ARM torpediert Windows on ARM: Vernichtung aller PCs mit Snapdragon X verlangt

Es wirkt gerade zu abstrus: ARM könnte erstmals bei PCs relevant werden. Die Firma selbst torpediert das Unterfangen jedoch.

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Qualcomm Snapdragon X Plus auf einem Mainboard verlötet

Qualcomms hier gezeigter Snapdragon-X-Prozessor ist ARM ein Dorn im Auge, weil die Firma mehr LizenzgebĂĽhren haben will.

(Bild: c't / mue)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

ARM und Qualcomm haben ihren Lizenzstreit nach beinahe zwei Jahren immer noch nicht beigelegt. Die Fronten sind dermaßen verhärtet, dass Qualcomm kürzlich eine Gegenklage gegen ARM eingereicht hat und ARM einen Verkaufsstopp aller PCs mit Snapdragon-X-Prozessor durchsetzen will.

Grund ist weiterhin Qualcomms Ăśbernahme des Start-ups Nuvia, das ab 2019 unter FĂĽhrung frĂĽherer Apple-Ingenieure einen eigenen ARM-Kern entwickelt hat. Eigentlich wollte Nuvia diesen Kern in Serverprozessoren einsetzen und hat dafĂĽr eine ARM-Lizenz erworben.

Qualcomm hat diesen Kern allerdings als "Oryon" fĂĽr die PC-Prozessoren Snapdragon X Elite und Snapdragon X Plus umfunktioniert und will ihn vermutlich kĂĽnftig auch in Systems-on-Chip (SoCs) fĂĽr Smartphones einsetzen. ARM argumentiert, dass die bestehenden Lizenzvereinbarungen den Einsatz eines Custom-Kerns nicht abdecken wĂĽrden.

In einer Klage vom August 2022 vor dem US-Bezirksgericht von Delaware (Fallnummer 1:22-cv-01146) lieĂź ARM verlauten:

"Qualcomm hat Nuvia dazu veranlasst, seine ARM-Lizenzen zu verletzen, was ARM dazu brachte, diese Lizenzen zu kündigen, was wiederum Qualcomm und Nuvia dazu verpflichtet, die Verwendung von ARM-basierter Technologie, die im Rahmen der Lizenzen entwickelt wurde, einzustellen und zu zerstören."

In einer Stellungnahme gegenĂĽber der Nachrichtenagentur Reuters beharrt ARM auf seinem Standpunkt:

"Bei der Klage von ARM gegen Qualcomm und Nuvia geht es um den Schutz des ARM-Ökosystems und der Partner, die sich auf unser geistiges Eigentum und unsere innovativen Designs verlassen, und daher um die Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung von Qualcomm, die Nuvia-Designs, die von der ARM-Technologie abgeleitet wurden, zu zerstören und nicht mehr zu verwenden."

Im Klartext heißt das, Acer, Asus, Dell, HP, Microsoft, Lenovo, Samsung und andere kleinere Hersteller sollen alle Notebooks beziehungsweise Mini-PCs mit den Snapdragon-X-CPUs zerstören.

Womöglich ist das der Grund, warum Microsoft angeblich in Zukunft lieber mit Mediatek und Nvidia als mit Qualcomm zusammenarbeiten möchte.

Qualcomm hat am 18. April 2024 Gegenklage gegen ARM eingereicht, ebenfalls im US-Bezirksgericht von Delaware (Fallnummer 1:24-cv-00490). Darin sammelt die Firma alle VorwĂĽrfe gegen ARM der letzten Jahre. Einige Perlen aus der Klageschrift:

"In diesem Zusammenhang hat ARM versucht, die technologischen Fortschritte von Qualcomm bei der Entwicklung von CPUs zu unterdrücken, indem es Qualcomm im Rahmen des ARM-Architektur-Lizenzvertrags (ALA) bezahlte und fällige Leistungen absichtlich vorenthielt, die Existenz dieser Leistungen falsch darstellte, als Qualcomm ARM schriftlich darüber informierte, dass die Leistungen nicht erbracht wurden, und drohte, Qualcomms Lizenzen zu kündigen, falls Qualcomm versuchen sollte, sein vertragliches Recht auf die betreffenden Leistungen durchzusetzen."

"Schließlich hat ARM [...] absichtlich Leistungen zurückgehalten, auf die Qualcomm gemäß seiner ALA mit ARM Anspruch hat, und zwar unter dem Vorwand, dass Qualcomms ALA keinen Anspruch auf Unterstützung für 'Nuvia-basierte Technologie' hat. Die Ausrede von ARM ist ungerechtfertigt, und der Verstoß könnte nicht deutlicher sein."

"ARM hat seinen Lieferverzug nie behoben, was Qualcomm dazu veranlasst hat, zusätzliche, unnötige Ressourcen für die Entwicklung und Überprüfung seiner Produkte aufzuwenden."

Offensichtlich will ARM ein neues Lizenzmodell durchdrücken, um mehr Umsatz zu generieren. Es soll vor allem darum gehen, die Lizenzkosten am Geräte- und nicht mehr Prozessorpreis zu orientieren. Laut Qualcomm geht es um eine Einmalzahlung von mehreren Hundert Millionen US-Dollar plus fortlaufend deutlich höhere Lizenzgebühren.

Laut Reuters ist der erste Verhandlungstag ARM vs. Qualcomm erst für Dezember 2024 angesetzt. Wer einen PC mit Snapdragon X Elite beziehungsweise Snapdragon X Plus kaufen möchte, hat zumindest unmittelbar wenig zu befürchten. Ein vorläufiger Verkaufsstopp erscheint unrealistisch – vielmehr soll die Drohung den Druck auf Qualcomm erhöhen.

Aus Beobachterperspektive wirkt die ganze Situation absurd. Jahrelang wollte ARM mit seinem CPU-Befehlssatz in Notebooks und Desktop-PCs gelangen. Nun bietet sich erstmals eine realistische Chance und ARM torpediert sie, um ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen. Auch ist Qualcomm (nach Mediatek) der zweitgrößte Anbieter von Smartphone-Prozessoren, also für ARM einer der wichtigsten Partner.

Qualcomm ist derweil von ARM abhängig, weil die Firma ohne den CPU-Befehlssatz gar keine Prozessoren entwickeln kann. Eigentlich wäre das der perfekte Nährboden für eine Symbiose, die jedoch gehörig in Schieflage geraten ist.

Update

Ăśbersetzung aus ARMs Klageschrift korrigiert.

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