AT&T will Filter gegen illegale Kopien von Musik und Filmen einsetzen

Als erster Provider arbeitet die größte US-Telekommunikationsfirma mit der Musik- und Filmindustrie zusammen, um technisch die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte über ihr Netz zu verhindern.

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AT&T arbeitet als erster Provider mit der Musik- und Filmindustrie zusammen, um technisch die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte über das eigene Netz zu verhindern. Dies verkündete Jim Cicconi, Justiziar der größten US-Telekommunikationsfirma, am gestrigen Mittwoch auf der Konferenz Digital Hollywood im kalifornischen Santa Monica. "Wir wollen in unserer Piraterie-Initiative eine Netzwerk-basierte Lösung entwickeln", erklärte Cicconi laut US-Medienberichten. Wie diese konkret aussehen und welcher Ansatz zum Herausfiltern einzelner geschützter Dateien zum Tragen kommen soll, wusste der Manager noch nicht zu berichten. Er schloss nur aus, dass sein Haus ganze Websites blockieren wolle, über die widerrechtlich die geschützten Inhalte vertrieben werden.

Zugangsprovider waren bislang weltweit äußerst skeptisch und zurückhaltend bei der Implementierung netzseitiger Filterlösungen. Sie fürchten, dass diese entweder leicht zu umgehen sind oder Kollateralschäden im gesamten Netzwerk auslösen und zu große Teile des Internet blockieren. Datenschützer haben zudem rechtliche Bedenken gegen netzseitige Inhaltsfilter. AT&T sieht die Zukunft aber vor allem auch im Online-Geschäft mit Bezahlinhalten und die eigenen Interessen daher verstärkt verknüpft mit denen Hollywoods und der Musikindustrie. Die Führungsebene des Telekommunikationsriesen hat Cicconi zufolge daher jüngst entschieden, dem Copyright-Schutz im Netz höhere Priorität einzuräumen und dem Drängen großer Hollywood-Studios und TV-Produktionsfirmen wie Viacom und des Branchenverbands Motion Picture Association of America (MPAA) nachzugeben.

Cicconi führte als Begründung für den Gesinnungswechsel ferner das Argument an, dass die Übertragung Copyright-verletztender Inhalte zunehmend das AT&T-Netzwerk verstopfe sowie dem Konzern Bandbreite und damit Geld koste. "Wenn jemand einen Server in seinem Keller an unser Netz anschließt und illegale Filmkopien hochlädt, erhöht dies die Kosten für alle und verursacht Staus auf der Datenautobahn, ohne dass wir dafür eine Entschädigung erhalten", betonte der Rechtsexperte. Sein Haus gebe rund 18 Milliarden US-Dollar für die Wartung des Netzwerks aus. Ein signifikanter Anteil davon sei nötig, um mit dem Traffic-Wachstum Schritt zu halten. AT&T tritt andererseits bereits seit längerem für Möglichkeiten ein, bestimmte Inhalte- und Datenklassen privilegiert durch die Netzleitungen fließen zu lassen und hat damit den seit langem vor sich hin kochenden Streit um die so genannte Netzneutralität mit entfacht.

Der Providerveteran Jay Samit konnte den Gesinnungswandel bei AT&T dagegen nicht ganz verstehen, da der Konzern genauso wie viele andere Zugangsanbieter seit Jahren Kasse auch mit der Weiterleitung geschützter Werke mache: "Der leicht erfassbare Grund dafür, dass sich Leute Breitband zulegen, ist das Beschaffen von Inhalten." Auch US-Bürgerrechtsvereinigungen kritisieren das Vorhaben scharf. "AT&T riskiert, in einem letzten Aufgebot viel Geld und Arbeitskraft für das Stopfen eines alten Lochs in der Wand zu verschwenden, während gleichzeitig neue aufbrechen", geht Fred von Lohmann von der Electronic Frontier Foundation (EFF) von einem aussichtslosen Kampf aus. Seine Organisation gehört zu einer Reihe von Bürgerrechtsvereinigungen, die gegen AT&T wegen Verwicklungen in die Bespitzelungsaktionen der National Security Agency (NSA) rechtlich vorgeht. Die digitale Technik gebe den Verbrauchern unbegrenzte Möglichkeiten zum Kopieren an die Hand, gibt von Lohmann weiter zu bedenken. Die Antwort darauf könne es daher nicht sein, sie am Vervielfältigen zu hindern. Vielmehr müsse die Industrie neue Wege finden, um die Konsumenten in zahlende Kunden zu verwandeln.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und illegale Kopien urheberrechtlich geschützter Werke sowie zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)