5G-Auktionsurteil: Große Sorge über politische Einflussnahme auf den Regulierer​

Verbände der Telekommunikationsbranche mahnen, dass die Bundesnetzagentur nicht der Erfüllungsgehilfe der Politik sein dürfe. Richter beklagten zuvor Kungelei.​

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Mobilfunkmast

Mobilfunkmast in Ostholstein

(Bild: heise online / anw)

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Teile der Telekommunikationswirtschaft monieren, dass die vom Verwaltungsgericht Köln in ungewohnt scharfen Worten festgestellte Kungelei insbesondere zwischen dem einstigen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Andreas Scheuer (CSU), der Bundesnetzagentur und großen Netzbetreibern kein Einzelfall ist. "Wir beobachten die politische Einflussnahme auf wichtige Marktentscheidungen der Bundesnetzagentur mit großer Sorge", erklärte Frederic Ufer, Geschäftsführer des Branchenverbands VATM, am Dienstag. Das Gericht habe mit seiner Entscheidung, wonach die von der Präsidentenkammer der Regulierungsbehörde aufgestellten Vergabe- und Auktionsregeln für die 2019 durchgeführte Versteigerung der 5G-Frequenzen rechtswidrig sind, "vor allem die Politik klar in die Schranken gewiesen".

"Die Bundesnetzagentur ist nicht der Erfüllungsgehilfe der Politik – weder bei der Frequenzvergabe noch bei Leerrohrentscheidungen", betont Ufer. Die Aufsichtsbehörde sei mit ihrem Know-how als Wettbewerbshüter unverzichtbar. "Leider beobachten wir, dass die Verlockung des Einwirkens von Seiten der Politik groß ist", moniert der Branchenvertreter. Auch das Agieren des aktuellen Bundesdigitalministeriums im Frühjahr anlässlich des Zwischenberichts der bei der Bundesnetzagentur geführten Monitoringstelle zum strategischen Überbau sei aus Sicht der Konkurrenten der Deutschen Telekom "sehr unglücklich".

Die Politik tue niemandem einen Gefallen, wenn sie auf die regulatorische Entscheidungsfindung einwirke, merkte Ufer an. Die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur sei ein hohes Gut, da der Wettbewerb in der Branche "jeden Tag aufs Neue verteidigt werden" müsse. Sechs Jahre nach der 5G-Mobilfunkvergabe drohe nun, dass das Kapitel der Regulierung neu aufbereitet werden müsse. Rechtssicherheit für alle Beteiligten sehe anders aus.

Als "schallende Ohrfeige für die Bundesnetzagentur" wertete Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko), die Ansage aus Köln. Offenbar sei die damalige Leitung der Regulierungsbehörde "befangen, voreingenommen gegenüber wettbewerbsfördernden Maßnahmen und alles andere als unabhängig" gewesen. Im Lichte des Urteils sollte die 2019 rechtswidrig verhinderte Diensteanbieterverpflichtung bei der noch in diesem Jahr anstehenden Entscheidung zur Frequenzverlängerung endlich eingeführt werden, um echten Wettbewerb im Mobilfunk zu ermöglichen. Damit müssten die Telekom & Co. einen Teil ihrer Kapazitäten an Wettbewerber vermieten, die keine eigene Infrastruktur haben.

Die Entscheidungen zum DSL-Turbo Vectoring und die Akzeptanz bloßer Zusagen der Telekom lassen Albers befürchten, dass sich die jetzt gerichtlich festgestellten Mauscheleien nicht auf den Mobilfunk beschränkt haben, sondern auch den Festnetzbereich betrafen. Die neue Leitung der Bundesnetzagentur müsse nun ihre Unabhängigkeit unter Beweis stellen und vor allem dem strategischen Glasfaser-Doppelausbau des Magenta-Konzerns Einhalt gebieten.

Die Kläger EWE TEL und Freenet sind sich einig, dass beim Regulierer großer Handlungsbedarf besteht. Das Gericht habe dokumentiert, dass das reine Verhandlungsgebot zwischen den großen Netzbetreibern und Diensteanbietern "seinen Weg in die Präsidentenkammerentscheidung nur aufgrund rechtswidriger Einflüsse gefunden hat", zeigte sich eine Freenet-Sprecherin gegenüber heise online zufrieden über die jetzt herrschende Klarheit. Zwar könne die Aufhebung der 5G-Vergabeentscheidung die für den Wettbewerb verlorenen Jahre nicht rückgängig machen. Aber nun stehe einer "Entscheidung im Verbraucherinteresse nichts mehr entgegen".

Freenet setzt laut der Sprecherin jetzt "auch vor dem Hintergrund des laufenden Frequenzvergabeverfahrens darauf, dass die Bundesnetzagentur der Aufforderung des Gerichts zeitnah folgt". Der Regulierer müsse dabei das nunmehr endgültig "verbrannte Verhandlungsgebot wieder durch eine wirksame Wettbewerbsregulierung" ersetzen, also etwa durch eine Diensteanbieterverpflichtung.

"Das Verhandlungsgebot hat auch für uns nicht funktioniert", berichtete eine Sprecherin von 1&1 gegenüber heise online. Der Newcomer ergatterte bei der Versteigerung 2019 zwar auch Spektrum, aber in deutlich geringerem Umfang als die Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland. "Es hat über fünf Jahre gedauert, bis wir vergangene Woche einen National-Roaming-Vertrag abschließen konnten – im Netz von Vodafone", hieß es von 1&1 weiter. "Übergangsweise mussten wir uns mit diskriminierendem National-Roaming von Telefónica behelfen, welches auf EU-Fusionsauflagen aus 2014 basierte." Das Unternehmen, dessen 5G-Netzausbau immer wieder auf Hindernisse stößt, wolle daher vor weiteren potenziellen Schritten die noch nicht vorliegende Begründung des Urteils genau prüfen.

(mki)