Dokumentarfilm über Palantir-CEO: Alex Karp gefällt das nicht

Im Zentrum steht der CEO der umstrittenen Firma Palantir selbst, Nebenrollen erhalten Weggefährten, Experten und Kritiker.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 121 Kommentare lesen
Alex Karp turnt vor

Alle Augen sind auf den Vorturner Alex Karp gerichtet, unter dessen Kommando bei Palantir nicht nur die Kampfkunst Tai-Chi praktiziert, sondern auch Software zum Einsatz in der Kriegsführung entwickelt wird.

(Bild: Real Fiction / Brad Wenner)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Imke Stock
Inhaltsverzeichnis

Für Palantir läuft es gerade grandios. CEO Alex Karp teilte Anfang Mai in einem Brief an die Aktionäre mit, dass das Unternehmen den größten Quartalsgewinn in der zwanzigjährigen Geschichte des Unternehmens gemacht habe. Palantirs Plattformen sollen zur "marktführenden Infrastruktur" werden, die "den effektiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Large Language Models in sämtlichen Institutionen" ermöglicht. Dazu gehört nicht nur das US-Militär, das gerade einen neuen millionenschweren Auftrag an Palantir vergeben hat, sondern auch "Unternehmen in den Vereinigten Staaten und im Ausland, staatliche und lokale Regierungsstellen sowie Forschungsinstitute und Bildungseinrichtungen".

Palantirs Software kann die Welt zum Guten oder Schlechten verändern. Da kommt ein Dokumentar-Film, der die Welt von Palantir und dessen CEO Alex Karp aus verschiedenen Perspektiven in den Fokus nimmt, gerade richtig: "Watching You – Die Welt von Palantir und Alex Karp". Karp selbst sieht das im Angesicht des Filmteams am Rande einer Veranstaltung anders: "Die drehen einen Film über mich, obgleich ich das nicht will. Das ist der Wahnsinn!"

Ein Außenseiter, anders, verrückt, skrupellos, arrogant, schüchtern, intellektuell, unterhaltsam, verführerisch – es gibt noch viele andere Worte, mit denen der Protagonist des Films, Alexander C. Karp, von (früheren) Weggefährten, Kollegen, Auftraggebern, Experten und Kritikern beschrieben wird. Ein Mensch voller Widersprüche, ein "Linker", aber auch ein "Bellizist", also jemand, der einem Krieg und militärischen Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg geht. Der "den Stier bei den Hörnern packt" und über seine Firma Palantir sagt, dass sie an der "Aufhebung der Widersprüche" arbeiten würden. Eine Firma, die mit dem Slogan wirbt: "The World is breaking – come fix it" ("Die Welt zerbricht – komm und reparier sie") und diesen auf T-Shirts für Mitarbeiter druckt.

Eine Firma, die ohne Karp nicht denkbar wäre. Denn grundsätzlich jeder, der etwas mit Palantir machen will, will auch mit Karp sprechen. Ohne ihn als CEO drohen Verluste an der Börse. Die Mitarbeiter "halten ihn für Gott", sagt einer, der jahrelang selbst Teil der Firma war und neue Mitarbeiter einstellte. Palantirs "Gott" beschreibt seine eigene berufliche Aufgabe mit den Worten "ich manage schwierige Menschen mit hohem IQ"; "viele Leute halten mich für komplett durchgeknallt", aber wenn Verrückte ihre Aufgaben erfüllen, würden sie von den Leuten geliebt. Unter diesen Voraussetzungen scheint ein Film über Palantir ohne Karp eigentlich nicht denkbar.

Der Film von Klaus Stern will ein umfassendes Bild von der Geschichte der Firma und dem persönlichen Werdegang ihres CEO vermitteln, Einblicke hinter die Kulissen und aus verschiedenen Perspektiven liefern. Die Zuschauer sollten am Ende nicht nur das Gefühl haben, gut unterhalten worden zu sein, sondern auch den CEO als Menschen und seine Firma etwas besser kennen. "Watching You" zeigt Karps Entwicklung – vom Studenten der Sozialwissenschaften und Philosophie in Deutschland mit leichten Anlaufschwierigkeiten bei seiner Dissertation bis zum CEO von Palantir, als Gast wichtiger politischer Zusammenkünfte und hinein in die Aufsichtsräte deutscher Unternehmen. Karp wandelt nicht nur zwischen den Mächtigen, sondern ist selbst zu einem geworden. Klar wird, dass er und damit auch Palantir ein besonderes Verhältnis zu Deutschland haben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Palantirs Geschichte und Mission, von den Anfängen in den USA, über die Ausbreitung nach Europa bis hinein in den Krieg in der Ukraine – der Film zeigt Schlüsselmomente der Firmengeschichte im Zusammenhang mit politischen Entwicklungen bis in die jüngere Gegenwart. Regisseur Stern ("Weltmarktführer – Die Geschichte des Tan Siekmann") verwebt die Ereignisse gekonnt mit Aussagen aus den Interviews, die Hintergründe und Einordnungen geben. Öffentliche Auftritte des CEO und Ausschnitte aus Werbe- und Produktvideos von Palantir ergänzen die Szenerie.

