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Was war. Was wird. Vom Regen (NL) in die Traufe (D).

Keine Atempause. Genau, Geschichte wird gemacht. Jedenfalls ist Wahlkampf. Geschichte wird gemacht? Ach, geh, weg, wo kämen wir denn da hin, klagt Hal Faber: Bob und Alice drehen sich im virtuellen Grab.

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Was war. Was wird. Vom Regen (NL) in die Traufe (D).

Manches Sprichwort ist ungeklärten Ursprungs - vor den Hörnern eines Bocks sollte man sich aber auf jeden Fall in Acht nehmen.

(Bild: Ilona, Public Domain (Lizenz Creative Commons CC0))

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Der Leuchtturm am Safe Harbour ist abgebaut, die Schiffe sind weg, genau wie die gehackten Teslas der italienischen Botschaft. Der Ravezauber durch das Camp ist vorbei und Still Hacking Anyway Geschichte und spurlos verschwunden. Doch Geschichte will nicht nur gemacht, sondern auch verstanden werden, nicht nur im öden Wahlkampfmodus, sonst sind die Ludditen einfach nur Maschinenstürmer. Dabei waren diese Menschen eigentlich frühe Hacker, die mit eigenen Arbeiterkooperativen für ihren Lebensstandard kämpften, wie dies der kybernetische Kommunist Richard Barbrook formuliert. Der war einst mit der kalifornischen Ideologie bekannt geworden und propagiert heute als Corbyn-Berater die App Corbyn Run und freut sich über What was done.

*** Alice und Bob sind das berühmteste Paar der IT-Geschichte. Nicht gerade ein Liebespaar wie Romeo und Julia oder Homer und Marge, aber doch wie ein Paar, das in aller Öffentlichkeit ein Geheimnis miteinander teilen will. Die Geburtsstunde ihrer seltsamen Beziehung war 1978, als Rivest, Shamir und Adleman ihren Aufsatz über das Public-Key-Verfahren in der Kryptografie publizierten. In einem gemütlichen Plausch am Rande der SHA erklärte Phil Zimmermann, wie sehr ihn damals das Paper von RSA elektrifizierte. Das ging soweit, dass Alicebob als Name für sein Programm in der Überlegung war, bevor ihn die Werbung von "Ralph's Pretty Good Groceries" animierte, sein allererstes Programm "Pretty Good Terminal" oder PGT zu nennen. Später entstand dann PGP und neben Alice und Bob tauchte Trent auf, als eine der Instanzen im Vertrauensmodell von PGP. Heute hält Zimmermann das Vertrauensmodell für überholt. Als später auf der SHA im Vortrag über p=p gesprochen wurde, wie das Vertrauensmodell ersetzt werden kann, war Zimmermann längst wieder in Den Haag. So verpasste er, dass Alice und Bob und alle Heiseleserinnen und Heiseleser dafür Geld spenden können, das Kryptografie etwas einfacher wird. Das Projekt gehört jetzt zu denen, für die bei der Wau Holland Stiftung ein Konto eingerichtet wurde, womit Spenden mit Quittungen möglich sind.

*** Bei Facebook experimentieren sie mit Chatbots und so haben es Alice und Bob als solche zu neuem Ruhm gebracht, diesmal nicht mit Key-Chiffren, sondern mit einer selbstentwickelten chiffrierten Sprache, die LOLWUTweit vom Englischen abwich. Prompt gibt es die bekannten KI-Debatten über den Untergang unserer Zivilisation und natürlich einen Vergleich mit der Gefährlichkeit von Nordkorea. Standen Alice und Bob kurz davor, die Herrschaft über die Menschheit an sich zu reißen, wie es die Frankfurter Allgemeine schrieb? Wohl kaum. Jede KI ist großen menschlichen Leistungen weit entfernt. Und auch die Facebook-KIs babbelten einfach nur sinnloses Kauderwelsch. Auch dazu gab es auf dem Camp hinter dem Deich ein paar interessante Aussagen: Was macht wohl eine KI, die alles daran setzt, unsere Privatsphäre zu schützen? Findet sie eine Verschlüsselung, die stärker ist als die Vollbit-Verschlüsselung des Heise-Lieblings Kryptochef? Derweil warnen selbst Regierungsberater, dass Alice und Bob sich ihre sichere Kommunkation an den Hut stecken können, wenn die Regierungen sich von den Sicherheitsparanoikern weiter so ins Bockshorn jagen lassen.

*** Wie auf dergleichen Sommercamps üblich, war die SHA2017 ein großer Familienausflug mit vielen Kindern. Eindrücklich konnte man sehen, wie Smartphones vergnügte junge Wesen begleiteten, die alles andere als verdummt erschienen. Wie, das ist nur eine x-beliebige Korrelation? Aber genau so agumentiert der Panik-Artikel der US-Psychologin, die bereits 2007 vor dem durch Computer geförderten Zusammenbruch der Kindheit warnte. Gegen ihre neue Panikattacke gibt es etliche Einwände, wie den von der Verwechslung von Korrelation und Kausalität. Bittesehr, es gibt auch Studien, die Entwarnung geben. Verdummen Kinder, ist das ein Zeichen, dass sie überbehütet aufwachsen, schreibt gar der Psychiater Jan Kalbitzer, Fachmann für Digitalparanoia. Noch mehr so Bockshörner, und wir verdummen wirklich alle.

