81 europäische Medienseiten sollen in Russland gesperrt werden

Russlands Behörden wollen 81 europäische Medien sperren. Sie reagieren damit auf Sanktionen der EU gegen russische Medien in Europa.

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Eine Russlandfahne als Taste auf einer Tastatur

Den Zugang zu 81 europäischen Medien wollen die russischen Behörden in ihrem Land sperren. Das sorgt für Empörung.

(Bild: Maxim Gaigul/Shutterstock.com)

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Russland hat 81 europäische Medienunternehmen auf eine Schwarze Liste gesetzt und den Zugang zu diesen gesperrt. Das Land reagiert damit auf ein Ausstrahlungsverbot mehrerer russischer Medien in Europa, das die EU ihrerseits als Sanktionen ausgesprochen hatte. Das Vorgehen sorgt für Empörung.

Russland wirft den gesperrten Medien, zu denen aus Deutschland Der Spiegel, Die Zeit und die Frankfurter Allgemeine Zeitung gehören, vor, "systematisch ungenaue Informationen über den Verlauf der besonderen Militäroperation" zu verbreiten, teilte das russische Außenministerium am Dienstag auf seiner Webseite mit. Wie der Rundfunkempfang und die Erreichbarkeit über Internet technisch eingeschränkt werden, wurde nicht bekannt.

In Österreich traf es die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ORF und die Mediengruppe Österreich. Auch der deutsch-französische Sender Arte steht auf der Verbotsliste. Frankreich ist mit insgesamt neun gelisteten Unternehmen der am stärksten von Moskau sanktionierte EU-Staat.

Die EU-Staaten hatten im Mai 2024 Sanktionen gegen die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die Regierungszeitung "Rossiskaja Gaseta", die Plattform "Voice of Europe" sowie die kremlnahe Zeitung "Iswestija" beschlossen, zu der auch ein Fernsehsender gehört. Damit werden sie in der gesamten EU gesperrt. Nach Angaben der EU-Staaten dürfen die Medien und ihre Mitarbeitenden aber weiter in der EU arbeiten. Die Sperrung ist am Dienstag in Kraft getreten.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DLV) forderte das russische Außenministerium auf, die Sperre nicht umzusetzen. "Wenn auf das verbale Säbelrasseln des Moskauer Außenministeriums Taten folgen, ist das ein massiver Eingriff in die Pressefreiheit, wie er selbst in Russland seinesgleichen sucht", kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. Es sei unzumutbar, dass Außenminister Sergej Lawrow seine Propagandakanäle auf ein Niveau mit journalistischen Qualitätsmedien wie Spiegel, Zeit, FAZ, Le Monde, El Pais oder ORF zu heben versuche. "Unsere Medien dürfen nicht zu Spielbällen auf dem internationalen politischen Parkett werden." Beuster erwarte von den europäischen Institutionen sowie vom Auswärtigen Amt in Berlin eine deutliche Antwort auf die angedrohte Nachrichtensperre.

Der Hohe Vertreter der EU für Sicherheits- und Außenpolitik, Josep Borrell, bezog am Mittwoch Stellung: "Die EU verurteilt die völlig unbegründete Entscheidung der russischen Behörden, den Zugang zu über achtzig europäischen Medien in Russland zu blockieren." In seinem Statement betonte Borrell, die europäischen Medien arbeiteten nach journalistischen Prinzipien und Standards. "Sie geben sachliche Informationen, auch an das russische Publikum, einschließlich über Russlands illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine." Die russischen Medien, gegen die die EU ein Ausstrahlungsverbot ausgesprochen hat, bezeichnete er hingegen als "Desinformations- und Propagandakanäle". "Ihre Sendetätigkeit in der EU wurde ausgesetzt, da diese Sender unter der Kontrolle der russischen Behörden stehen und zur Unterstützung des Angriffskriegs gegen die Ukraine beitragen", ssagte Borrell. Die EU werde weiter unterstützen, dass auch das Publikum in Russland Zugang zu Sachinformationen habe.

In der Mittagspressekonferenz der EU-Kommission sagte der zuständige Pressesprecher Peter Stano, die Entscheidung Russlands sei unbegründet und in erster Linie politisch motiviert und erschwere der russischen Bevölkerung den ohnehin schon schwierigen Zugang zu unabhängiger Information. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte, man verurteile Russlands Vorgehen aufs Schärfste. "Dieser Schritt ist absolut unverständlich und durch nichts zu rechtfertigen", hieß es seitens der Behörde. Kritische Berichterstattende unterlägen immer stärkeren Repressionen. Zudem werde kritisches politisches und zivilgesellschaftliches Engagement in Russland verstärkt unterdrückt und kriminalisiert. "Immer mehr Journalistinnen und Journalisten werden festgenommen, unabhängige Medien ins Ausland gedrängt. Es wird bewusst eine Atmosphäre der Angst geschaffen", sagte die Sprecherin. "Unabhängiger Journalismus ist in Russland kaum noch möglich. Putin fürchtet sich davor, dass seine eigene Bevölkerung Zugang zu Informationen und unabhängigen Meinungen bekommt."

Aus dem österreichischen Außenministerium hieß es: "Diese Entscheidung ist ein weiterer, wenn auch wenig überraschender Schritt (des russischen Präsidenten Wladimir) Putins, die Medienvielfalt zu unterdrücken und so die eigene Bevölkerung im Dunkeln zu halten." Der Geschäftsträger der russischen Botschaft in Österreich wurde in das Ministerium zitiert.

Das Außenministerium in Moskau spielte den Ball zur EU zurück: Hebe die EU die Beschränkungen für russische Medien auf, werde auch Russland seine Entscheidung überdenken.

In Russland sind viele Medien, die kritisch über die Politik von Kremlchef Wladimir Putin berichten sowie Tausende Webseiten im Internet blockiert. Sie sind – wie auch die gesperrten europäischen Medien – nur mit Hilfe eines VPN-Servers erreichbar.

Update

Nachtrag des nun vorliegenden Statements des Auswärtigen Amts.

(are)