Da der Hauptdarsteller an dem Film nicht mitwirken wollte, sind die anderen Figuren umso wichtiger – und diese und ihre Perspektiven haben es in sich. "Du hast alle Menschen abgeklappert, die ich kenne" – sagt Karp leicht vorwurfsvoll zum Regisseur, als dieser einen erneuten Anlauf nimmt, um mit ihm in Davos zu sprechen.

Protestierende vor Karps Haus in den USA kommen ebenso zu Wort wie einige Wegbegleiter. Interviewpartner sind unter anderem seine Doktormutter in Deutschland, ehemalige Kollegen, Politiker, Experten, Journalisten, Behördenvertreter und Polizisten.

Der Film führt den Zuschauer zwar nicht in die Zentrale von Palantir in den USA, aber an die Arbeitsplätze von Palantir-Mitarbeitern bei der Polizei in Deutschland. Am Beispiel der Polizei in Hessen wird gezeigt, wie der Weg von und für den Einsatz von Palantir politisch bereitet wurde und was das in der Praxis für Vor- und Nachteile für Palantir und die Sicherheitsbehörden bringt. Die Polizei hält die Palantir-Software für sehr hilfreich. Die hessischen Behörden wollen mithilfe von Palantir bereits einen Terroranschlag verhindert haben.

Die Zusammenarbeit der Polizei mit Palantir hat in Hessen nicht nur zu einem Untersuchungsausschuss geführt, sondern auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Gerhart Baum, FDP-Politiker und Bundesinnenminister von 1978 bis 1982, erinnert sich an die Einführung der Rasterfahndung und die Ausweitung der Computerisierung der Polizei. Baum hält Palantir für "eine Verführung, der sich unser Rechtsstaat entziehen muss".

Der Film kommt dem für seine Kritiker unnahbaren Karp nicht nur näher als gedacht, sondern offenbar auch ungelegen. Wieder eine hochkarätige politische Veranstaltung, andere Zeit, anderer Ort, ähnliches Setting und Karp, der einem anderen Gesprächspartner halb lachend neben dem Filmteam stehend erklärt: "Die machen einen verkorksten Film über mich." Dabei wollen Palantir und sein CEO lieber selbst Regisseure ihrer Erzählung sein und damit Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen.

Seine Kritiker – seien es Beobachter, Leser oder Zuschauer – kann man sich nicht aussuchen. Ob die Beobachtungen, die der aktuelle Film nun liefert, "verkorkst" sind, oder ob Karp mit Palantir für die Gesellschaft annehmbare Lösungen für die heutigen Probleme liefern könnte, darüber kann sich nun jeder selbst eine Meinung bilden. "Watching You – die Welt von Palantir und Alex Karp" startet am 6. Juni in den deutschen Kinos.

Karp schreibt Buch über notwendige Vereinigung von Staat und Softwareindustrie

Im Februar 2025 soll ein Buch von Karp und einem seiner Palantir-Mitarbeiter erscheinen mit dem Titel "The Technological Republic: Hard Power, Soft Belief, and the Future of the West". Es soll "den Schleier über Palantir und sein umfassenderes politisches Projekt von innen lüften und einen leidenschaftlichen Aufruf an den Westen richten, sich unserer neuen Realität bewusst zu werden". Es sei eine Vereinigung von Staat und Softwareindustrie nötig, damit "die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in diesem Jahrhundert genauso dominant bleiben wie im letzten". Die geopolitische Ordnung zerbreche. Und Karp will mit Palantir den Fix für diese Reparatur liefern – theoretische Begründung inklusive.

(mack)