Missing Link: Warum wir (vorerst) nicht auf dem Mars landen sollten

Seite 2: Regeln für Erkundungen

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Der britische Mikrobiologe Charles Cockell (University of Edinburgh) hat 2007 in seinem Buch "Space on Earth" die Forderung formuliert, jegliche außerirdische Lebensform, auf die wir im All stoßen, bis zum Beweis des Gegenteils als intelligent zu betrachten. Das schließt offensichtlich Einzeller wie Bakterien ein. Warum sollten wir uns mit weniger zufriedengeben? Jede andere Grenzziehung zwischen geschütztem und zur Jagd freigegebenem Leben wäre willkürlich. Mangels empirischer Daten über Leben außerhalb der Erde ließe sie sich nicht begründen.

Auf Nachfrage erklärte Cockell jetzt, es sei wohl "mehr oder weniger unvermeidlich, dass wir den Mars mit Menschen kontaminieren werden". Er vermutet, dass wir mit dort möglicherweise lebenden Mikroben "wahrscheinlich angemessen umgehen können, sofern wir ein Mindestmaß an Gewissheit darüber haben, um was für eine Art von Leben es sich handeln mag." Allerdings sei es "schwierig zu bestimmen, in welchem Maße wir menschliche Erkundungen zulassen können, bevor wir ein gründliches Verständnis davon haben, ob es dort Leben gibt und welcher Natur es ist".

Das klingt ein bisschen wie die Suche nach einem Kompromiss zwischen dem Drängen der Raumfahrtenthusiasten, vielleicht auch der eigenen Lust an der Erforschung unbekannter Welten und den eigenen moralischen Ansprüchen. Aber der Aufbruch von Menschen zum Mars hat keine Dringlichkeit, die in dieser Frage Kompromisse erzwingen könnte. Uns entgeht nichts, wenn wir damit noch so lange warten, bis wir mit Sicherheit wissen, ob er bewohnt ist oder nicht.

Der Murray-Grat an der westlichen Kante des Endeavour-Kraters auf dem Mars
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(Bild: NASA)

Schließlich gibt es im Weltraum genügend andere attraktive und weniger problematische Ziele, auf die wir uns unterdessen konzentrieren können: Auf Asteroiden ließen sich Siedlungen errichten, der Zwergplanet Ceres könnte zum Mittelpunkt der Weltraumkultur werden. Und auf dem Marsmond Phobos könnten wir eine Forschungsstation betreiben, von der aus wir die Entwicklung des Lebens auf dem Mars verfolgen.

Es geht nicht darum, die bemannte Raumfahrt aufzugeben oder sie mit weniger Energie zu betreiben. Es geht darum, ihr eine neue Orientierung zu geben. Der Aufbruch ins All darf nicht bruchlos als Fortsetzung des Aufbruchs zu anderen Kontinenten betrieben werden, sondern muss viel entschiedener auch als Aufbruch zu einer neuen, ausgeglicheneren und friedlicheren Gesellschaft begriffen werden. Wann, wenn nicht jetzt, wäre eine bessere Gelegenheit, einen grundlegend anderen Weg einzuschlagen?

Es ist unmöglich, die auf der Erde begangenen Verbrechen ungeschehen zu machen, und es ist ungeheuer schwierig, die in der Folge entstandenen internationalen Machtverhältnisse und sozialen Gegensätze wieder aufzulösen. Im Weltraum aber ist es ganz einfach, die gleichen Fehler nicht noch einmal zu wiederholen. Es genügt eine simple Regel: Himmelskörper, auf denen Leben vermutet werden kann, sollten wir nicht oder nur mit größter Zurückhaltung betreten.

Oder ist es doch nicht so leicht? Etwas scheint sich zu sträuben gegen eine solche Ausrichtung der Forschung und Entwicklung. Viele sehen darin wohl eine zu große Einschränkung, womöglich gar einen Angriff auf ihre persönliche Lebensweise. Die immer wieder zu beobachtende emotionale Heftigkeit der Empörung dagegen lässt allerdings vermuten, dass mehr dahinter steckt.