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ARM-Macs mit "Thunderbolt / USB 4": Das USB-Namenschaos geht weiter Update

| Florian Müssig

Die "Thunderbolt / USB 4"-Buchsen neuer M1-Macs haben mit Thunderbolt 4 oder USB-4-Geschwindigkeit wenig zu tun - was am USB-Standard liegt und nicht an Apple.

Als Apple vor einigen Tagen seine neuen MacBooks (Air/Pro) und den Mac Mini mit hauseigenem M1-Prozessor enthüllte, war ein interessanter Aspekt die Integration von USB-C-Buchsen mit Thunderbolt. Diese rasante Schnittstelle ist bei Apple Standard, aber eben auch eng mit Co-Entwickler Intel verbunden – von dem sich Apple just zugunsten eigener ARM-Prozessoren abgewandt hat.

Umso erstaunlicher war, dass die USB-C-Anschlüsse als "Thunderbolt / USB 4" bezeichnet wurden: Sollte Apple tatsächlich bereits in seinem ersten CPU-Entwicklungsschritt Thunderbolt 4 oder USB 4 integriert haben – also die neusten Revisionen beider Spezifikationen, die nicht einmal ein Jahr alt sind? Ein Blick ins Datenblatt verrät: Nein – mit einem nachgestellten, dicken "Aber  ..."

ARM-Macs: Apples Umstieg auf eigene Prozessoren

Die neuen M1-Macs beherrschen wie bisherige Macs Thunderbolt 3. Apple verwendet dem Datenblatt nach [10] (genaueres werden erst Geräte-Teardowns in Laufe der nächsten Woche zeigen) wohl einen altbekannten Zusatzchip von Intel. Dieser agiert als eigenständiger Thunderbolt-Controller und enthält zusätzlich auch einen USB-Hostcontroller für Gen-2-Datentransfers mit 10 GBit/s.

Der Knackpunkt im letzten Satz ist "eigenständig": Es gibt neuere Thunderbolt-Chips von Intel, die sich darauf verlassen, dass im SoC-Prozessor bereits ein Teil der Thunderbolt-Logik steckt und diese selbst nicht mehr enthalten. Bei Core-i-Prozessoren der zehnten Generation ist Thunderbolt-3-Logik enthalten, bei der jüngst vorgestellten elften Core-i-Generation das neuere Thunderbolt 4. Letzteres gibt es bislang deshalb nur an damit bestückten Notebooks. Ein eigenständiger Thunderbolt-4-Controller, den man an beliebige SoCs ankoppeln könnte, existiert unseres Wissens nach bislang weder von Intel noch von anderen Herstellern. Immerhin: Thunderbolt 3 und Thunderbolt 4 haben dieselbe Nutzdatenrate von 40 GBit/s, sodass Thunderbolt 4 in dieser Hinsicht keine Vorteile böte.

Dass es keine neue Geschwindigkeitsstufe gibt, liegt daran, dass die Weiterentwicklung von Thunderbolt als separatem Standard eingestellt wurde: Intel hat die Spezifikation dem USB-Standardisierungsgremium USB-IF übergeben, welche darauf aufbauend USB 4 normiert haben [11] – mit der von Thunderbolt bekannten, aber für USB neuen maximalen Datenrate von 40 GBit/s. Das USB-IF hat gewisse technische Feinheiten geändert, weshalb bisherige Thunderbolt-3-Controller nicht vollständig zu USB 4 kompatibel sind. Dem aufmerksamen Leser wird an dieser Stelle ein Fragezeichen vorschweben: Warum bewirbt Apple die USB-C-Buchsen der M1-Macs dann mit USB 4?

"Thunderbolt / USB 4" in der Überschrift und "Thunderbolt 3 (bis zu 40 GBit/s)" sowie "USB 3.1 Gen 2 (bis zu 10 GBit/s)" bei den Geschwindigkeitsangaben ist verwirrend, aber korrekt.

(Bild: Apple, Screenshot)

Das liegt daran, dass alle Hersteller in ihren Datenblättern angeben können, gemäß welcher USB-Revision sie die Anschlüsse getestet haben – und nicht, welche maximale Geschwindigkeitstufe die Ports bieten. Zwar kam mit jeder (Sub-)Revision des USB-Standards eine neue Geschwindigkeitsstufe hinzu, doch allein der Abwärtskompatibilität wegen sind natürlich auch alle bisherigen Stufen enthalten – die sogenannten Generationen. USB 3.0 brachte den Gen-1-Speed von 5 GBit/s, mit USB 3.1 kam 10 GBit/s alias Gen 2 hinzu. Das wenig verbreitete USB 3.2 brachte 20 GBit/s alias Gen 2x2, während die mit USB 4 hinzugekommene und von Thunderbolt abgeleitete 40-GBit/s-Stufe [12] offiziell Gen 3x2 heißt. Ohne die Gen-Angabe kann man also nicht verbindlich sagen, welche Geschwindigkeit eine USB-Buchse bietet.

