50 US-Staaten und Territorien untersuchen Google

Gleich 48 Staaten und 2 Territorien suchen bei Google nach Spuren, der Konzern könnte US-Kartellrecht verletzt haben. Auch Facebook wird gefilzt.

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Sundar Pichai

Google-Chef Sundar Pichai wird Unterlagen in erheblichem Umfang herausgeben müssen.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Einen "sehr schlechten Tag für Google" hat der Republikanische US-Senator Josh Hawley am Montag angekündigt. Der Datenkonzern muss sich einer historischen Kartelluntersuchung stellen. Bis auf Alabama und Googles Heimatstaat Kalifornien haben die Justizminister aller US-Staaten am Montag eine gemeinsame Untersuchung von Googles Geschäftspraxis eingeleitet. Das gab es so noch nie.

Auch der Hauptstadtbezirk DC (District of Columbia) sowie das Territorium Puerto Rico sind mit dabei. Damit begeben sich nicht weniger als 50 Behörden auf die Suche nach möglichen Verletzungen des Kartellrechts. Sie sehen eine besondere Marktmacht Googles bei Online-Werbung sowie der Suche im Web. Diese Stellung könnte Google für wettbewerbsschädigendes Verhalten ausgenutzt haben, was Verbraucher geschädigt haben könnte, lautet der Verdacht.

Weitere Themen könnten im Verlauf der Untersuchung hinzukommen. Acht Staaten übernehmen gemeinsam die Hauptaufgabe, Dokumente in enormem Umfang zu sichten.

"Wissen ist Macht, mehr als je zuvor", stellte der texanische Justizminister Ken Paxton fest, der nach außen hin die Führungsrolle übernommen hat. Die wichtigste Informationsquelle sei das Internet. Besondere Marktmacht zu erlangen sei nicht falsch, wenn dies durch freien Wettbewerb geschehe. "Aber wir haben Beweise gesehen, wonach Googles Geschäftspraxis die Auswahl der Verbraucher eingeschränkt, Innovation behindert und die Privatsphäre der User verletzt und Google die Kontrolle über die Verbreitung von Online-Informationen verschafft haben könnte."

"Wenn es keinen freien Markt oder Wettbewerb mehr gibt, erhöht das die Preise, selbst wenn etwas als gratis vermarktet wird, und schädigt Verbraucher", sagte Floridas Justizminister Ashley Moody. "Ist etwas wirklich gratis, wenn wir immer mehr Informationen aus unserer Privatsphäre hergeben?" Damit lässt Moody ein neues Argument anklingen, das in einem später möglichen Kartellverfahren vor Gericht gegen Google vorgebracht werden könnte.

Der klassische Maßstab des US-Kartellrechts für Verbraucherschädigung ist nämlich Preissteigerung. Da die meisten Dienste, die Google Verbrauchern andient, gebührenfrei sind, passt der Maßstab auf den ersten Blick nicht so recht. Doch in Wahrheit bezahlen Nutzer mit ihrer Aufmerksamkeit und der Preisgabe von Daten.

Die US-Staaten wollen ihr Vorgehen mit der bereits seit Juni gegen Google laufenden Untersuchung des US-Bundesjustizministeriums koordinieren. Der betroffene Konzern versucht unterdessen, Gelassenheit an den Tag zu legen. "Über viele Jahre haben wir viele Fragen zu diesen Themen beantwortet", bloggte Google-Manager Kent Walker am Freitag. "Wir freuen uns darauf, zu zeigen, dass wir in Innovation investieren, während wir Dienste leisten, die die Leute mögen, und an starkem und fairen Wettbewerb teilnehmen."

Tatsächlich aber steht Google erheblicher Aufwand ins Haus, selbst wenn keine Gerichtsverfahren folgen sollten. Hinzu kommen der Imageschaden und ein Keim des Misstrauens in der eigenen Belegschaft. Die öffentliche Ankündigung der Untersuchungen soll nicht zuletzt Google-Mitarbeiter dazu animieren, belastendes Material offenzulegen.

Neben Google müssen sich auch andere Datenkonzerne kartellrechtlichen Untersuchungen stellen. Die US-Handelsbehörde FTC (Federal Trade Commission) hat dafür 15 Mitarbeiter abgestellt. Welche Unternehmen untersucht werden verrät die FTC nicht.

Facebook hat allerdings bestätigt, Ziel einer FTC-Untersuchung zu sein. Vergangene Woche haben dann die Justizminister von sieben US-Staaten und dem Hauptstadtbezirk Columbia ihrerseits mitgeteilt, sich gemeinsam Facebook vorzunehmen. Sie wollen feststellen, ob Facebook Verbraucherdaten gefährdet, Werbepreise erhöht oder die "Qualität der von Verbrauchern getroffenen Entscheidungen" reduziert habe. Darüber hinaus hat der US-Kongress eine Reihe von Verhören Amazons, Apples, Facebooks und Googles anberaumt.

Überhaupt erlebt das US-Kartellrecht einen Aufschwung als politisches Instrument. US-Präsident Donald Trump versucht beispielsweise, damit gegen Autokonzerne vorzugehen, die freiwillig strengere Abgasnormen akzeptiert haben. BMW, Ford, Honda und Volkswagen haben sich im Juli mit dem bevölkerungsreichsten US-Staat Kalifornien auf bestimmte Abgasregeln verständigt.

Trump will Kalifornien daran hindern, eigene Vorschriften umzusetzen, die strenger sind als die bundesrechtlichen. Freiwillige Kooperation der Autokonzerne mit Kalifornien passt nicht in sein Konzept. Unstrittig ist, dass die strengeren Abgasnormen zu höheren Preisen führen. Eine Verabredung vier großer Automobilhersteller zum Einsatz preissteigernder Technik könnte also ein illegales Kartell darstellen. Die US-Regierung untersucht nun den Abgas-Deal. (ds)