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Was war. Was wird.

Die Wochenschau von Hal Faber: mit einem kleinen Brief an Umang Gupta sowie Überlegungen zu Teufelswerk, Blamagen und heißen Wüsten.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Lieber Umang Gupta! Jetzt bist du sogar in den Bundestag gekommen. Als armer Inder, der die Post für Rüttgers Wahlaktion bearbeitet, hat dich ein Mensch von der SPD geoutet. Aber so ist die Wacht des Web oder die Macht des Tickers. Als ich Freitag vor einer Woche bei der CDU anrief und nachfragte, was denn mit den Postkarten geschehen sollte, war von einer Mailingaktion die Rede. Und von einer Datenbank, die für die Adressenpflege eingesetzt werde. Weiteres Material wolle man den Bürgern zukommen lassen, erklärte schon Jürgen Rüttgers zuvor im Fernsehen. Und im Back-Office dieser Partei tuckert eine kleine, Dir wohl bekannte Datenbank – Centura SQL, the database formerly known as Gupta SQL, hergestellt von einer Firma, die im Jahre 1984 von Dir gegründet wurde. Da zählte ich 1 und 1 zusammen. Heute kann ich zu deiner Beuhigung sagen: Es passiert nichts mit den Daten. Gar nichts. Sie bleiben intakt und geschützt, sagt die CDU. Die Adressen auf den Postkarten werden gezählt und ausgeschnitten. Ganz von Hand, ohne elektronische Hilfe, erklärt die CDU nun nach der großen Bundestagsdebatte. Dann werden all die Adressen auf die weiterführenden Broschüren geklebt und alles geht zur Post. Bei dieser Aktion wirst Du nicht benötigt. Es werden überhaupt keine Inder und auch keine Kinder damit beschäftigt sein. Ich werde eine Karte in Deinem Namen unterschreiben, damit Du auch in Kalifornien weißt, worum es geht. Machen wir der CDU diese kleine Freude. Dann kann sie Deine Datenbank auch weiterhin unbesorgt einsetzen. Dein Hal. (BCC an alle Leser des Heisetickers).

*** Soweit mein kleines Mailing an Umang. Wahrscheinlich wird es ihn nicht interessieren, ob ein gewisser Herr Struck, seines Zeichens Fraktionschef der SPD im Bundestag, die kleine Anmerkung eines Kolumnisten im Web parteipolitisch auszuschlachten gedenkt. Nachdenklich macht es schon: Offensichtlich meint die SPD, die Kampagne des Herrn Rüttgers nur dadurch kontern zu können, dass sie eine Anekdote am Rande ausschlachtet. Ob die CDU nun Software einer Firma einsetzt, die von einem Inder oder von einem Amerikaner oder von Marsmännchen gegründet wurde, sollte für die politische Argumentation doch eigentlich belanglos sein. Aber den Herren und Damen der SPD steckt wohl noch der hessische Landtagswahlkampf in den Knochen: Argumente halfen ihr angesichts der Kampagne des Herrn Koch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft nicht weiter; zumindest fielen der SPD keine guten ein. Oder sollte es der verzweifelte Versuch sein, informationstechnische Kompetenz zu zeigen? Da blamiert sich jeder, so gut er kann: Sei es die panische Reaktion der Familienministerin auf die Vorwürfe der "Bild"-Zeitung, sei es die knackige Anmerkung des Bundeskanzlers, er könne RAM und ROM auch nicht unterscheiden. Muss er auch nicht können: Wenigstens sprach er nicht von Milchwirtschaft und Italien-Tourismus – etwas weiter als Herr Kohl, der angesichts der Datenautobahnen auf das Verkehrsministerium verwies, sind neuzeitliche Politiker inzwischen schon.

*** Übrigens gab es in der Wochenschau von letztem Sonntag doch einen kleinen Fehler: Da sprach ich bei Umang Gupta doch tatsächlich von Bangalore. Grundfalsch. Umang machte seinen ersten Universitätsabschluß beileibe nicht in Bangalore, sondern am Indian Institute of Technology. Nun hat das nichts mit Indianern zu tun und Umang Gupta ist, wenn auch inzwischen naturalisierter Amerikaner, keineswegs Ureinwohner der USA. Dieses Institut, in Deutschland wohl am Besten als Technischen Hochschule bezeichnet, ist eines von insgesamt Fünfen. Das, an dem Umang Gupta seinen Abschluss machte, ist in der Stadt Kanpur beheimatet. Und die liegt in Uttar Pradesh, was wiederum ein Teil von Indien ist. Dass solche Leute dann in die USA gehen, um dort erst bei IBM, dann bei Oracle zu arbeiten und anschließend eine Firma zu gründen, die lange Zeit eines der führenden EDV-Unternehmen des Landes war, mag die Amerikaner freuen – in der Bundesrepublik scheinen Menschen wie Umang Gupta weder bei CDU noch SPD willkommen sein. Die Einen sind grundsätzlich gegen ausländische Experten, die Anderen wollen sie nach drei, vier Jahren in Abschiebehaft setzen. Hier zu Lande scheint die "New Economy" ganz die alte zu sein...

