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Was war. Was wird. Von Königen und anderen Einbildungen

Wer sich so alles verabschiedet, lebendig oder nicht, wundert sich Hal Faber über seltsame Korrelationen. Und über seltsame Sehnsüchte.

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"Wir werden die FDP noch vermissen", hieß ein für viele überraschendes Verdikt auf heise online, als die Partei eine krachende Wahlniederlage einfuhr. Nicht ganz so überraschend dürfte das allenthalben zu hörende "Wir werden sie noch vermissen" sein, das selbst ihre Gegner Angela Merkel nachriefen. Zumindest diejenigen, die halbwegs in der realen Realität leben und nicht zu Hassrede neigen. Ob jedoch die Rückkehr der FDP die Prognose von 2013 Lügen straft, wird sich dagegen noch herausstellen müssen.

(Bild: Marian Weyo / Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Millionen sollen den Zapfenstreich gesehen haben, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel verabschiedet wurde. Bei dieser Quote könnte die Blasmusike glatt mit "Wetten, dass ..." konkurrieren. Die optische Anregung, dass Soldaten mit Smileys auf den Helmen diesem anachronistischen Ritual etwas Charme verleihen, sollte die Bundeswehr aufnehmen und umsetzen, wie die nun geänderten Bezeichnungen Offizierin und Unteroffizierin. Es gibt noch viel zu gendern, packen wir's an.

"Ich lebe gerne in einem Land, dessen Armee wenig einsatzfähig Waffen hat, aber Nina Hagen spielen kann." Das Musikcorps der Bundeswehr, nicht etwa beim Großen Zapfenstreich für Angela Merkel, sondern beim Wacken Open Air.

(Bild: Bundeswehr / Afuzi)

*** Ja, um diesen Zapfenstreich ging es schon in der letzten Wochenschau, aber dort fehlte die Meinung von Nina zum Farbfilmlied: "Es ist Schlager durch Zerstörung von Schlager. Der Farbfilm atmet im Hintergrund das giftige Grau von Bitterfeld und die Tristesse von Leipzig. Es spielt im Milieu einer irren Sehnsucht danach, dieser Schwarzweißwelt zu entfliehen, zu Orten voll Farbe und Licht. Da sind die kleinen Fluchten in die Natur, ans Meer, an die endlosen Sandstrände der Ostsee – Rügen, Usedom, Hiddensee – Fluchten ins private Glück, in ein bisschen erotische Freiheit, die zum Guckloch des Paradieses werden." Die Lesart der Sängerin könnte durchaus auch die von Angela Merkel sein. Sie ist vom Osten geprägt. Friedlich fackelten die Fackeln, ganz anders als in Sachsen, wo sich der rechte Mob in Grimma vor dem Haus von Gesundheitsministerin Petra Köpping traf. So zeigten "Freie Sachsen", was der Osten auch ist. Passend dazu gibt es in Sachsen Menschen, die sich ein Kaiserreich oder Königreich wünschen.

*** Schöne westliche Songs sind es, die die Apotheker ihrer Hassliebe Jens Spahn zum Abschied wünschen. Mit "Money, Money, Money" von Abba, "Smooth Criminal" von Michael Jackson ist die Auswahl gelungen und kann mit dem Ost-Kracher "Du hast den Impfstoff vergessen" komplettiert werden. Wenn Spahn selbst von einem "traurigen Höhepunkt zu Weihnachten" spricht, will er es nicht gewesen sein, der seinen Teil zu diesem Höhepunkt beigetragen hat. Die Entscheidung zur Auflösung der Impfzentren gehörte nicht zu seinem Ressort und war Ländersache, doch dagegen hätte er durchaus opponieren und sich gegen den kleinen König Söder stellen können. Vielleicht spricht er sich noch für eine Impfpflicht und für dauerhafte Impfzentren aus.

*** König Söder? Ist Bayern kein Freistaat, sondern ein Königreich? Genau dieser Meinung war offenbar ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes, der bei Beantragung eines Ausweises seinen Geburts- und Wohnsitzstaat als "Königreich Bayern" im Dokument vermerkt haben wollte. Deswegen wurde er vom Bundesverwaltungsgericht nach einer Disziplinarklage des BND aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Wieso ein Reichsbürger im Auslandsnachrichtendienst eines von ihm abgelehnten Staates arbeiten kann und für wen er da eigentlich spionierte, ist eine offene Frage. Der BND kommentiert das nicht und sucht lieber im Darknet nach Terroristen, "ständig auf der Suche nach neuen Methoden, die dunklen Ecken des Internets besser auszuleuchten".

