Pro & Contra: Sollte Apple die iPhone-Keynotes abschaffen?

Jüngst hat Apple neue iPhones vorgestellt, wieder in einer aufgezeichneten Präsentation mit vielen Werbeclips. Verärgert Apple damit seine Kunden?

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Seit einiger Zeit hält Apple seine Produktpräsentationen nicht mehr live ab, sondern produziert sie vor und lässt sie dann per Streaming in die ganze Welt ablaufen. Das gefällt nicht allen Anwendern.

Johannes Schuster meint, dass Apple-Keynotes mehr und mehr zu Reklame-Events werden.

Vor Corona liefen Apple-Keynotes live auf der Bühne ab. Die Manager stellten ihre Produkte vor großem Publikum vor, es gab Gelächter und Applaus, wenn auch zugegeben wenig Buhrufe. Seit einiger Zeit zeichnet das Unternehmen die Präsentationen ohne Publikum auf und spielt sie wie einen Werbefilm ab. Und der Werbefilm wird überflüssigerweise von zahlreichen Werbeclips unterbrochen. Zur Vorführung im Steve-Jobs-Theater fliegt Apple ausgewählte Journalisten von überall aus der Welt ein – man fragt sich wozu: Die Aufzeichnung hätten sie genauso zu Hause schauen können.

Bei der diesjährigen iPhone-Präsentation drückte Apple dann auch noch sieben Minuten auf die Tränendrüse und zeigte Menschen, die durch die Alarmfunktion oder Analysedaten der Apple Watch Hilfe bekamen. Nichts gegen die Funktionen, aber das Emotionalisieren ging mir gehörig auf die Nerven. Eher peinlich empfand ich den Auftritt der Apple-Manager als Laiendarsteller in einem Video, in dem US-Schauspielerin Octavia Spencer "Mutter Natur" verkörperte und sich von den Erfolgen des Unternehmens beim Umweltschutz beeindrucken ließ. Ja, die Fortschritte in der Watch-Produktion sind unbestreitbar, der Verzicht auf Lederarmbänder freut Vegetarier. Doch viel mehr noch würden Mutter Natur langlebige, reparierbare Produkte freuen – oder gar weniger Konsum und CO2-Vermeidung statt Zertifikatserwerb. Die Fakten der neuen Geräte ratterten dann einige Produktmanager herunter, ohne die Neuerungen im Detail zu erklären. Wenn Fachbegriffe fielen, dann mehr als Namedropping denn zum Verständnis. Apple sollte aufpassen, dass die Marketing-Abteilung nicht noch mehr Einfluss bekommt und seinen Ruf als Ingenieursfirma wahren. (jes)

Ben Schwan findet, dass Apple das Genre Produktpräsentation perfektioniert hat.

Machen wir uns nichts vor: Das, was Apple da am 12. September aufgefahren hat, war Marketing in Perfektion. Druck auf die Tränendrüse (Apple-Watch-Gesundheitsfunktionen retten Leben!), Humor (Tim Cook fürchtet sich vor "Mutter Natur"!) und Hightech (erster 3-nm-Smartphone-Chip, den Apple vorerst sogar exklusiv verbaut!) waren in Hollywood-Manier unterhaltsam. Und Apple macht seine Präsentation im Video eben genau deshalb, weil sich alles so nett kontrollieren und im Hochglanzformat auf den Bildschirm bringen lässt. Kein Versprecher auf der Bühne, keine negativen Reaktionen des Publikums. Mittlerweile sind wir das gewohnt, es ist ja nicht das erste Mal.

Es ist die große Apple-Show, auf die wir uns für anderthalb bis zwei Stunden zusammen einlassen. Und was Nostalgiker gerne vergessen: Das frühere Live-Keynote-Format war ebenfalls nur eine Show, die lebenden Menschen auf der Bühne vermittelten dem Zuschauer lediglich ein falsches Gefühl von Nähe. Apple wollte auch damals nur eins: uns seine neuen Produkte möglichst perfekt verkaufen. Dass es dabei auch mal zu teils lustigen Fehltritten kam, machte das Format zwar lockerer, aber auch nicht weniger zu einer vom iPhone-Hersteller bis ins Detail kontrollierten Veranstaltung.

Es war stets Apples Bühne und es waren Apples Mitarbeiter und Apples Partner, die da oben standen. Wichtig ist bei den Videopräsentationen, dass wir Journalisten jede Behauptung des Konzerns hinterfragen, egal ob nun live oder aufgezeichnet. Und das machen wir normalerweise schon während (im Liveticker) oder 15 Sekunden nach dem Ende des Videos. Und die Kollegen, die bei der Keynote vor Ort sind, können die neuen Produkte danach in einer Hands-on-Area beschnuppern. So ist das bei Apple nun mal. (bsc)

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(jes)