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Was war. Was wird.

Das Abendland ist untergegangen. Hal Faber fragt derweil, welcher Hoodie-Typ Du bist. Und sieht in Heinrich Heine einen Propheten der technologischen Souveränität.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Oha, das Abendland ist untergegangen. Und das kam so: In Hamburg sollte ein Spiegel-Journalist treu nach der Spiegel-Devise "Sagen, was ist" sagen, was ist mit dem Journalismus. Da entdeckte er bei der Empfangsdame eine Obst-Schale und wollte sich einen Apfel nehmen. Das aber war ihm verboten: Solche Spiegel-Erkenntnis-Äpfel dürften nur die Print-Journalisten essen, hieß es. So ging also das Abendland unter, ganz unspenglerisch, aber mit einem schönen Liveticker. Die hehren Werte des christlichen Abendland wurden von einem Aufklärungs-Apfel in einer Obstschale zerdeppert. Wobei der livetickernde Journalist schlecht performte: "Sagen, was ist", dass hätte harte Recherche erfordert, woher denn dieser Apfel stammte. Vielleicht aus dem Altland, jenem leckeren Streifen vor Hamburg zwischen dem untergangenen Abendland und dem islamischen Morgenland?

*** Der Untergang des Abendlandes begann übrigens etwas früher, in Frankfurt. Dort schrieb ein FAZ-Journalist etwas über einen SZ-Journalisten, dass andere Journalisten so aufregte, dass sie sich Kampfkapuzenpullis anzogen und Drohfies machten. Nun erscheint diese nach Zeilen bezahlte Wochenschau bei einem reizenden kleinen Verlag am Rande der norddeutschen Tiefebene, in dem Kapuzenpullis absolut normale Kleidungsstücke sind und Printredakteure immer mal wieder den Newsticker befüllen helfen, mithin das Schmuckstück dieser Branche. Was in Hamburg und München und Frankfurt aufregte, verstand in Hannover niemand. Aber so ist das, wenn so ein Abendland untergeht. Auch dies ist eine Nachricht die ordentlich präsentiert werden muss, selbst wenn man es besser weiß, nämlich, dass die Welt am 1. Januar 1970 begann und am 19. Januar 2038 um 03:14:08 untergehen wird – dies als kleiner Kollateral-Trost für alle, die sich gerade über die Sommerzeit ärgern.

*** Jetzt, da das Abendland doch untergegangen ist, sollte man mal nachschauen, um was es eigentlich ging. Jedenfalls nicht um Online-Journalismus versus Print-Journalismus oder um jung gegen alt. Das gute alte Abendland wird an seinen krimmigen Grenzen zum Beispiel durch einen ständig erregten Journalismus beschädigt, dem das Orwellsche "Auftauchen, um Luft zu holen" fremd ist. Oder durch eine atemberaubende Ignoranz der Journalisten, die sich als Speerspitze des Internet-Journalismus feiern lassen im Hoodie und dann so antworten:

Nachdem inzwischen alle Sicherungssysteme geknackt werden können, wie der einschlägigen Presse zu entnehmen ist, wollen wir unseren Nutzern nicht falsche Sicherheitsgefühle durch Kommunikation einer vermeintlich sicheren Methode geben. Deshalb auch haben wir keinen anonymen Briefkasten etc. Nur analoge Kommunikation kann halbwegs gesichert werden.

So sieht er aus, der Untergang des Abendlandes. Nur analoge Kommunikation ist halbwegs sicher, beim heiligen Foschepotherus. Vor nunmehr einem Jahr kontaktierte der Whistleblower Edward Snowden den Journalisten Glenn Greenwald. Seit Sommer 2013 reißen die Veröffentlichungen über die Machenschaften der Geheimdienste wie NSA und GCHQ nicht ab. Seit dieser Woche ist bekannt, dass einem großen Blatt wie dem Guardian mit der Schließung gedroht wurde im ach so demokratischen Großbritannien. Aber bitte weitermachen mit der Ablenkung. Welcher Hoodie-Typ bis du, das ist genau die Frage der Stunde.

*** Keine falschen Sicherheitsgefühle mehr! Während Journalisten auf Nabelschau sind, diskutieren IT-Leute, wie das eigentlich gehen soll mit der technologischen Souveränität Deutschlands, die unter dem Eindruck des NSA-Skandals in den Koalitionsvertrag gewandert ist. Kommt es wirklich auf Dezentralisierung, freie Software und Verschlüsselung an oder ist die Erfolgsbilanz dieser Regierung etwas von der Art alter Handbücher? Wo sind eigentlich die beschlossenen leicht zu benutzenden Verschlüsselungsinstrumente für alle Bürger abgeblieben? Oder ist damit die Jubelarie Deutschland setzt auf verschlüsselte E-Mails gemeint, die uns aus allen deutschen Ecken des Netzes entgegendröhnt? Nicht einmal im Kleingedruckten findet sich dabei der Hinweis, dass E-Mail Made in Germany an allen Übergabepunkten im Klartext vorliegt und eine Ausleitung ein Leichtes ist.

