100. Todestag von Georg Cantor: Der Meister der Mengen

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Die Mengenlehre setzte sich zunächst nur langsam durch; 1897 wurde sie aber auf dem Internationalen Mathematikkongress in Zürich von der Community anerkannt. Im gleichen Jahr tauchte die erste Antinomie der Mengenlehre auf, 1903 entdeckte der Logiker und Philosoph Bertrand Russell die widersprüchliche Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten.

Georg Cantor in den 1890er Jahren

Nach der Überwindung ihrer Geburtsfehler wurde die Cantorsche Mengenlehre aber zur Basis der gesamten Mathematik und Logik. Ein Meilenstein bedeutete das Axiomensystem von Ernst Zermelo und Abraham Adolf Fraenkel aus den frühen 1920er Jahren. Eine wichtige Ergänzung stellte Zermelos Auswahlaxiom für unendliche Mengen dar.

Neben seiner Haupttheorie entdeckte Georg Cantor in den 1880er Jahren mit der später nach ihm benannten Cantor-Menge das erste Fraktal. Eine ähnliche Idee hatte allerdings schon einige Jahre früher der irische Mathematiker Henry Stephen Smith. 1890 war Georg Cantor Mitbegründer und erster Vorsitzender der Deutschen Mathematiker Vereinigung DMV.

In seiner Freizeit befasste sich Cantor mit Forschungen zum wahren Autor der Shakespearschen Dramen – er war Anhänger der Francis-Bacon-Theorie. Seit den 1884 litt der Mathematiker wiederholt an Depressionen. Im 1. Weltkrieg wurde seine Gesundheit immer schlechter; das letzte Jahr seines Lebens verbrachte er im Sanatorium. Am 6. Januar 1918 starb Georg Cantor in Halle an einer Herzschwäche.

Seine Mengenlehre geriet ab 1968 in die Schlagzeilen. Am 3. Oktober 1968 beschloss die westdeutsche Kultusministerkonferenz, den Rechenunterricht zu reformieren: Spätestens im Schuljahr 1972/73 sollten ABC-Schützen und Sextaner eine verdünnte Form von Cantors Theorie erlernen. In der Folgezeit brachten Verlage ungezählte Bücher und Spiele zur neuen Mathematik heraus.

Spielerische Mengenlehre zur neuen Mathematik

(Bild: Ralf Bülow))

Doch schon im Frühjahr 1974 fragte ein SPIEGEL-Cover: "Macht Mengenlehre krank?" Bis 1984 wurde die Reform Stück für Stück demontiert, und heute erinnern nur noch einige Uni-Sammlungen an die Mathe-Reform. Geblieben ist außerdem die Mengenlehre-Uhr in Berlin, die ein kryptologisches Geheimnis bergen soll. Francis-Bacon-Fan Cantor hätte sich sicher gefreut. (mho)