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Was war. Was wird.

Server, die sich selbst heilen. "Wo aber bleiben die Bilanzen, die sich von selbst zusammenstellen?", fragt Hal Faber bevor er im Ferrari davondüst.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** IBM ist eine richtig lustige Firma geworden, über die man immer wieder gerne berichtet. Da ist die Sache mit der Flower-Power-Kampagne, die nach allen Regeln der Kunst aufs Straßenpflaster gesetzt wurde. Die Sache mit der abwaschbaren Biokreide funktioniert einfach nicht, wenn eine Werbeagentur wie Ogilvy & Mather sich den schönen Gimmick ausdenkt, mit der Ausführung aber eine Agentur namens "Ch'rewd" betreut, die richtige Sprayer engagiert, die noch nie in ihrem Leben Biokreide gesehen haben. Den Jungs von "Ch'rewd" sollte man auch das eLiza-Projekt überlassen, mit dem IBM dicke tut. Ein total angetörnt aussehender selbstheilender Server hat was. Aber warum eLiza? Als Joe Weizenbaum den Namen beim guten Shakespeare auslieh, wusste eNiemand um die Unart des kleinen e. Immerhin steht eLiza in guter Tradition, die uns nicht heilbare Systeme aller Art beschert hat.

*** Während der Mythos Eliza lebt, wird die Angelegenheit .com langsam beerdigt. Selbst die Auktion findet nur schwache Resonanz und nicht einmal Sun als Bieter, obwohl die Firma, punktum, sämtlichen Mitarbeitern eine Woche Denkpause verordnet hat – womöglich mit Brüten über dem Aufsatzthema: "Jxta – wozu es gut ist". Dem Gewinner winkt ein Ferrari, wie bei Arsdigita, der großen Untergangssaga aus Bobo-Zeiten, die uns immer wieder überraschende Erkenntnisse beschert. "Jeder Angestellte, der 10 Freunde in die Firma brachte, bekam einen Ferrari. Tatsächlich kostete uns so ein Auto nur 2000 Dollar im Monat und durfte nur so lange gefahren werden, wie man bei der Firma blieb. Das war viel billiger, als 10 Headhunter zu bezahlen."

*** So hat die New Economy nicht nur für den Absatz schneller Autos gesorgt, sondern auch einige Piloten gleich wieder aus der Kurve geworfen. Auf solch gefährlichem Terrain schlittert zurzeit auch Metabox, wo mal wieder eine Presse- und eine Analystenkonferenz abgesagt wurde, weil die Zahlen nicht vorliegen. Wenn Hardware und Software sich selbst heilen kann, wo bleiben da die Bilanzen, die sich selbst zusammenstellen?

*** Bei anderen kommt jede Selbstheilung zu spät. Etwa beim scheidenden Philips-Chef Cor Boonstra, der sich den Abschied aus seinem Vorstandssessel mit üppigen Gewinnen aus einem Geschäft mit Aktien der TV-Spaßproduktion Endemol (Big Brother) versüßt hat. Boonstras feine Nase für gute Wertpapiere wundert nicht einmal den Staatsanwalt. Schließlich teilt der scheidende Philips-Boss Tisch und Bett mit Sylvia Toth, die zur Zeit des Deals im Endemol-Aufsichtsrat saß. "Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über", vermutete bereits Luther im Sendbrief vom Dolmetschen. Und so redete sich Boonstra am Vorabend seiner Abschiedsparty im holländischen Fernsehen um Kopf und Kragen. Über die bevorstehende Übernahme von Endemol durch die spanische Telefonica habe Sylvis geschwiegen wie ein Grab. Wem fiele bei diesem feinen Beispiel aus dem Zusammenleben mit einer Big Sister nicht Heinrich Kleists Aufsatz "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" ein.

*** Während die einen reden, feiern die anderen. Schließlich steht der 1. Mai vor der Tür, einstmals der Tag großer Reden und Aufzüge. Heute eher ein schlichter Feiertag, neuerdings auch einer der Verlierer der New Economy. Im fernen New York sind Geschassten-Partys bereits überaus erfolgreich, denn auch mitarbeitersuchende Firmenchefs oder Headhunter tummeln sich der Fama nach auf solchen Veranstaltungen. In Berlin tut man sich da offenbar schwerer. Mit dem Internet-Stellenmarkt Monster.de ("Hör nicht auf die Stimmen") ist dem deutschen Äquivalent der Hauptsponsor abhanden gekommen. Es wird wohl auch ohne Monster ganz lustig werden. Neben Arbeitssuchenden haben sich nämlich auch Unzufriedene und Beladene angekündigt, die nur mal ihren Marktwert testen wollen. Da wird wohl mancher Chef eine ganze Reihe Mitarbeiter begrüßen können.

Was wird

"Treffen wir uns zu einer machtvollen Demonstration unserer Geschlossenheit! Am Kampftag der Arbeiterklasse muss der Demonstrationszug Punkt 1 Uhr abmaschieren. Alle Programmierer werden dafür zu sorgen haben, dass die Arbeiten früher als sonst beendet sind. Es ist selbstverständlich, dass nicht nur jeder Programmierer, sondern auch jede Programmiererfrau und alle Familienmitglieder mit sämtlichen Avataren und Softbots am proletarischen Kampftag teilnehmen. Deshalb, Genossinnen Coder, richtet Euch darauf ein! Habt Eure Hausarbeiten beendet! Sorgt dafür, dass die ganze Familie bis spätestens 12 Uhr auf dem virtuellen Demonstrationsplatz sein kann!"

Der hier zitierte Aufruf zur Maiversammlung ist ein Original aus dem Jahre 1923, nur die Arbeiter wurden durch zeitgemäße Subjekte der Geschichte ersetzt. Anderswo geht man mit dem 1. Mai nicht so zimperlich um. Für die Washington Post ist der internationale Arbeitertag nur noch ein "wichtiger chinesischer Feiertag" und natürlich Grund genug, eine Virenwarnung auszusprechen. Denn in China, dem Reich des Bösen, braut sich was zusammen. "Alle Räder stehen still", wer mag das nicht als Anweisung an die Fünfte Cyberkolonne verstehen, der nächsten Mail einen Virus anzuhängen.

*** Nach der Demo zieht die programmierende Klasse nicht gleich nach Hause, sondern nach Stuttgart. Dort findet vom 2. bis 4. Mai der Deutsche Multimedia Kongress statt und behandelt "drängende Fragen und hochaktuelle Trends wie eProcurement, eLogistics, eASP, eLearning" und was sich sonst noch mit dem Abbreviations-Präfix des digitalen Zeitalters verzieren lässt. Vielleicht klärt man dort auch das Rätsel des verschwundenen "e" der Tanja Engel, deren Körperbau Strato zur Verzweiflung treibt.

*** ePost von Madonna: Leider, leider sind wir hier zu Lande ausgesperrt, wenn AOL am 1. Mai in den USA mit einem großen Wettbewerb beginnt. Täglich verkündet ein anderer Star, dass Post da ist. Mit dieser Aktion will AOL einen bemerkenswerten Rekord feiern: "You've Got Mail" sei täglich 50 Millionen Mal zu hören und rangiere damit noch vor "I love you", so teilt uns die Werbeabteilung mit. Die wichtigste Äußerung, noch vor "Wie gehts?". Hal Faber / (em)