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Was war. Was wird.

Diesmal hätte sich Hal um ein Haar zwischen Cheops-Pyramide und Düsseldorf vergaloppiert -- aber zum guten Schluss sind er, seine Kolumne und alle Links am richtigen Platz gelandet.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Wie wäre es zur Abwechslung mit dem 10. September? An diesem Tag kappte ein Gericht in San Francisco den Berufungsantrag im Verfahren des zum Tode verurteilten Stanley Tookie Williams mit dem Urteil "Cleared for execution". Scheinbar gnädig schlugen die Richter vor, dass der Gouverneur von Kalifornien Williams begnadigen soll. Es wäre die erste Begnadigung durch den Gouverneur. Der einst für den Friedensnobelpreis vorgeschlagene Williams hat Kinderbücher geschrieben und das "Internet Project for Street Peace" initiiert, ein Chat-Projekt, das Mitglieder von Straßengangs zum Schreiben und Aussteigen bewegen soll. Was wiegen ein paar Kinderbücher, oder das Internet-Projekt gegen das "größte kriminelle Netzwerk, das jemals geschaffen wurde?" Nichts. Sonst würden Mörder nur noch Kinderbücher schreiben.

*** Oder nehmen wir den 12. September. An diesem Tag verkündete der Microsoft-Forscher Mike Jones, den weltersten Smiley erfolgreich gefunden zu haben. Die Microsoft-Legende machte prompt die Runde, doch sie ist falsch. Die ersten Smileys wurden auf dem Plato-System geschrieben und wanderten von dort durch die Computerszene wie so vieles andere, was auf Plato entstand. Sicher wird diese Geschichte dazu genutzt, auf die Firma Microsoft zu schimpfen, die diesmal, wie in anderen Fällen, nicht besonders schuldig ist.

*** Mit Visionären ist es eine schwierige Sache, zumal dann, wenn es sich um deutsche Visionäre handelt. Heute vor 70 Jahren wurde Deutschlands erster Artronaut geboren. Charles Wilp, der für ein längst vergessenes, verwässertes Getränk abgedrehte Werbung machte, ist Vertreter einer Generation, in der Raumfahrt noch Spaß machte. Filme wie Hitchcock zu drehen, einen neuen Bond zu kreieren, so etwas fand Wilp zu abgeschmackt. Dann schon lieber die Nonnen in Brause-Räusche versetzen.

*** Einen Spaß machte sich Intels Pat Gelsinger, als er auf dem Developer Forum seiner Firma mit einem Segway-Roller aufkreuzte. Keinen Spass erlaubte sich die Firma mit ihren Neuigkeiten, mit denen flüchtige Hersteller mit Chips wie Banias wieder an das Wintel-Imperium gekettet werden sollen. Apropos Banias: Als die Griechen zu Ehren ihres Gottes Pan an der Quelle des Jordan das Heiligtum Paneas gründeten, hatte es eine ähnliche Schutzfunktion wie das Palladium zu Ehren einer Gespielin, die die Göttin Athene aus Versehen tötete. Nun haben wir eine Palladium-Sicherheitsarchitektur, einen Banias-Chip und eine weitere passende Sicherheitsarchitektur, noch ohne Namen. Aber die Mythologie bietet da noch viel Raum, ganz im Gegensatz zu modernen eintönigen Namen wie Turok.

*** Bleiben wir in Banias, Israel. Heute ist Erew Jom Kippur, der Tag vor dem Versöhnungstag, dem höchsten Fest- und Fastentag der Juden. Entschuldigungen für Beleidigungen sind fällig, auch werden Dinge zurück gegeben, die man versehentlich genommen hat. Seit Tagen warnen die verschiedensten Hersteller von Antivirenprogrammen vor einem Ausbruch des möglicherweise gefährlichsten Virus aller Zeiten, doch außer Gerüchten bieten sie wenig, um Jom Kippur zu einem ruhigen Tag zu machen. Ein Apache-Wurm sorgt wohl für Aufregung, ob Linux denn erwachsen wird, doch die ganz große Nimda-Show ist noch nicht in Sicht. Das mag sich ändern, schließlich ist Krieg in einigen Gebieten der Erde.

Was wird

*** Am Montag beginnt wieder einmal das European IT Forum in Monaco, eine der teuersten Veranstaltungen für IT-Insider, die von "den besten Experten des Universums" wie Don Tapscott, Nicholas Negroponte und Peter Drucker beraten werden. Diesmal steht das Forum im Zeichen der Welle, weil nach der Ebbe immer die Flut kommt. Die Tagung wird von den Marktforschern der IDC ausgerichtet, die gerade herausgefunden haben, dass Linux mit 2,7 Prozent die Apple-Rechner bei den Desktops überrunden konnte. Die Welle rührt daher, dass IDC den universalen Aufschwung ausgemacht hat, der bald die gesamte Branche erfassen wird. Naja, fast die gesamte Branche. Neben den PDAs sollte man die PCs auch nicht sehr hoch hängen: solange die Industrie mit Gefängnisstrafen droht, wenn Kinder die Standardausstattung eines PC wie den Internet-Zugriff und CD-Brenner benutzen, werden keine neuen Rechner gekauft.

*** Gedankengefängnisse sind in. Düsseldorf ist zwar nicht halb so schick wie Monaco, bietet aber in der nächsten Woche ein bemerkenswertes Duell, das bereits als Krieg der Kongresse hochgewertet wurde. Anders als beim Duell von Schröder und Stoiber soll es wirklich um Inhalte gehen, wenn der Chaos Computer Club das 20-jährige Jubiläum der Cyberphunks mit einer gut bestuhlten "Internationalen Konferenz zur Informationsfreiheit" begeht. Tags darauf ist die zum sofortigen Vollzug drängende Bezirkregierung Düsseldorf dran und lädt zum "Internationalen Kongress Hass und Gewalt im Internet". Was bleibt, ist die offene Frage, wie das geneigte Publikum Punkte vergeben kann. Ein Kongressometer ist doch eine schicke Dotcom-Idee. Im Duell der Titel haben beide schon verloren: Dass für Informationsfreiheit gestritten wird, dass es um die Darstellung von Hass und Gewalt geht, sind offensichtlich unnötige Differenzierungen. Zwischentöne sind nur Krampf.

*** Wenn sich die von der Bezirksregierung eingeladenen Verwaltungsrichter nach der Vorführung längst zur Ruhe gebettet haben, beginnt die Nacht der Pyramiden. Ein unheimlich guter Roboter, eine "deutsche Präzisionarbeit", macht sich dann daran, das Geheimnis der Cheops-Pyramide zu knacken. Da zittert sogar mein Programmheft: "Welcher Anblick wird sich den Zuschauern bieten, wenn - unter erschwerten Bedingungen im Inneren des engen Grabes - der massive Steindeckel abgehoben wird? Liegt eine Mumie in dem noch versiegelten Grab?" Aber ja doch. Und sie wird eine AOL-CD halten. (Hal Faber) (em)