Kommentar: Weniger neue Podcasts sind gut für Podcasts

Seite 2: Qualität punktet

Inhaltsverzeichnis

In zweiter Linie kommt es auf die Qualität des Angebots an. Niemand wird behaupten, dass die drei Millionen von Listen Notes erfassten Podcast alle gleichmäßig wunderbar sind. Und niemand wartet gebannt auf die nächsten zehntausend Swemps (schon wieder ein mittelmäßiger Podcast).

Hierzu gibt es zwei gute Nachrichten: Erstens ist die Verlangsamung des Wachstums bei neuen Podcastfolgen deutlich langsamer als die Verlangsamung des Wachstums neuer Podcasts. Das deutet darauf hin, dass es weniger neue Podflashes gibt, die nach ein oder zwei Folgen wieder eingestellt werden. Auch wenn theoretisch hervorragende Einzelfolgen-Angebote darunter gewesen sein mögen, ist die Chance auf gute Qualität bei länger laufenden Produktionen höher. (Und nimmt man die Lockdown-Jahre 2020 und 2021 aus, gibt es gar keinen Rückgang des Wachstums, sondern Wachstumsbeschleunigung bei der Zahl der Podcast-Folgen.)

Zweitens verteilt sich die Einbremsung des Zuwachses neuer Podcasts sehr unterschiedlich. Anchor, eine Webseite für gebührenfreies Podcast-Hosting, hat laut Podnews eine sehr starke Verlangsamung des Zuwachses erlebt, während gebührenpflichtige Podcast-Hoster relativ wenig Verlangsamung anzeigen. Zwar ist es keine Garantie, dass ein Podcast, der sich das Hosting etwas kosten lässt, besser ist als ein gratis gehosteter Podcast, aber die Chance ist gegeben.

Wirtschaftlich leben Podcasts von Werbung. Ja, es gibt Abonnements, aber die stoßen im globalen Maßstab bald an ihre Grenzen. Was für einen Deutschen in paar Groschen sind, mag schon in Moldawien unerschwinglicher Luxus sein. Tatsächlich sind Podcasts bei Patreon weit überdurchschnittlich erfolgreich. Sieben der Top 10 Patreon-Empfänger machen Podcasts, und insgesamt sind Podcasts pro Kopf die profitabelste Kategorie auf Patreon: Podcastmacher stellen weniger als acht Prozent aller aktiven Teilnehmer, erhalten aber fast 15 Prozent aller monatlichen Auszahlungen, in der Summe mehr als 3,5 Millionen US-Dollar.

Das ist schön, aber global gesehen ein Minderheitenprogramm. Insider Intelligence erwartet "globale" Podcast-Umsätze von rund 95 Milliarden Dollar im Jahr 2028, wobei "global" hier wohl nur 16 wirtschaftlich starke Länder meint. Ein Dutzend Milliarden auf oder ab, der grundsätzliche Branchentrend ist gesund.

Und während sich das Wachstum am Werbemarkt allgemein einbremst, ist bei Podcasts davon nichts zu merken. Immer mehr Werbetreibende verschieben Budgets zu Podcasts, das Wachstum ist zumindest in den USA deutlich zweistellig. Zwar ist die Zählung der Tausenderkontakte nicht simpel, aber die Zielgruppenansprache klappt und Werbeblocker sind bei Podcasts schwierig. Kurz gesagt, sind Werbetreibende gerne bereit, mehr für Podcasts springen zu lassen. Weil das wirkt.

Vergessen wir die Schlagzeilen. Sorgen um die Podcast-Szene sind verschwendete Liebesmüh'.

Statistik

Die mit Abstand wichtigste Podcast-Sprache ist laut Listen-Notes-Statistik Englisch (über 1,8 Millionen aktive Podcasts) gefolgt von Spanisch (gut 350,000), Portugiesisch (gut 200,000), Indonesisch (gut 140,000) und Deutsch (über 80,000). Das mit Abstand wichtigste Podcast-Land ist ebenfalls keine Überraschung: Die Vereinigten Staaten von Amerika mit 1,95 Millionen Podcasts, gefolgt von Brasilien (fast 200,000), Indonesien (gut 140,000), Deutschland (annähernd 80,000) und Frankreich (rund 58,000).

In den USA ist der Werbemarkt generell sehr stark, was mehr professionell gestaltete Podcasts erlaubt. Als wichtigste Produzenten gelten neben Spotify, das Milliarden in Podcasts investiert hat, Iheartmedia und National Public Radio (NPR). Die nichtkommerzielle Medienorganisation NPR ist bereits 2005 mit über 170 Podcasts auf den Markt getreten.

Als erfolgreichster Podcast gilt die Joe Rogan Experience, die weit überwiegend von Männern gehört wird. Die exakten Einschaltquoten sind nicht bekannt, aber jedenfalls höher als die Zahl der Online- und Papierabonnenten der New York Times, der größten US-Tageszeitung.

(ds)