"Starfield" im Test: Entschleunigte Abenteuer im Sternenfeld

"Starfield" ist die erste neue Bethesda-Welt seit vielen Jahren – und weniger revolutionär, als viele erwartet haben. Aber vielleicht ist das auch gut so.

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Ein Blick in das Sternenfeld weckt den Entdeckergeist genauso wie die Angst vor dem Unbekannten.

(Bild: heise online, Fabian A. Scherschel)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Das Dilemma eines Spieletesters ist es, dass man im Sinne seiner Leser versucht, das Objekt der Rezension möglichst sorgfältig zu analysieren. Dieses analytische Auseinanderbrechen des Spiels führt allerdings oft dazu, dass man ganz anders spielt als der typische Leser. Und mit der Entfernung von dessen Spielerfahrung entfernt sich die Rezension gleichzeitig von ihrem Ziel, dem Leser möglichst nützlich zu sein. Bei Bethesdas "Starfield" wird das besonders deutlich, denn das Weltraum-Aktion-RPG lässt sich vom geübten Auge mit viel Erfahrung bei "Fallout" und diversen Weltraum-Simulationen ziemlich einfach in seine Einzelteile herunterbrechen. Was angesichts des enormen Hypes um das Spiel vielleicht auch angebracht ist. Dabei übersieht man aber schnell, dass die Brillianz von "Starfield" darin liegt, dass es viel mehr als die Summe seiner Teile ist.

Vor dem Aufbruch in die Weiten von "Starfield" bekamen wir eine Warnung von Bethesda mit auf den Weg: Das Spiel sei unglaublich umfangreich, man solle in dem doch eher knappen Rezensions-Fenster nicht versuchen, alles zu erleben, was die Werbung als Eckpunkte des Spiels verspricht. Es sei stattdessen besser, sich einfach treiben zu lassen und zu sehen, wohin einen die Sonnenwinde des Schicksals verschlagen. Zuerst könnte man das als PR-Floskel abtun. Schließlich wird uns mittlerweile seit Jahrzehnten bei jedem neuen Open-World-Spiel versprochen, wie detailliert die Welt ist und dass wir dort tausende Stunden verbringen können, ohne uns zu langweilen. Zuletzt bin ich persönlich auf diese leeren Versprechungen bei CD Projekts "Cyberpunk 2077" hereingefallen. Nach etwas mehr als 75 Stunden Spielzeit in "Starfield" kommt mir allerdings langsam der Verdacht, dass Bethesda eventuell mit seinem Hinweis nicht ganz Unrecht hatte.

Glücklicherweise hatten wir sowieso vor, uns auf "Starfield" einzulassen und einfach zu sehen, was dann passiert. Und so kam es dann auch, dass wir uns kurz nach dem Absolvieren der ersten Einführungsmissionen im Weltraumgefängnis wiederfanden. Der Versuch, es Captain Malcolm Reynolds aus "Firefly" gleichzutun und mit einem kleinen bisschen Schmuggelware nebenbei unser mageres Einkommen als Weltraum-Entdecker aufzubessern, war kläglich gescheitert. So begann unser bisher größtes Abenteuer in "Starfield", das uns ganz abseits der eigentlichen Story des Spiels knapp 25 Stunden gespannt vor den Bildschirm fesselte.

Dass "Starfield" es geschafft hat, uns ganz zu Beginn des Spiels derart in eine Nebenmission hinzuziehen, rechnen wir dem Spiel sehr hoch an. Rein durch den Zufall unseres missglückten Schmuggelversuchs landeten wir mitten in einem Netz aus Intrigen, Spionage und Abenteuer. Wir lernten knapp ein Dutzend Nebenfiguren zu hassen und zu lieben und die ganze Odyssee brach uns schlussendlich sogar ein wenig das Herz. Es ist schon sehr beeindruckend, wie aufwendig diese Nebenmission gestaltet ist. Das ganze Spektakel währte so lange und involvierte so viele Figuren und Handlungsstränge, wie manch andere Rollenspiele, wenn überhaupt, nur für die Haupthandlung aufbringen.

Unter Beobachtern der Spiele-Branche hat sich im Vorfeld der Veröffentlichung von "Starfield" die Kurzbeschreibung "No Man’s Skyrim" für das Spiel etabliert. Und tatsächlich beschreibt das dieses Spiel sehr treffend, obwohl "No Man’s Fallout" wohl noch passender wäre. Wenn man sich das Spiel als eine Art "No Man’s Sky" mit "Fallout"-typischen Siedlungen auf den Planeten vorstellt, ist man wirklich schon sehr nah an dem dran, was "Starfield" bietet.

"Starfield" beherbergt eine Menge interessanter Figuren, die der Spielwelt ihren eigenen Charme geben.

(Bild: heise online, Fabian Scherschel)

Das Spiel enthält knapp einhundert Sternensysteme — viele davon enthalten ein halbes bis ein Dutzend Planeten und Monde, von denen man auf den allermeisten landen kann. Viele der Planeten enthalten wiederum unterschiedliche Biome und man kann sich frei aussuchen, wo man mit seinem Raumschiff landen will. Wenn man das tut, generiert das Spiel prozedural passend zum entsprechenden Biom das Terrain, die Flora — und eventuell auch Fauna — auf die man trifft. Was bedeutet, dass diese Orte, einem Algorithmus folgend, mit Landschaften, Lebewesen und zum Teil auch mit Bauwerken ausgestattet werden. Die Lebewesen und Pflanzen kann man scannen, um damit Credits zu verdienen. In Bauwerken, abgestürzten Schiffen, und so weiter, finden sich oft Bewohner, die Missionen bereitstellen oder die man, im Fall von Piraten oder Söldnern, überfallen und ausrauben kann. Manchmal muss man sich auch gegen Raubtiere verteidigen, die zum Teil ziemlich monströs werden können.

Anders als bei "No Man’s Sky" haben in "Starfield" alle Himmelskörper und Sternensysteme vorbestimmte Namen und Positionen in der Galaxis. Daraus ergeben sich auch die politischen Konflikte der unterschiedlichen Organisationen und Regierungen im Spiel. Neben den algorithmisch befüllten Orten, die man erkunden kann, wenn man an willkürlichen Stellen auf einem Planeten landet, gibt es allerdings quer durch die Hauptsysteme verteilt auch Dutzende Städte, Siedlungen, Raumstationen und Raumschiffe, die fest in die Spielwelt einprogrammiert wurden. Hier finden die wichtigsten Quests statt, denn diese von Hand erstellten Orte beherbergen fast alle Haupt- und Nebenfiguren des Spiels. Vom Algorithmus generierte Gegenden und Außenposten können ebenfalls Nebenfiguren enthalten, diese spulen allerdings ziemlich ähnliche Aufgaben aus einem großen Topf an völlig optionalen Nebenmissionen ab.