Psychische Probleme machen ITlern zu schaffen

Ein Institut der Rhein-Ruhr-Universität will Strategien für einen vorbeugenden Gesundheitsschutz in der IT-Branche entwickeln.

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Von
  • Frank Möcke

Bedenklich stimmende Zahlen zur gesundheitlichen Belastung von IT-Beschäftigten hat das Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) an der Rhein-Ruhr-Universität Essen und Duisburg zusammengestellt. Gemeinsam mit Partnern aus Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften und Weiterbildungsträgern will es Strategien für einen vorbeugenden Gesundheitsschutz in der IT-Branche entwickeln. Es zählt in einem Arbeitspapier die gesundheitlichen Probleme in der IT-Branche auf.

Danach leiden IT-Beschäftigte in Softwareentwicklungs- und -beratungsprojekten bis zu viermal so häufig unter psychosomatischen Beschwerden (chronische Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und Magenbeschwerden) wie der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland.

40 % zeigen eine Zunahme chronischer Erschöpfung, einem Frühindikator für Burn-out. 30 % haben Probleme, sich zu erholen. Der Gebrauch von Antidepressiva liegt bei IT-Beschäftigten um 60 %, der von Psychopharmaka um 91 % höher als im Durchschnitt aller Beschäftigten.

Als mögliche Gründe für die Zunahme gesundheitlicher Probleme in der IT-Branche nennt das Institut unter anderen

  • Die Projektarbeit: IT-Beschäftigte arbeiten meist in mehreren parallellaufenden Projekten. Dabei kommt es zu widersprüchlichen Arbeitsanforderungen, die als belastend erlebt werden.
  • Die immer kleinteiliger werdende Arbeit: IT-Beschäftigte bearbeiten häufig nur noch bestimmte Module und nicht mehr wie früher übergreifende Prozesse.
  • Belastungseffekte durch neue Managementkonzepte: Viele Unternehmen fordern eine stärkere Selbstorganisation und -kontrolle der Beschäftigten. Vereinbarte Ziele sollen bei einer stärkeren Markt- und Kundenorientierung selbstorganisiert erreicht werden.
  • Veränderungen bei der Leistungsbeurteilung: Aufstiegsmöglichkeiten werden zunehmend an leistungsbasierte Bewertungssysteme gekoppelt, aufwandsbezogene Modelle der Leistungsbeurteilung durch ergebnisorientierte Konzepte ersetzt. Dies fördert die Tendenz zur Ausweitung der Arbeitszeit und Intensivierung der Arbeit.

Dazu kommen die Angst vor Arbeitslosigkeit und die Tatsache, dass eine älter werdende Belegschaft dem permanenten Zwang zur Weiterbildung ausgesetzt ist, die wenig organisiert stattfindet. Die Beschäftigten müssen sich entweder in ihrer Freizeit individuell weiterbilden, oder sie geraten in die Gefahr, ihren Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Besonders ausgeprägt gilt dies für Freiberufler.

In den Führungsetagen geht es nicht besser zu. Das Institut zitiert eine Umfrage aus dem Jahr 2004, bei der 700 europäische IT-Verantwortliche in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern zu ihrer Arbeitssituation befragt wurden. Dort gaben 83 % der Manager an, schlecht zu schlafen, weil sie sich um ihren Arbeitsplatz sorgten. Jeder Dritte hatte Angst, seine Aufgaben nicht bewältigen zu können und ernährte sich von Fertiggerichten, um Zeit zu sparen.

Informationen über das Projekt will das Institut demnächst auf einer Seite zur IT-Gesundheit veröffentlichen. (fm)