4W

Was war. Was wird. Von einem Zombie-Alarm und Geschichte als Grauen statt als Farce

Die Untoten von Pegida scheinen bereits den politischen Diskurs zu bestimmen, befürchtet Hal Faber. Es gibt wieder gute Menschen und diejenigen, die unwert für Deutschland sind.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 66 Kommentare lesen
Islamische Architektur in Cordoba
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Junge, es wird wieder kalt, da lässt man nicht das Fenster auf, wenn draußen die Untoten von der Pegida durch die Straßen ziehen und über ihre mit Sorge wahrgenommenen Wirklichkeit grölen. Mädchen, ja mach das Fenster zu, wenn Zombies für das Klima kämpfen. Stoßlüften ist das Gebot der Stunde, wenn die Untoten die Straßen verpesten, diese Jungen, die wirklich nichts gelernt haben und nun stammtischhaft einherkommen. Aber sie meinen es ja anders, sie beißen ja nicht, beschwichtigt das Blatt, dem die klugen Köpfe abhand kommen:

Die Motive, die in Dresden Tausende, woanders Hunderte seit Wochen auf die Straßen treiben, haben jedenfalls sehr viel damit zu tun, dass stammtischhafte Beschreibungen einer mit Sorge wahrgenommenen Wirklichkeit als extremistisches Fehlverhalten „demaskiert“ werden. Das ist arrogant, obrigkeitsstaatlich und demaskiert sich selbst. Denn jeder Bürger dieses Landes hat Anspruch darauf zu erfahren, welcher Islam und welche Migration zu Deutschland gehören sollen.

*** Geschichte ereignet sich zwei Mal, einmal als Tragödie, einmal als Farce? Wohl eher als Grauen. Ja, es gibt gute Migranten und Roma, die wir ohne Federlesens abschieben, weil diese Migration nicht zu Deutschland gehören darf. Wir sind schließlich ein Volk der Dichter und Sänger im Land der Lichtgrenze, und wenn das Licht der Aufklärung bis nach Riga geflogen ist, dann ist es hier halt finster und die Zombie-Pegida demonstriert mit AfD-Mitgliedern aus der Mitte der Gesellschaft gegen für Deutschland Unwerte. Welcher wohltuender Unterschied solch ein grünes RT-Mikrofon gegenüber den blauen ARD-Häubchen ausmacht! Deutschland entpuppt sich als das Land der geheimen Putin-Versteher. Wie der das Ding mit diesem Tataren auf der Krim gedreht hat, sagenhaft.

*** Ich greife etwas vor, denn diese Veranstaltung findet erst 2015 statt, aber die in dieser Woche veröffentlichte Ankündigung des Bundes deutscher Kriminalbeamten zeigt schön die Argumentationslinie dieser neuen moralischen Panik:

Flüchtlingsströme aus den umkämpften Gebieten bahnen sich ihren Weg auch zu uns. Der hilflose Umgang und die Überforderung des deutschen Staates mit diesen Flüchtlingen liefern den Nährboden für eine spürbar steigende ausländerfeindliche Haltung. Hooligans und Rechte versuchen, im Internet und auf deutschen Straßen diesen Umstand für ihre Zwecke zu nutzen.

*** Ströme sind gefährlich und müssen kanalisiert werden. Und dieses Internet erst, das jetzt von Hooligans und Rechten und der Sceurity-Szene benutzt wird, was gar nicht angeht. Was diese moralische Panik so gefährlich macht, ist die Unterstellung eines Nichtsagenkönnens. In dieser Woche ist der große Warner Ralph Giordano gestorben, dessen Brief an den damaligen Bundespräsidenten Wulff bei den BRDschatzern von Politically Incorrect veröffentlicht wurde. Heute zählt der Anwurf zur Standardfloskel der Pegidaisten, auch wenn die meisten nichts mit einer "paternalistischen Kultur" anfangen können und lieber "Ausländer raus" rufen:

"Wo sind wir denn, dass wir uns fürchten, zu Ausländer- und Fremdenfeinden gestempelt zu werden, wenn wir uns zu eigenen Wertvorstellungen bekennen? Wo sind wir denn, dass wir uns scheuen müssen, eine paternalistische Kultur, in der das Individuum nichts, die Familie und Glaubensgemeinschaft aber alles ist, integrationsfeindlich zu nennen?"

