Pro & Contra: Brauchen wir ein Photoshop von Apple?

Apple will die beliebte Photoshop-Alternative Pixelmator kaufen. Doch ist diese unerwartete Übernahme begrüßenswert?

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Pro & Contra: Brauchen wir ein Photoshop von Apple?

(Bild: Mac & i)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Das bislang unabhängige Entwickler-Team hinter der beliebten Photoshop-Alternative Pixelmator Pro arbeitet nach eigener Angabe bald bei Apple. Die Übernahme sei bereits unter Dach und Fach, wie die Entwickler überraschend mitteilten – falls nicht noch eine Regulierungsbehörde den Kauf torpedieren sollte. Apple hat sich dazu bisher nicht konkret geäußert, das Schicksal der beiden Apps Pixelmator Pro und Photomator ist ungewiss.

Wolfgang Kreutz vermisst in macOS schon lange eine ernsthafte Bildbearbeitung.

Wenn ich meine Videos schneiden möchte, kann ich bei Apple je nach Anspruch zu iMovie und Final Cut greifen. Für die Audiobearbeitung und zum Komponieren gibt es GarageBand oder Logic. Bei Bildern gelange ich mit der Fotos-App jedoch schnell an die Grenzen des Tools. Ich kann nicht einmal wie einst in MacPaint mit simplen Pinseln ins Bild malen – Microsoft Paint für Windows beherrscht mittlerweile sogar Ebenen.

Ein waschechter Bildeditor würde gut zum Mac passen. Das ist laut Apple ja das ideale Gerät für kreative Köpfe. Derzeit benötige ich bereits für einfachste Aufgaben ein Programm eines Drittherstellers. Pixelmator Pro hat sich hier als tolle und vor allem günstige Lösung etabliert. Dabei ist das Programm erheblich intuitiver zu bedienen als etwa Photoshop. Es wirkt durch die perfekte Integration in macOS schon jetzt so, als stamme es aus Apples Feder.

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Wenn Pixelmator künftig Bestandteil von macOS und anderen Systemen wird, dürfte das den Markt sicherlich gehörig aufwirbeln. Gerade Indie-Programme wie Acorn oder PhotoLine werden dann noch schwerer Kundschaft finden. Sie müssen sich also etwas einfallen lassen, um sich weiter zu behaupten. Dass das gelingen kann, beweisen indirekt GarageBand und iMovie, die eben nicht alles vom Markt gefegt haben. Und Apple wird Schwergewichte wie Photoshop oder Affinity Photo sicherlich nicht überflüssig machen.

Sollte Apple die eigenständige App einstampfen und das bewährte Konzept, die Automatisierungsfähigkeiten oder gar das Dateiformat über Bord werfen, hätten Bestandskunden das Nachsehen. Die entstandene Nische kann aber ein neues Entwicklerteam füllen – dann gibt es eben ein Pixelmator Neo. (wre)

Leo Becker bereitet die Übernahme des Pixelmator-Teams Bauchschmerzen.

Als Apple vor über 20 Jahren die beiden großen Profi-Anwendungen Final Cut und Logic zukaufte, war die Firma noch ein winziger PC-Hersteller. Die Apps sollten die Kernkundschaft bei Laune und die von der Windows-Dominanz bedrohte Plattform am Leben halten. Davon kann heute längst nicht mehr die Rede sein: Apple ist zum Godzilla mutiert, der selbst durch kleine Bewegungen ganze Ökosysteme durcheinanderwirbeln kann. Deshalb hinterlässt die überraschende Ankündigung, das Pixelmator-Team zu schlucken, bei mir ein äußerst flaues Gefühl.

Denn Apples Übernahme sendet ein gefährliches Signal: Es könnte kleinere Entwicklerteams langfristig abschrecken, spannende Profi-Software für den Mac zu bauen. Ein wirtschaftlicher Totalschaden ist nämlich vorprogrammiert, wenn die Konkurrenz plötzlich Apple heißt und unglaublich tiefe Taschen hat – damit lässt sich kaum konkurrieren. So bleiben nur noch mit Risikokapital aufgepäppelte Entwicklerteams, deren einziges Ziel ist, sich vom großen Plattformbetreiber schlucken zu lassen. Für Indie-Entwickler, deren fantastische Apps macOS stets weit von anderen Betriebssystemen abhoben, bleibt da immer weniger Luft. Für Nutzer ist es obendrein frustrierend, wenn bewährte Apps nach einer Übernahme verschlimmbessert werden oder gar ganz verschwinden.

Statt durch solche Aufkäufe im eigenen Software-Markt zu wildern, sollte Apple sich weiter darauf konzentrieren, mit dem Betriebssystem und flexiblen Schnittstellen die bestmögliche Basis für tolle Software zu schaffen. Genau das ermöglicht es selbst kleinen Entwicklerteams, leistungsfähige Tools für den Mac anzubieten – so wie Pixelmator Pro. (lbe)

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