*** Offen muss heute die Frage bleiben, was die CDU mit ihren internen Daten macht. Angeblich erfolgt die gesamte Mitgliederverwaltung ausschliesslich mit Microsoft Office ohne jegliche Datenbank. Sagt zumindest die CDU. Befällt ein Makro-Virus ein Word-Dokument, wird vielleicht ein Mitglied gelöscht. So einfach ist das wohl. Die CDU-Mitglieder, die vielleicht während ihrer Arbeit mit Microsoft Office arbeiten, mögen jetzt zusammenzucken: Daten von rund 630.000 Mitgliedern, die die CDU nach eigenen Angaben hat, mit Microsoft Office verwaltet? Da beruhigt es doch ungemein, das woanders die Software auch nicht fehlerfrei ist. Nehmen wir die USA, das Land, in dem die einzig echte Green Card ausgegeben wird. Eigentlich darf die Einwanderungsbehörde nur 65.000 Green Cards ausgeben. 1998 beschloss der Kongress, diese Zahl temporär auf 115.000 anzuheben. Nun ist bei einer Überprüfung durch die Firma KPNG Consulting herausgekommen, das vielleicht 10.000 oder 20.000 Green Cards über diesem Limit erteilt wurden. Vermutet wird, das die Software nur auf maximal 100.000 Green Cards eingestellt war und darüber das Zählen vergaß.

*** Green Card hin, Inder her: Das alles ist sowieso des Teufels, sagt der Erzbischof von York in Großbritannien. Diese Technologie (und er meint das Internet) ist etwas, das uns auffressen könne, meint er. Das Internet hat das Potenzial des Teufels, betont der Gottesmann. Warum machen wir uns also Sorgen? Entweder wir lassen die ganze Sache sein und erfreuen uns göttlicher Gnade, oder wir machen's doch, und dann sind ein paar Inder in der Bundesrepublik auch egal. "Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wär's, daß nichts entstünde", meinte ein relativ prominenter Vertreter des Teufels – und der war ja wohl auch Ausländer und Experte für gewisse Dinge allzumal. Da ist es doch irgendwie tröstlich, dass auch der York'sche Bischofspalast (mit Namen Bishopthorpe) vor kurzem einen Internet-Anschluss bekam.

*** Wo so viele mit der Green Card in die USA ziehen, sollten wir uns darüber Gedanken machen, ob nicht wieder eine Mauer her muss. Bei der GMD in Sankt Augustin setzen die Fusionsenergien mit der Fraunhofer-Gesellschaft massenhafte Kündigungen durch Top-Informatiker frei, die aus dem Land wollen. Für die Not leidende deutsche Industrie sind diese internationalen Spitzenforscher ja zu alt, aber für die Erziehung unserer Kinder zu Informatik-Indern wäre doch jedes Mittel recht. Schaffen wir Anreize! "Die deutsche Green Card ist nicht sexy genug", soll ein eingeladener GMD-Forscher gesagt haben. Ich möchte alle Leser auffordern, an unserem kleinen Green-Card-Design-Wettbewerb mitzumachen. Eine sexy Karte als JPEG in feschem Grün ist gefragt! Ausgeschlossen von dem Wettbewerb sind alle Mitarbeiter des Heise-Verlags und alle Angestellten der Krankenkassen, die sich mit dem abgeschnittenen Menschen-Logo auf den Versichertenkarten disqualifizierten.

Was wird

Gut möglich, dass so eine sexy Green Card eines Tages sehr nützlich sein kann, wenn man einen neuen Job sucht. Sie weist Sie als Leser von Heise-Blättern und -Tickern aus, so etwas bildet! Präsident Clinton hat zugegeben, zwei oder dreimal in einer Computerzeitschrift geblättert zu haben. Warum das wichtig ist? Bill Clinton strebt nach dem Ende seiner Präsidentschaft eine Karriere als Redner im High-Tech-Sektor an. Seinen ersten Auftritt wird Clinton, dann noch als Präsident, wenn nicht was dazwischen kommt, am 18. April in Chicago haben, wo er die Frühjahrs-Comdex eröffnet. Clinton möchte dabei den Kampf gegen die "digitale Kluft" weiter führen, die reiche Surfer und arme Fernsehgucker voneinander trennt. Wie heißt noch das Motto dieser Comdex? "All Business is E-Business."

Jeder bekommt das Motto, das er verdient: "Cool Men in the Hot Desert" nennt sich eine Veranstaltung, die das Hubert Burda Center for Innovative Communications vom 14. bis 17. Mai 2000 an der Ben Gurion Universität im israelischen Beer Sheva abhält. In der heißen Wüste sollen sich Experten, Forscher und StartUps über die New Economy unterhalten. Die New Economy in der Wüste, das gibt ein cooles Bild voller T-Motion. Aber das ist ja der Name für das neue Multimedia-Venture von T-Online und T-Mobil. Wahrscheinlich wurde T-Motion am Rande einer sehr heißen Wüste ersonnen. (Hal Faber) (jk)