Wie das USB-IF c't auf Nachfrage mitteilte, genügt es für eine USB-4-Angabe, wenn mindestens die erstmals mit USB 3.1 eingeführte Gen-2-Geschwindigkeitsstufe von 10 GBit/s an Bord ist. Dass Gen 3x2 nicht zwingend unterstützt werden muss, war bislang bereits bekannt – aber nicht, dass dasselbe auch für Gen 2x2 gilt. Immerhin: Gen 1 alias USB-3.0-Geschwindigkeit (5 GBit/s) reicht nicht aus – jedenfalls als Design-Ziel für Entwickler. Entsprechende Peripherie wird natürlich abwärtskompatibel in diesem Modus betrieben, und die 5-GBit/s-Stufe ist generell ein technischer Fallback, falls etwa ein angestecktes Kabel zu schlecht für einen 10-GBit/s-Betrieb ist.

Das mit USB 3.2 eingeführte, aber bestenfalls in homöopathischen Dosen verbreitete 20-GBit/s-USB bekommt dadurch praktisch einen Todesstoß versetzt, weil es zwischen den Stühlen sitzt: Für USB-Sticks & Co. sind die etablierten 10 GBit/s weiterhin mehr als ausreichend; wenn es hingegen auf maximale Geschwindigkeit ankommt, gibt es mit 40 GBit/s gleich noch was Schnelleres.

Apple kann somit völlig korrekt in den Datenblättern der M1-Macs schreiben, dass die Buchsen gemäß neuester USB-4-Norm gecheckt wurden, aber eben auch nur die erstmals mit USB 3.1 eingeführte Geschwindigkeitsstufe von 10 GBit/s bieten. Zusätzlich gibt es auch 40 GBit/s – aber nicht gemäß des nagelneuen USB 4, sondern über das vergleichsweise betagte Thunderbolt 3. Letzteres wurde schließlich in etwa zur selben Zeit wie USB 3.1 verabschiedet – woraus sich wiederum erklärt, warum Intels eigenständiger Thunderbolt-Controller, den Apple mutmaßlich verwendet, beides kann. Die Namensverwirrung wird seit USB 3.1 also mit jeder weiteren USB-Revision schlimmer statt besser.

Man kann übrigens nicht einmal davon ausgehen, dass zeitgleich erscheinende, ähnliche Geräte identische USB-Angaben haben. Außer den M1-Macs erscheinen dieser Tage auch die neuen Spielkonsolen Playstation 5 und Xbox Series X/S. Sony spricht in seinen Datenblättern von USB 3.2 Gen 2 und Microsoft von USB 3.1 Gen 1. Auf die Geschwindigkeit heruntergebrochen bedeutet das, dass Sony die bereits mit USB 3.1 hinzugekommene 10-GBit/s-Stufe bietet (aber nicht das 20-GBit/s-USB von USB 3.2) und Microsofts Entwickler sich mit der ursprünglichen USB-3.0-Geschwindigkeit von 5 GBit/s begnügten (statt 10-GBit/s-USB, das mit der 3.1er-Revision debütierte).

Und wie passt Thunderbolt 4 ins Bild? Nun, Thunderbolt bietet seit jeher mehr als USB-Datentransfers: Man kann auch PCI-Express- oder Monitorsignale darüber an externe Geräte übertragen. All das wurde ebenfalls in die USB-4-Spezifikation aufgenommen – aber wie die neueren Geschwindigkeitsstufen nicht verpflichtend, sondern optional.

Auch klassisches Thunderbolt 3 ist eine Untermenge des USB-4-Standards geworden. Der neuere Thunderbolt-4-Standard bringt deshalb zwar keine höhere Geschwindigkeit mit sich, sondern agiert als Retter im Bezeichnungschaos: Es baut auf USB 4 auf und macht die zusätzlichen, im USB-Universum neuen Optionen verpflichtend. Zusätzlich wurden die Minimalanforderungen erhöht – etwa, dass sich zwei 4K-Monitore ansteuern lassen. Über Thunderbolt 3 ist das zwar auch möglich, doch verpflichtend war nur ein 4K-Bildschirm.