*** Aufklärung, Aufklärung, das war doch etwas? Richtig, die Geschichte mit dem Vodafone-Handy von Angela Merkel, das in einer Datenbank der sich ständig erweiternden NSA-Dienste geführt wurde, wird vom Generalbundesanwalt nicht weiter verfolgt. Hinter dieser Mitteilung verbirgt sich das ganze Elend der häppchenweisen NSA-"Aufklärung" durch Medien wie "Spiegel" und "Intercept", der gerade mal wieder 10 Screenshots veröffentlichte. Da hat der Spiegel ein Dokument "selbst hergestellt" und berief sich nun auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, als die Ermittler näheres zu dem Dokument wissen wollten. Etwas umständlich wird dann erklärt, dass es sich um eine Abschrift handelte, mit dem Hinweis, dass die gemeinsam mit dem Verschlüsselungsexperten Jacob Appelbaum erzeugte Abschrift vom Blatt selbst nie veröffentlicht wurde. Die Abschrift selbst wurde als Ausdruck im Ayuthaya-Font eines Macs veröffentlicht, dem Standardfont der Thai-Version des Mac OS X. Liest man das ausführliche "Zitat der Abschrift" im Buch über den NSA-Komplex (S. 228), so findet sich der Hinweis auf die National SigInt Requirement List (NSRL), die Liste der Aufklärungsziele und den Zielnamen GE CHANCELLOR MERKEL. Dazu merken die Super-Rechercheure des Spiegels an, dass der Auftrag mit der NSRL-Nummer 2002-388* im Jahre 2002 eingestellt wurde – als GE CHANCELLOR noch Gerhard Schröder war, der meistens die Mobiltelefone seiner Leibwächter benutzte. Kein Wunder, dass der Generalbundesanwalt einen auf "Grundlage des in Augenschein genommenen Beweises" hergestellten Sekundärbeweises nicht akzeptiert und den Beweis nicht bewerten will. Aber eine hübsch aufregende Geschichte war's doch, komplett mit einem Entschuldigungs-Telefonat von Präsdient Obama. Da passt doch gleich ein anderer (Vize)-Präsident ins Bild:

You're not going to use the story, Mr. Scott? No, sir. This is the West, sir. When the legend becomes fact, print the legend.

*** Die Nachrichten aus dem freien Westen über die Praxis der CIA, mit im feinsten Neusprech so genannten "folterähnlichen Methoden" an Informationen zu kommen, sind unappetitlich. Sie dokumentieren mehr als das Versagen eines Dienstes oder eines Staates, sie künden von der Aufgabe der Kommunikation, übrigens auf beiden Seiten. Informationen wurden so offenbar nicht ermittelt. Der ökonomische Aspekt war viel wichtiger: James Mitchell und Bruce Jessen sind die Realnamen der CIA-Psychologen, die sich Schlafentzug, Waterboarding und rektale Ernährung ausgedacht haben. Ihre eigens für das Foltern gegründete Firma "Mitchell, Jessen & Associates" hat für die Verfeinerung der Methoden 81 Millionen US-Dollar kassiert und ist bis zum Jahre 2021 von allen Gerichtsverfahren freigestellt, sollte es doch einmal gelingen, diese Machenschaften vor Gericht zu bringen. Das wäre eine europäische Pflicht, ganz abseits von der Strafbarkeit der Vorgänge in Deutschland.

*** Nun ist die Rolle der Psychologen zwar schon länger bekannt, doch die geschäftlichen Details haben es in sich. Das gesamte, von Obama gestoppte Programm hätte 180 Millionen Dollar gekostet. Die Firma operiert noch heute und bietet zeitgemäß einen besonderen Schutz vor Cyberterror an, weil sie eine "langjährige Erfahrung im Verstehen, Vorhersagen von extremen, hoch-risikoreichen Situationen hat, in denen strategisches Handeln verbessert werden kann". Und weil Religionszugehörigkeiten in diesen besinnlichen Tagen ja besonders gerne diskutiert wird: Die Folterer und fast alle Angestellten der Firma sind Mormonen und gehören der "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" an. Was schließlich zu der Frage führt, wie die Empörung bewertet werden muss.

Aus dem Gefangenen-Zyklus von A. Paul Weber

*** Nach all den Reden über Whistleblower, nach den Preisen für Edward Snowden, Laura Poitras und Glenn "Häppchen" Greenwald erwähnt kein Blatt den Mut von John Kiriakou, der die Folterpraxis aufdeckte und dafür im Gefängnis sitzt. Als gäbe es ein Leistungsverweigerungsrecht, bringt news.google.de nur Nachrichten über einen Handballspieler in der Landesliga hervor und macht John Kiriakou zum Zombie. Dabei sind seine Briefe aus dem Gefängnis lesenswert, beschreiben sie doch, wie Post-Foltermethoden aussehen, wenn Wärter Häftlinge anlügen und hoffen, dass sie dann übereinander herfallen.

Was wird.

Der im Gefängnis sitzende Barrett Brown ist in dieser Wochenschau mehrmals erwähnt worden. Sein Urteil wird am Dienstag erwartet. Die Begründung des Gerichts liegt vor, unterliegt aber dem Geheimschutz. Dagegen hat Brown Einspruch erhoben. Das amerikanische Volk habe ein Recht, zu erfahren, auf welchen Beschuldigungen seine Verurteilung beruhe, schreiben seine Unterstützer. Dagegen hoffen die Kläger, dass das Geheimhaltungsgebot Journalisten davon abhalten wird, über den Fall des Anonymous-Unterstützers zu berichten: Im Westen nichts Neues. (jk)