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Was war. Was wird.

Ist Open Source unmöglich? Kosten 10 Sekunden Geld? Wenn dann noch die Internet-Jubiläen purzeln, wie sie eigentlich gar nicht fallen, sehnt man sich nach anderen Stichworten zur geistigen Situation der Zeit, meint Hal Faber.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Kujau kam nur bis Eboli: Was immer die Kollegen vom Stern geraucht haben, als sie einen Tag für ihre Jubiläumsstrecke suchten, es wird schon ein gutes Kraut gewesen sein. Als Jubiläum taugt es kaum, doch als Idee ist es umso besser. Das Web als kostenlose Einrichtung für alle, weltweit, ist eine Idee, die gar nicht genug gefeiert werden kann. Wo doch jeder Zweite Web-Bürger kostenpflichtige Inhalte im Internet nicht akzeptiert. Oder geht am Ende mit einer Generation der Pioniere auch ihr Gedanke einheitlicher Standards von Bord? Am Ende ist alles 404.

*** Kostenpflichtige Inhalte und öffentliches Wissen vertragen sich nicht besonders. In den USA haben Woodward und Bernstein, die Aufdecker des Watergate-Skandals, ihr Material für fünf Millionen US-Dollar verkauft. Dafür gab es kaum Kritik. Es gibt Gesellschaften, die auf Kosten ihres Untergangs Entscheidungen fällen. Das kann auch für Informationsgesellschaften gelten und sollte am Geburtstag von Horace Mann nicht vergessen werden.

*** Der Blick in die Woche, kaum das die Gesänge zum 1. Mai verhallt sind, macht natürlich bei der Arbeiterbewegung halt: Am Ende der Traumzeit sind wir also angelangt. "Die vielfach prophezeiten Nomaden und Teleworker, die mit Laptop und Handy unter karibischen Palmen ihre Arbeit verrichten, gibt es nicht." Soso. Dabei ist es schön hier am Pool, wirklich. All die Analysten, die unbehelligt von Staatsanwälten unter Palmen vom IPO träumen. Ja, wir sind alle nur verkappte Pollutokraten unter Palmen?

*** Im großen Stil ist Apple dabei, seine treuen Fans an das DRM zu gewöhnen. Auf den ersten Blick stellt sich Steve Jobs geschickter an als Microsoft, auch wenn er dabei ein auf das Fernsehen gemünztes Zitat des engagierten Bush-Gegners Hunter S. Thompson kurzerhand auf die Musikindustrie umwidmet. Doch das sind Kleinigkeiten wie das Gemäkel, dass im sauberen Apple-Land natürlich Scheiben wie Miles Davis' Bitches Brew nicht mehr ausgeschrieben werden dürfen. Verf***t aber auch. Oder die verflixte Einteilung in Tracks, die eine Symphonie in 40 Teile zerlegt und Eminems "Paul Skit" als Song deklariert -- nicht schlecht für 10 Sekunden. Die Sache fängt erst an, und sie wird lustig, wenn wir alle das 13. Gebot lernen. Du sollst Musik nicht stehlen und brav neu kaufen, wenn sie verschütt gegangen ist. Apple hat deine Daten nur zu Forschungszwecken gespeichert. Natürlich ist es unfair, jetzt an die "S** machine" James Brown zu erinnern, der gestern 70 Jahre alt geworden sein soll. "Ich spiele keine Songs. Ich habe keine Alben. Meine Musik ist ..." ach, lassen wir das. Die Telepoddies kommen, und in geschützten Zonen erfahren sie, wie das mit der Musik funktioniert.

*** Eher unbeachtet bleibt zur Zeit ein Geplänkel, das Folgen haben kann: IBM hat die Vorwürfe von SCO zurückgewiesen, Codefetzel gemoppst zu haben. Nun nimmt sich SCO Red Hat und SuSE vor, immerhin Mitstreiter beim vereinten Linux. Die Tage der Rechtsanwälte und Codeschrubber kommen, doch was ist mit Versuchen, wenn ein, zwei Maulwürfe in quelloffenen Projekten Sabotage treiben? Es gibt Kommentare, die darum der Open Source nicht die geringste Chance einräumen. Wie im Kaukasischen Kreidekreis, der heute Geburtstag hat, wird die soziale Konstruktion des Eigentums eine wichtige Rolle spielen.

*** Ach, noch aber ist nicht Zeit, alle Hoffnung fahren zu lassen, auch wenn manche Erinnerungstage sentimental stimmen: Nicht etwa die "geistige Situation der Zeit" und neuere Stichwortgeber bildeten das Auftaktthema der Edition Suhrkamp, die am 2. Mai ihren 40. Geburtstag feierte, sondern ebenfalls Brecht, hier aber mit dem Leben des Galilei. "Die Städte sind eng, und so sind die Köpfe. [...] Aber jetzt heißt es: Da es so ist, bleibt es nicht so." Immerhin, auch das erscheint heute noch ein angemessener Kommentar zu eben dieser geistigen Situation.

Was wird.

Die E3 öffnet ihre Pforten und bietet verkniffenen Knaben den nötigen Stoff, die Kultur den Bach herunter gespült zu sehen. Wen stört es schon, wenn die australische Regierung das Spiel Escape from Woomera mit einem großzügigen Zuschuss unterstützt, damit die Fluchtszenen aus dem Flüchtlingslager besonders realistisch gerendert werden können? Auch Microsoft hat ein neues Multiplayer-Game, doch was heißt das schon, wenn die Nacht der Mäuse naht: Feiern wir also mit Microsoft 20 Jahre innovativer Hardware, von der Apple-Card bis zum digitalen Klo.

Und über Palladium wird auf der WinHEC geschwärmt. Andere Konferenzen sind offensichtlich Opfer der Technik geworden: Wenn alle Bloggen, IM-Chatten und ihre Wikis pflegen, geht die Kommunikation flöten. Auch so kann eine Bewegung gestoppt werden.

Es kommt nicht alle Tag vor, dass sich ein Kunstwerk gewissermaßen vor aller Augen materialisiert, jedenfalls vor geschulten Augen oder solchen, die für den Venusdurchgang trainieren. Venus ist für alle Marsianer natürlich das Stichwort, über den Girls Day zu lästern, an dem Yolante und ihre Freundinnen Klettern und Segelfliegen, bis sie an den Computer gelassen werden. Die Flaschen sind leer, das Frühstück war gut, also das ist nun wirklich der falsche Ansatz.

Wenn beim ZDF unter großen Vorsichtsmaßnahmen der berühmteste Deutsche gewählt wird, dann ist es an der Zeit, dass hier die berühmtesten Deutschen dieser Branche versammelt werden, von A wie Alois Kirchner bis Z wie Konrad Zuse. Noch eine Liste! Los! (Hal Faber) / (jk)