Nix Deutsch hier

(Bild: eco)

*** Am Ende wird sich die die technologische Souveränität des Koalitionsvertrages als technologische Schimäre herausstellen. Bestimmte Sachen können von der deutschen Industrie einfach nicht mehr hergestellt werden. Auf einer Diskussionsveranstaltung bekannte Klaus Landefeld vom weltgrößten Internet-Knoten De-Cix freimütig, dass er keine deutschen Alternativen zu der in Frankfurt eingesetzten Hardware kennt. Wenn es unbedingt deutsche Technik sein muss, müsste diese als teurer Eigenbau selbst entwickelt werden. Selbst der deutsche Hersteller Lancom bekennt unter der Hand freimütig, dass solche Systeme in wirtschaftlich vertretbaren Mannjahren nicht entwickelt werden können. So heißt es noch in der mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Diplomarbeit von Agata Królikowski über Deep Packet inspection unter Berufung auf Procera Networks: "PI-Systeme sind leistungsfähig genug, um an zentralen Internetknoten wie dem De-Cix Echtzeitanalysen des gesamten Internetverkehrs in Deutschland durchzuführen."

*** Seltsamerweise hat bereits Heinrich Heine etwas Passendes zur technologischen Souveränität des großkoalitionären Vertrages gedichtet, die schöne neue Klaut-Technologie eingeschlossen. Zwar schrieb Heinse niemals bräsig im Politikersprech davon, dass man "Deutschlands Zukunft gestalten" müsse, nein, er brachte es viel feiner auf den Punkt:

Franzosen und Russen gehört das Land,

Das Meer gehört den Briten,

Wir Deutsche aber besitzen im Luftreich des Traums

Die Herrschaft unbestritten.

Jetzt, da das Abendland untergegangen ist, kann man in Neuland in großer Ruhe weitermachen wie bisher. Am Montag ziehen die ersten 170 Schlapphüte in die neue BND-Zentrale ein. Der undemokratische Sektor Berlins wird vom Kanzleramtsminister eröffnet, auf dass der Umzug der 7000 Experten für Staubsaugertechnik beginnen kann. Viele freuen sich schon über die neue Aufgabe, in Gedenken an Richard Gehlen wieder eine Sonderkartei der Politiker anlegen zu können, so als nettes Gegenstück für die besondere Datenbank "Nymrod" der Staats- und Regierungschefs, die die NSA angelegt hat.

Stören könnte dabei vielleicht der 1. April. An diesem Datum wetteifern der Print- wie der Online-Journalismus ungewöhnlich engagiert darum, möglichst wahre Nachrichten zu veröffentlichen. Unglaubliche Entdeckungen stehen an, auch wenn die Wahrheit sich erst nachträglich einfindet. Man denke nur an den in einem Alu-Hoodie geschriebenen c't-Artikel über RFID-Chips in Autokennzeichen, etwas, was 2006 mit der Einführung einer PKW-Maut wieder angedacht wurde. Bekanntlich will die große Koalition schnellstens die PKW-Maut einführen, womit das Thema seine zeitlose Aktualität beweist.

In diesem Jahr ist der beste Aprilscherz auf den 8. April vertagt worden. Das ist der Tag, an dem viele Menschen der norddeutschen Tiefebene befreit auflachen und ihre Liebe zu Windows XP bekennen werden wie in dem Film Her. Über diese Liebe zu einem von Scarlett Johannson gesprochenen Betriebssystem schreiben alle, Print wie Online recht abstruse Sachen. Jajaja, aus dem gehörten Wort ward Fleisch, aber das hatte G^tt auch schon mal geschafft. Später, wenn die Liebe abgeklungen ist, kommen die verstörenden Szenen einer Ehe, auf 46.500 Zeilen. Na, will sich noch jemand ins Teufelszeug neu verlieben? Wie sprach G^tt übrigens zum Detail-Teufel frei nach Heine? Liebe kleine Katzen kommen vor den Menschen, das gildet nicht nur im Internet:

Ich der Herr kopier mich selber,

Nach der Sonne mach ich Sterne,

Nach den Ochsen mach ich Kälber,

Nach den Löwen mit den Tatzen

Mach ich liebe kleine Katzen,

Nach den Menschen mach ich Affen;

Aber du kannst gar nichts schaffen.

(Heinrich Heine, Schöpfungslieder)


(anw)