen Sie in c't 7/21.

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(dahe)