*** Bekanntlich ist das Darknet einer dieser Räume im Internet, die es nach dem Willen deutscher Innenminister einfach nicht geben kann, weil es keine rechtsfreien Räume geben darf. Ihnen sind Verschlüsselung und Anonymität ein Dorn im Auge, auch wenn sie von Messengern wie WhatsApp, Signal und Threema eingesetzt werden. "Diese Kanäle dürfen sich aber nicht zu rechtsfreien Räumen entwickeln, erklärte der CDU-Politiker Thomas Strobl auf der Innenministerkonferenz. Ob "diese Kanäle" tatsächlich so gefährlich sind und sich die Kriminellen nicht das nächste Encrochat-System aufbauen, wird nicht gefragt. Lieber werden fast alle Messenger unter den Vorverdacht gestellt, kriminelle Absprachen zu transportieren. Alle? Aber nicht doch. Der TI-Messenger der Leistungserbringer im Gesundheitswesen soll nicht überwachbar sein, die ärztliche Schweigepflicht und das Patientengeheimnis der Versicherten will man noch nicht kassieren.

*** Die sehr verdienstvollen Journalisten von Netzpolitik, denen ich zu Unrecht einen Schönschreib-Deal unterstellt hatte, haben eine hübsche parlamentarische Anfrage betreffend der Hacker-Behörde ZITiS und ihrer möglichen Geschäftspartner veröffentlicht: "Schon die Angabe, mit welchen Unternehmen die Sicherheitsbehörden in Kontakt stehen und damit die Angabe, mittels welcher technischen Produkte die Sicherheitsbehörden z. B. von der Telekommunikationsüberwachung Gebrauch machen bzw. zukünftig Gebrauch machen könnten, könnte somit zu einer Änderung des Kommunikationsverhaltens der betreffenden beobachteten Personen führen, die eine weitere Aufklärung der von diesen verfolgten Bestrebungen und Planungen unmöglich machen würde. In diesem Fall wäre ein Ersatz durch andere Instrumente nicht möglich." Auch eine Geheim-Einstufung und Hinterlegung in der Geheimschutzstelle des Bundestages ist nicht möglich. Die Informationen sind einfach zu sensibel. Bekanntlich will die kommende Bundesregierung die parlamentarische Kontrolle des Sensibelchens ZITiS einführen. Ob die beauftragten Parlamentarier darüber aufgeklärt werden, wie die Schnüffel-Software Subzero eingesetzt werden soll? Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Das wusste schon der Fäustling.

*** Er schrieb 1974 seine linken Memoiren "Fünf Finger sind keine Faust", in denen er nahezu alles, was von 1956 an in der linken Opposition der Bundesrepublik Deutschland passierte, auf seine Verdienste zurückführte – und auf das Geld, das ihmt die Ostberliner SED zukommen ließ. Er schrieb im Buch bewundernd über seine Ex-Frau Ulrike Meinhof, die er als Journalistin zu seiner Zeitschrift "konkret" lotste und nannte die RAF stets nur Baader-Mahler-Bande. Nun ist Klaus Rainer Röhl im Alter von 93 Jahren gestorben, einen Tag vor seinem Geburtstag. Die politisch wichtigste Rolle spielte Klaus Rainer Röhl im Januar 1959 auf dem Studentenkongress gegen Atomrüstung, den er nach seiner Darstellung im Faust-Buch natürlich ganz alleine organisierte – was schlicht nicht stimmte. Auch die großspurige Behauptung, er habe noch vor Willy Brandt die Ostpolitik von 1974 erfunden und eingeleitet, ist eine Lüge gewesen, die davon ablenken sollte, dass er von Agentenführern instruiert wurde. Dennoch spiele er eine Rolle bei der Entwicklung der Außerparlamentarischen Opposition und der Normalität einer demokratischen Bundesrepublik. Gestorben ist auch Horst Eckel der letzte Überlebende der WM-Gewinner von 1954, auch so eine westdeutsche Erfolgsgeschichte, die den Fußballer bis zur Initiative Kein Platz für Rassismus führte.

Wer noch nicht den Crash der Kryptowährungen verwunden hat, kann Trost und Zuspruch im Kaufrausch mit den schlechtesten Weihnachtsgeschenken suchen. Alternativ kann man sich gleich den Kopf mit pearl.tv lädieren lassen, wie das c't 3003 gekonnt vorgemacht hat. Für andere gibt es wahre Erholung nur in der riesengroßen Kleckerei in der Weihnachtsbäckerei oder eben in der Archivierung der riesengroßen Twitterei, wenn alles vorbei ist. Noch andere grübeln, wie die allgemeine Impfpflicht zuverlässig überwacht werden kann. Blockchain? Warum nicht einfach einen Impf-Chip gleich mitverimpfen? Vielleicht beruhigt sich so die Lage bei den verstörten Verschwörten. Und 45 Prozent aller Befragten wollen Karl Lauterbach als Gesundheitsminister haben. Da geht doch was.

Wer sich den Sonntag mit noch schlimmerer Ohrenpest als beim Rickrollen verderben will, der klicke auf diesen Link zu etwas, das auch Musik sein soll.

(Bild: New Africa / Shutterstock.com)

(jk)