Ausschnitt aus den Spezifikationen von Thunderbolt 4, Thunderbolt 3, USB 4 und USB 3.x

(Bild: Intel, Screenshot)

Das ist dann wiederum wohl der Grund, warum Apple unspezifisch mit "Thunderbolt / USB 4" wirbt, also ohne Ziffer hinter Thunderbolt. Ehrlicher wäre "Thunderbolt 3 und USB mit 3.1-Geschwindigkeit" – nur klingt das natürlich nicht so modern beim ersten Notebook mit hauseigenem Prozessor, das sich in diesem Punkt hinter Intel anstellen muss. Dass man Thunderbolt 4 derzeit nur in teuren Notebooks mit elfter Core-i-Generation vorfindet, ist derzeit ein Plattform-Vorteil von Intel: Als Miterfinder von Thunderbolt und maßgeblichem Mitglied im USB-IF hatte man schlicht einen Entwicklungsvorsprung, was die Hardware-Implementierung von USB 4 beziehungsweise Thunderbolt 4 betraf. Allerdings ging auch Intel den Weg des geringsten Widerstands: Wie Nachmessungen zeigen, ist auch bei Thunderbolt-4-Notebooks anders als erwartet kein 20-GBit/s-USB drin, sondern lediglich altbekanntes 10-GBit/s-USB.

Mehr von c't Magazin Mehr von c't Magazin [13]

Weil die Thunderbolt zugrundeliegende Technik jetzt allen USB-IF-Mitglieder offensteht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis andere Hersteller oder Zulieferer eigene Controller-Implementationen verwenden. Das gilt dann nicht nur für Hersteller von USB-4- beziehungsweise Thunderbolt-4-Docks (solche gibt es bislang nicht) oder Apple, sondern natürlich für andere CPU-Anbieter wie AMD. Den Ryzen-Prozessoren stünde 40-GBit/s-USB schließlich auch nicht schlecht, wenngleich eine solche Integration aber wohl noch mindestens zwei Jahre dauern wird.

Ob es bei Apple viel früher klappt, bleibt abzuwarten. Die oberste Entwicklerpriorität dürfte nach wie vor haben, das gesamte Mac-Lineup bis hinauf zum Mac Pro auf verschiedene hauseigene Prozessoren umzustellen. Ein eigener UBS-4- / Thunderbolt-4-Controller im hauseigenen ARM-Prozessor wäre ein nettes Sahnehäubchen. Ein zugekaufter Thunderbolt-Chip von Intel (oder eines anderen Zulieferers) ist bis dahin aber weit mehr als nur ein Notnagel, falls Entwicklungsressourcen knapp werden: Es gibt mit Thunderbolt 4 schließlich keine höhere Maximalgeschwindigkeit, sondern nur mehr Komfort dank erweiterter Abwärtskompatibilität.

[Update 19.11. 19:35 Uhr: Inzwischen gibt es erste Teardowns von M1-Macs, woraus sich neue Erkenntnisse ergeben haben [14].]

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[1] https://www.heise.de/hintergrund/Apple-M1-Der-Anfang-von-Intels-Ende-oder-nicht-4958885.html
[2] https://www.heise.de/news/ARM-Macs-Mehr-Details-zum-Apple-M1-4958755.html
[3] https://www.heise.de/news/Kommentar-Der-neue-Mac-zwischen-Altbackenem-und-der-Zukunft-des-Computers-4954675.html
[4] https://www.heise.de/news/ARM-Macs-mit-Thunderbolt-USB-4-Das-USB-Namenschaos-geht-weiter-4958692.html
[5] https://www.heise.de/news/Kein-Thunderbolt-4-keine-neue-Webcam-keine-eGPU-Was-den-ARM-Macs-fehlt-4954109.html
[6] https://www.heise.de/news/Mac-Rechner-mit-ARM-Prozessoren-Wi-Fi-6-und-6K-Unterstuetzung-fuer-alle-4954185.html
[7] https://www.heise.de/news/Apple-praesentiert-ARM-Mac-mit-Achtkernprozessor-4953652.html
[8] https://www.heise.de/news/Eigene-Chips-Apple-wirbt-Intel-Ingenieure-ab-4062889.html
[9] https://www.heise.de/news/Apple-schnappt-ARM-seinen-Lead-CPU-Architect-weg-4456091.html
[10] https://www.apple.com/de/macbook-air/specs/
[11] https://www.heise.de/news/Aus-Thunderbolt-3-wird-USB-4-4324403.html
[12] https://www.heise.de/news/Startschuss-fuer-Thunderbolt-4-Bestes-USB-ohne-Namenschaos-4839046.html
[13] https://www.heise.de/ct/
[14] https://www.heise.de/news/ARM-Macs-Thunderbolt-3-im-M1-SoC-aber-Retimer-Bausteine-fuer-Thunderbolt-4-4966168.html
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