*** Paranoia, Schmaranoia, da war doch was? In der Zeitschrift Atlantic, an der mittlerweile das Emerson Collective von Lara Powell Jobs beteiligt ist, erschien eine Geschichte über einen Mitarbeiter des nationalen Sicherheitsrates der USA, der über ein verschwörungstheoretisches Memorandum stolperte und gefeuert wurde. Inzwischen ist das ganze Memorandum online verfügbar und bietet eine Innensicht in die Trumpokratie. Der Text ist wichtiger als das wirre Google-Manifest, das dieser Tage für Furore sorgte und eine ganze Debatte ins Bockshorn jagte. Da gibt also es einen tiefen Staat von "Kulturmarxisten", die sich mit Muslimbrüdern, Bankern, EU-Politikern und bestechlichen Abgeordneten zusammengetan haben, um Trump zu schaden. Diese Kulturmarxisten arbeiten mit Transgender-Regeln, die verhindern, dass "echte Männer" den Sumpf austrocknen können. Dieser tiefe Staat ist das Ergebnis eines Kulturmarxismus oder auch des westlichen Marxismus, der über Jahrzehnte im Weißen Haus gepflegt und gehegt wurde und entscheidend von den Toleranz-Analysen von Herbert Marcuse geprägt wurde. Seine Narrative sind Sätze über den unehrlichen, illegitimen oder korrupten Präsidenten. Das Fazit: Trump muss jetzt zuschlagen, um diesen Sumpf auszutrocknen. Als Trump über seinen Freund Sean Hannity erfuhr, dass der Autor aus dem Weißen Irrenhaus gefeuert wurde, soll er sehr wütend gewesen sein. Die amerikanische Variante einer Dolchstoßlegende ist da und dürfte aktiviert werden, wenn die Trump-Kids bemerken, dass sich nichts ändert. Wir zählen derweil die Bockshörner.

*** Die Konsequenzen von Trumps Politik werden bald von ökonomischen Brüchen begleitet, bei denen Feuer und Wut auf Trumps Amerika hagelt. Man lese, wie Richard Dawkins den Präsident beraten würde, nur um schließlich einzugestehen, dass ein Donald Trump auf niemanden hört – und wenn, dann auf einen Steve Bannon, der ihn mit Weisheiten aus World of Warcraft beglückt. So gehen wir mit Bill und Melinda Gates einen Schritt zurück und befragen einen Ex-Präsidenten, was zu einem gelungenen Leben gehört, natürlich stilecht im VR-Modus. Bockshörner hingen nicht an der Wand des Interview-Zimmers, und waren auch sinst nicht zu finden, wie man hört.

Was wird.

Zurück in Deutschland fielen den erschöpften Heimkehrern von der SHA die Wahlplakate auf, bei denen durch die Bank weg alle Parteien versuchen, sich an Blödheit zu übertreffen. "Nicht Aktenkoffer, sondern Schulranzen verändern die Welt", das klingt schick, ist aber grottenolmfalsch. Es sind die Ideen der Börsenheinis oder der von Jugend forscht, die zur materiellen Gewalt geworden, die Welt verändern. Wo bleibt eigentlich das ehrliche Plakat wie "Zehn Jahre Bundestrojaner. Wir belauschen euch weiter!". So ist das deutsche Dösen ausgebrochen, verbunden mit dem hübschen Zeitvertreib beim Zuschauen, wie sich die Grünen in der Dieselfalle winden und einander würgen. Aber dazu hat ein Kollege das Passende gesagt. Der nächste Gipfel kommt bestimmt.

Genießen wir lieber die Reste des Sommers. Bald startet der Wahl-O-Mat, nur nicht der für das schöne Niedersachsen, wo es auch ran an die Urnen geht, nach einem sorgfältig inszenierten Entlastungsangriff zum Dieselgipfel. Wer unterdessen über die fiesen Algorithmen grübeln will, die hastunichtgesehen so eine Wahl beeinflussen, lädt sich halt die Handreichungen der Deutschen Gesellschaft für Informatik runter. Und bittschön, wer nach dieser Meldung zur SHA Sorge hatte, darf die Zeilen lesen, die die Pressebetreuung des Bundeswahlleiters zur freundlichen Kenntnisnahme schickte: "Der Bundeswahlleiter nutzt einzelne Komponenten der Produkt-Suite IVU.elect für die Bundestagswahl, allerdings in einer speziellen, an die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Bundestagswahl angepassten Version. Die ausgewählten Softwarekomponenten unterstützen den Teilprozess der Wahlen, der in den Zuständigkeitsbereich des Bundeswahlleiters fällt (siehe hier). Diese vom Bundeswahlleiter verwendete Version ist nicht identisch mit der Anwendung, die in den Niederlanden zum Einsatz gekommen ist." Vom Regen, der mit einem gekonnten Wolkenbruch auf der SHA schlussendlich die Kartents demoliert, kommen wir noch früh genug in die Traufe, oder um es mit Luther in diesem noch immer gefeierten Lutherjahr zu sagen: "Wenn man dem Regen entleuft, so kompt man mitten ins Wasser." (jk)