Pro & Contra: Verzettelt sich Apple bei der Watch?
Die Apple Watch macht nur winzige Sprünge. Konkurrenten locken mit langer Akkulaufzeit, Blutdruckmessung und smarten Ringen. Ist Apple auf dem falschen Weg?
Das grundlegende Design der Watch hat Apple über 10 Jahre beibehalten – bis heute. Auch technisch wirken die Sprünge von Generation zu Generation zusehends kleiner. Bei der Ultra hat der Hersteller in diesem Jahr sogar ganz auf eine neue Modellgeneration verzichtet. Bei der Konkurrenz scheint mehr Bewegung, es gibt Uhren mit immens längeren Akkulaufzeiten, andere Gehäuseformen wie smarte Ringe und neue Gesundheitsfunktionen. Hat sich Apple hier verzettelt?
PRO
2022 schlug die Watch Ultra mit zusätzlicher Taste, großem Display für mehr Metriken und Sensoren für Wassersportler wie ein Paukenschlag ein. Die Ultra 2 strahlte mit 3000 Nits und doppelt so großem Speicher, brachte funktional aber wenig Neues. In der aktuellen Auflage ergänzt Apple gerade mal eine zweite Farbe.
Zugleich schwappen die Alleinstellungsmerkmale Tiefenmesser und Wassertemperatursensor sowie das große Display auf die Series 10 über. Extras bleiben Aktionstaste, Schutzklasse, Sirene, Optik und die längere, aber immer noch nicht konkurrenzfähige Laufzeit – bei mindestens 330 Euro Mehrkosten gegenüber der günstigsten Series 10 mit Mobilfunk. In der Titan-Ausführung sitzt die hübschere Series 10 der Ultra selbst als Prestigeobjekt im Nacken.
Welche Strategie verfolgt Apple bei seinem teuersten Watch-Modell? Das umfangreiche Gesundheits-Tracking um Schlafapnoe zu erweitern, ist ein guter Zug. Auf dem Zettel hat Apple aber anscheinend nicht, wie lange Kunden schon die Blutdruckmessung herbeisehnen. Dass sie am Handgelenk zuverlässige Ergebnisse liefern kann, zeigen einmal mehr zuerst andere, auch mit medizinischer Zertifizierung.
Eine Lücke klafft im Konzept zudem bei Apple Intelligence auf. Während das neue iPhone auf die Apple-KI ausgerichtet wurde, basieren der Smart-Stapel der Watch und die automatische Trainingserkennung auf den älteren Algorithmen. Wer Siri 2.0 komplexe Fragen stellen will und auf Antworten hofft, die eines persönlichen Assistenzsystems würdig sind, weil sie den Kontext des Nutzers berücksichtigen, wird von On-Device-Siri enttäuscht zum iPhone greifen. Dass die Watch den Umstieg auf Apple Intelligence erstmal nicht mitmachen darf, passt zur insgesamt häppchenweisen Einführung von Apples KI, die wie vom Rückstand getrieben und nicht optimal geplant wirkt. (ims)
CONTRA
Anpassbare Uhrzeitanzeige, Fitness plus Health, Kommunikation: Damit trat die Apple Watch vor 10 Jahren an und diese Ziele verfolgt sie heute mehr denn je. Klar, das Design der Non-Ultra-Watch wirkt angestaubt – positivere Naturen mögen es "klassisch" nennen – und die Verbesserungen von Jahr zu Jahr sind klein. Aus der Vogelperspektive hat sich jedoch viel getan. Wer von einer wenige Jahre alten Series 6 auf die Apple Watch Series 10 wechselt, trägt praktisch eine komplett andere Uhr am Handgelenk. Die Fortschritte bei Display, Sensorik, Gesundheitsfunktionen und Alltagsverbesserungen sind immens.
Die Apple Watch ist und bleibt vorrangig eine Smartwatch, die sich an ein breites Publikum richtet – die Ultra eingeschlossen. Extremsportler, die mehrtägige Abenteuer tracken wollen, sehe ich bei spezialisierten GPS-Uhren besser aufgehoben. Dort gilt es im Gegenzug, andere Kompromisse in Kauf zu nehmen.
Und statt sich um Nebenschauplätze wie smarte Ringe zu scheren, darf Apple ruhig den Fokus auf soliden Gesundheits- und Fitnessfunktionen belassen. Ich habe keinen Zweifel, dass dazu in Zukunft auch Blutdrucküberwachung zählt – sobald eben alles ordentlich getestet ist.
Bei der 2020 eingeführten Blutsauerstoff-App patzte der Konzern, sie ist bis heute nur für Wellness-Zwecke ausgelegt, statt handfeste Werte zu liefern. In den USA musste der Hersteller die Funktion wegen eines Patentstreits sogar auf neuen Uhren deaktivieren und hat den Missstand bislang nicht aufgelöst. Damit ist nun wirklich niemandem geholfen. Schön, dass sich Apple für die Erkennung von Schlafapnoe jetzt endlich wieder die Mühe gemacht hat, das klinisch zu validieren. Bei wertvollen Gesundheitsfunktionen kann sich die Watch gerne Zeit lassen, eine neue Modellgeneration alle zwei Jahre reicht schließlich dicke. (lbe)
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