Klimasünder kommen vor Gericht

Extreme Wetterereignisse machen den Klimawandel inzwischen deutlich spürbar. Nun verklagen Umweltschützer Großunternehmen, um sie dafür bezahlen zu lassen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wächst.

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Energiewende, Klimawandel

(Bild: Gerd Altmann, Lizenz: Public Domain (Creative Commons CC0))

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Bisher konnten sich die großen Verursacher des Kohlendioxid-Anstiegs darauf verlassen, dass niemand ihnen eine Verantwortung für die Folgen des Klimawandels nachweisen konnte. Doch diese Zeiten neigen sich dem Ende zu. "Die Gerichtsprozesse, in denen es in erster Linie um die Auswirkungen der Kohlenstoffemissionen geht, nehmen zu", beobachtet Joana Setzer vom Grantham Institute am Imperial College in London. Allein in den USA landen derzeit rund 20 Klimafälle pro Jahr vor Gericht. Und die Aussichten, solche Prozesse zu gewinnen, werden immer besser, wie eine Analyse in der aktuellen Ausgabe der Technology Review zeigt.

So ließ das Oberlandesgericht Hamm am 13. November 2017 die Beweisaufnahme für eine Klage zu, die den Energiekonzern RWE für seinen Kohlendioxid-Ausstoß zur Verantwortung ziehen soll. Angestoßen hatte sie der Peruaner Saúl Luciano Lliuya, unterstützt von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch: Seine Anden-Stadt Huaraz könnte bald von einem überlaufenden Schmelzwassersee überschwemmt werden, ausgelöst durch den Klimawandel. Nun soll RWE einen Teil der nötigen Staumauer bezahlen.

TR 02/2018

Die kalifornischen Regionen San Francisco und Oakland haben im September 2017 Klage gegen fünf in Kalifornien tätige Ölmultis eingereicht, mit der sich das Gericht inzwischen befasst. Sie sollen für den Ausbau des Stadtdeiches aufkommen, für den San Francisco fünf Milliarden Dollar veranschlagt.

Noch ist der Ausgang der Prozesse nicht abzusehen. Aber jüngste wissenschaftliche Fortschritte nähren die Hoffnung, dass die großen Kohlendioxid-Emittenten den Gerichtssaal nicht ohne Blessuren verlassen werden. Die Ursache dafür sind Fortschritte in der so genannten "Attribution Science", also dem Versuch, einzelne Extremereignissen auf den Klimawandel zurückzuführen. Gelingt dies, könnten die Verursacher für die Schäden haftbar gemacht werden. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm, das die Klage gegen RWE angenommen hat, dürfen derartige Klimamodelle zur Beweisführung herangezogen werden.

Den Anstoß dazu lieferte 2004 der Klimatologen Peter Stott vom britischen Wetterbüro. Er konnte nachweisen, dass sich das Risiko einer Hitzewelle, wie sie 2003 Europa heimsuchte, durch den Klimawandel mindestens verdoppelt hat. Darauf aufbauend haben Forscher um Friederike Otto vom Environmental Change Institute in Oxford das derzeit größte Klimamodell der Welt aufgebaut. Nun können sie Tausende Wetterszenarien mit unterschiedlichen Treibhausgaskonzentrationen berechnen – zum Beispiel mit aktuellen sowie historischen Werten vor Beginn der Industrialisierung.

"Wenn die Wahrscheinlichkeiten eines Extremwetters in den Modellläufen unterschiedlich sind, dann können wir sagen, dass die Klimaänderung diesen Unterschied verursachte", erklärt Otto. "Dabei kann es sich um Unterschiede in der Intensität oder in der Frequenz handeln." Stürme, Regenfälle oder Hitzewellen könnten also entweder stärker sein, häufiger auftreten – oder sogar beides.

In einer viel beachteten Studie hatte Otto mit ihren Kollegen die Ursache einer Hitzewelle untersucht, die Argentinien 2013 mit Temperaturen von bis zu 50 Grad heimsuchte. Die Forscher stellten fest, dass Hitzewellen fünfmal wahrscheinlicher wurden, wenn sie menschengemachte CO2-Emissionen in ihre Modelle einfügten. In einem nächsten Schritt erweiterten sie ihre Modelle um die CO2-Emissionen einzelner Regionen. Das Ergebnis: Hauptverursacher der argentinischen Hitzewelle war Europa, gefolgt von den USA, China und dem restlichen Asien. Argentiniens eigene Emissionen standen erst an fünfter Stelle.

Noch beschränken sich die Erfolge der Simulationen weitgehend auf Hitzewellen. Extreme Regenfälle konnten die Wissenschaftler bislang nicht eindeutig auf den Klimawandel zurückführen. "Aber das heißt nicht, dass diese Ereignisse nie vom Klimawandel beeinflusst werden", sagt Otto. Der Zusammenhang sei eben nur noch nicht sicher genug nachweisbar. Gleiches gilt für einzelne Wirbelstürmen. Zwar ist Konsens, dass sie ganz allgemein zunehmen, aber um ihre Intensität auf den Klimawandel zurückzuführen, benötigen die Forscher sehr viel höher auflösende Daten. So mag es noch einige Zeit dauern, bis die Beweislage sich bessert. Aber schon jetzt ist abzusehen: Für die fossilen multinationalen Konzerne wird es ungemütlich. (Hanns-J. Neubert) / (bsc)